Hat mein Kind eine Veranlagung zum Dicksein?

Die einen sind schlank und/oder sportlich, die anderen kräftig und/oder pummelig. Schön und gut! Doch was soll man tun, wenn es das eigene Kind ist, das nicht der Normentspricht? Zwei große Studien geben Antworten auf eine Frage, die uns Eltern umtreibt. Lesen Sie hier, was die Ursache sein kann und wie Sie Ihrem Kind helfen 

Inhaltsverzeichnis

Nicht alle Kinder sind gleich

Pizza, Burger, Pommes: Viele ihrer Mitschülerinnen können essen, was sie mögen. Vanessa nicht. Obwohl sie sich bei Schokolade, Gummibärchen & Co. zurückhält und versucht, kleine Portionen zu essen, wird sie einfach nicht dünner. Ihr Schicksal teilt die Elfjährige mit einer ganzen Reihe von Kindern. Forscher von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm vermuten, dass ihr Stoffwechsel schon vor der Geburt auf „dick“ programmiert wurde – im Bauch ihrer stark übergewichtigen Mutter. Martin Wabitsch, Leiter der Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie, hat in der Ulmer Studie rund 1.000 Kinder in ihren ersten Lebensjahren begleitet und untersucht, wovon das Gewicht in diesem Alter abhängt. Sowohl die Stilldauer als auch das Bildungsniveau und der Sozialstatus hatten einen gewissen Einfluss.

Als viel bedeutenderer Faktor entpuppte sich das Gewicht der Mutter vor der Schwangerschaft

Waren die Mütter vor der Schwangerschaft übergewichtig, hatten ihre Kinder häufig bereits im Grundschulalter einen veränderten Zuckerstoffwechsel. Außerdem scheint es zu Veränderungen in einem bestimmten Gehirnbereich zu kommen, dem Hypothalamus, wodurch der Körper den Kindern und Jugendlichen ständig signalisiert, dass sie mehr essen müssten, um genügend Energie aufzunehmen. Auch aktuelle Untersuchungen von Dr. Pilar Dies-Suarez von der Kinderklinik „México Frederico Gómez“ in Mexiko Stadt bestätigen die These, dass die Entstehung von Übergewicht im Gehirn eines Kindes vorprogrammiert sein kann.

Die Kinderärzte fanden heraus, dass Essensgerüche bei übergewichtigen Kindern stärkere Reaktionen hervorrufen als bei normalgewichtigen Altersgenossen. Sie haben demnach mehr Schwierig – keiten, Essen zu widerstehen, weil bestimmte Gehirnregionen besonders aktiv darauf reagieren.

Mein Tipp

Schenken Sie dem Darm mehr Beachtung: In den letzten zwei Jahren hat sich ein regelrechter Wissenschaftshype um das Verdauungsorgan entwickelt. Immer mehr neue Studien lassen darauf schließen, dass er viel mehr mitzureden hat als bisher vermutet. Fest steht: Bakterien, die im Darm zu Hause sind, können unser Körpergewicht beeinflussen. Die These: Im Darm von übergewichtigen Kindern tummeln sich besonders viele Firmicutes-Bakterien, die aus verspeister Nahrung mehr Energie ziehen. Ein Kind, das zu viele davon im Darm hat, nimmt bei gleicher Ernährungsweise pro Tag 100 bis 150 Kalorien mehr zu sich. Anders verhält es sich mit den sogenannten Bacteroidetes. Sielassen aufgenommene Kalorien einfach so „durchrutschen“.

Mein Extra-Tipp:

Versuchen Sie, die Darmflora Ihres Kindes gesund zu halten. Schlankmacher-Bakterien freuen sich über ballaststoffreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Artischocken, Spargel, Chicorée oder Topinambur. Aber auch Haferflocken und Reis fördern genauso wie Probiotika (Kefir, Naturjoghurt, Sauerkraut, Essiggurken, Hering) das Wachstum erwünschter Bakterienstämme.

Nicht alles lässt sich auf die Gene schieben

Wenngleich also ein Kind nicht dick geboren wird, so spielt seine Veranlagung doch eine gewisse Rolle. Das zeigt eine britische Studie an über 5.000 Zwillingen. Danach scheint die genetische Veranlagung 75 Prozent auszumachen, der Einfluss der Umwelt dagegen nur 25 Prozent. Aber dieser geringere Prozentsatz reicht aus für ganz unterschiedliche Entwicklungen: Bei gleicher genetischer Veranlagung war ein Zwilling dick und der andere dünn. Die Basis für die Programmierung „auf dick“ vermutet der Ulmer Wabitsch im Erbgut: „Zwar kann die Ernährung der Mutter die Gene des Kindes nicht verändern“, so Wabitsch, „sie kann aber beeinflussen, welche für den Stoffwechsel relevanten Gene des Kindes aktiviert werden und welche nicht.“

Gewichtszunahme in der Vorpubertät:

Bleiben Sie gelassen! Oft werden die Grundlagen für ein späteres Übergewicht in der sogenannten Vorpubertät (zwischen 10 und 14 Jahren) gelegt. In dieser Phase legen viele Kinder schnell und mitunter beträchtlich an Gewicht zu. Wabitsch rät besorgten Eltern dennoch zu mehr Gelassenheit: „Der Körper braucht eine gewisse Fettmasse, um in die Pubertät starten zu können.“ Auch das Sexualhormon Östrogen, dessen Spiegel in der Vorpubertät ansteigt, kann bei Mädchen zu mehr Körperfülle führen, so der Hormonexperte. Ob die Gewichtszunahme noch im Rahmen ist, lässt sich mit dem Body-Mass-Index(BMI)ermitteln. Liegt er im oberen Bereich (siehe BMI-Check), sollten Sie einen Kinderarzt zu Rateziehen. Auf keinen Fall sollten Sie rationieren, verbieten oder Ihrem Kind den Teller wegnehmen. Auch Bemerkungen über die Figur sollten selbstverständlich unterbleiben, denn in diesem Alter manifestieren sich die Grundlagen für Essstörungen. Das Wichtigste ist, dass Sie den Fokus auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung legen, selbst Vorbild sind und das Sportpensum Ihres Kindes allmählich erhöhen. Vergleichen Sie den bei Ihrem Kind errechneten BMI-Wert mit der Perzentilen-Kurve für Jungen und Mädchen.

Liegt der BMI über der 90. Perzentile, ist Ihr Kind übergewichtig, wenn er über 97 liegt, ist es fettleibig. Alle Werte unter 90 sind in Ordnung. Für unser Beispiel bedeutet das: Ist das Mädchen 6 Jahre alt, liegt sein Wert knapp unter 90, also noch im Normbereich.