Probiotika: Wundermittel oder nutzlos?

„Probiotika stärken das Immunsystem“, „Probiotika für eine gesunde Darmflora“, „Probiotika verhindern Allergien“: Mehr und mehr werden Probiotika als die wahren Alleskönner für die Gesundheit angepriesen. Doch was ist dran an den vielen Versprechen? Erfahren Sie hier, wann Probiotika für Ihr Kind wirklich sinnvoll sein können. 

Inhaltsverzeichnis

Natürlich gesund

Probiotika sind isoliert lebende Mikroorganismen (Bakterien oder Hefepilze), die über den Mund eingenommen werden und sich auf der Darmwand festsetzen sollen. In unserer Nahrung kommen diese Bakterien in milchsauren Produkten wie Kefir, Joghurt oder Buttermilch vor.

Wie wirken Probiotika?

Ein gesunder Darm besitzt im Normalfall viele „gute“ Bakterien. Durch Antibiotika, schlechte Ernährung, Krankheiten und Stress können die Bakteriengemeinschaften im Darm jedoch angegriffen sein. Die „guten“ Bakterien gehen zurück – „schlechte“ Bakterien können sich ausbreiten. Probiotika sollen diesen Mangel an gesunden Bakterien ausgleichen und die krank machenden Bakterien zurückdrängen.

Die Wirkung von Probiotika ist umstritten

Häufig sterben die eingenommenen Bakterien wegen der zum Teil aggressiven Verdauungssäfte bereits auf dem Weg durch Magen und Darm. Erreichen sie den Darm dennoch lebend, können sie sich dort nicht wie gewünscht ansiedeln, sondern werden schon nach wenigen Tagen ausgeschieden. Daher müssen Probiotika sehr viele lebende Bakterien enthalten (ca. 10 Millionen pro Gramm) und über einen langen Zeitraum (vier Wochen bis einige Monate) eingenommen werden. Trotz intensiver Forschung ist es bisher nicht gelungen, die positive Wirkung von Probiotika zu beweisen. Zwar gibt es einige positive Ergebnisse und Berichte, doch insgesamt ist die Studienlage widersprüchlich und unter Experten umstritten

Als gesichert gilt zurzeit lediglich eine leicht positive Wirkung bei

  • Durchfall: Bei einer Darmgrippe oder bei Durchfall wegen Antibiotika-Einnahme helfen Probiotika, den Durchfall abzumildern.
  • Atemwegsinfekten: Auch bei einer Schwächung des Immunsystems mit häufigen Atemwegsinfekten scheinen Probiotika einen positiven Einfluss auszuüben. Die Infekte werden zwar nicht seltener, verlaufen aber etwas milder und ein bis zwei Tage kürzer als zuvor. Allerdings müssen die Präparate hierfür täglich über einen langen Zeitraum (drei bis zwölf Monate!) eingenommen werden, bis sich eine Wirkung bemerkbar macht.
  • Allergien: Ein möglicher Schutz vor Allergien ist bisher nicht so gut belegt wie die Wirkung von Probiotika bei Durchfall oder Immunschwäche. Manche Studien zeigen einen gewissen Schutz, in anderen konnte dieser Effekt nicht nachgewiesen werden. Lediglich das Risiko, in den ersten Lebensjahren an Neurodermitis zu erkranken, scheint sich durch Probiotika leicht mindern zu lassen. Manche Ärzte empfehlen daher Müttern mit familiärer allergischer Belastung die Einnahme von bestimmten Probiotika schon in der Schwangerschaft

Können Probiotika auch schädlich sein?

Momentan gehen Fachleute davon aus, dass Probiotika bei weitgehend gesunden Kindern und Erwachsenen bis auf eventuell Blähungen keine Nebenwirkungen haben. Dass auch hier noch viel Unsicherheit herrscht, wird bei der Diskussion um Säuglingsnahrung deutlich: Immer mehr Hersteller werben mit pro- und präbiotischen Zusätzen. Wegen der unsicheren Studienlage wird eine routinemäßige Gabe dieser Milch jedoch derzeit nicht empfohlen – bei frühgeborenen, herzkranken und immungeschwächten Babys raten Kinderärzte sogar ganz von probiotischen Zusätzen ab. In Großbritannien und Norwegen ist der Verkauf von probiotischer Säuglingsnahrung sogar verboten.

Wie kann ich meinem Kind Probiotika geben?

Für die Einnahme von Probiotika gibt es drei Möglichkeiten.

1. Natürliche, probiotische Lebensmittel

Normalerweise reicht eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung aus, um den Darm Ihres Kindes gesund zu erhalten. Joghurt, Kefir und Sauerkraut bzw. Sauerkrautsaft enthalten natürliche Probiotika. Achten Sie beim Einkauf darauf, möglichst unbehandelte, nicht wärmebehandelte oder pasteurisierte Produkte zu kaufen.

2. Lebensmittel mit probiotischen Zusätzen („Functional Food“)

Ursprünglich beschränkte sich das Angebot an probiotischen Lebensmitteln auf Joghurtdrinks wie z. B. Actimel oder Yakult. Seit geraumer Zeit gibt es nun auch Quark, Käse und Wurst, denen probiotische Bakterien zugesetzt wurden. Allerdings ist bei diesen Produkten die Wirkung auf den Darm fraglich. Da es mittlerweile verboten ist, mit den enthaltenen Zusätzen zu werben, erkennen Sie die Lebensmittel nur noch an den angegebenen Bakterienstämmen auf der Zutatenliste (z. B. Lactobacillus casei oder Bifidobakterien). Achten Sie aber auch auf die anderen Zutaten. Joghurtdrinks etwa enthalten meist sehr viel Zucker

3. Probiotische Arzneimittel

Ist Ihr Kind besonders belastet (z. B. durch Krankheit, Stress oder nach Antibiotika-Einnahme), kann es sinnvoll sein, den Darm einige Wochen lang mit einem probiotischen Präparat aus der Apotheke zu unterstützen. Solche Prä- parate enthalten entweder lebende Bakterien oder Hefepilze, sie müssen auf das Alter und die Beschwerden Ihres Kindes abgestimmt sein. Fragen Sie möglichst Ihren Kinderarzt oder Heilpraktiker um Rat.

Mein Tipp:

Probiotischen Joghurt können Sie preiswert und gut auch selbst herstellen. Hierfür gibt es im Handel (Internet oder Reformhaus) Joghurtkulturen mit probiotischen Bakterien. Und so geht’s: 1 Liter Vollmilch kurz aufkochen und anschließend auf 38 °C abkühlen lassen. Ca. 2g (Anleitung auf dem Produkt beachten) Joghurtkulturen-Pulver und 2 gehäufte Esslöffel Magermilchpulver einrühren. Die Mischung in Gläser mit Schraubdeckel füllen und bei 50 °C 30 Minuten lang in den Ofen stellen. Anschließend den Ofen ausschalten und die Gläser über Nacht im Ofen lassen. Der Joghurt ist im Kühlschrank eine Woche haltbar.