Vitaminpräparate: Stärken sie wirklich das Immunsystem Ihres Kindes?

Wenn die Kleinen einen Infekt nach dem anderen haben, greifen viele Eltern zu Vitaminpräparaten, und wollen so die Abwehrkräfte stärken. Doch aufgepasst: Die Wirksamkeit von Multivitaminpräparaten zur Infektvorbeugung ist nicht belegt, und möglicherweise erhöhen sie sogar das Allergierisiko von Kindern! 

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Vitaminpräparate für Kinder

Vitamine sind wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem – so viel steht fest. Bloß der Umkehrschluss, dass mehr Vitamine zu einem stärkeren Immunsystem verhelfen, wie uns die Pharmabranche häufig weismachen will, ließ sich bisher nicht zweifelsfrei belegen. Hier erfahren Sie, wie Sie das Immunsystem Ihres Kindes stärken, welche Vitamine für Kinder nach ärztlicher Absprache geeignet sind und was Sie lieber lassen sollten. 

Vitamin C gehört zu den unverzichtbaren Helfern des Immunsystems. Höchstwahrscheinlich spielt die Vitamin-C-Konzentration im Blut für den Erfolg der Abwehr eine entscheidende Rolle. Es unterstützt die Abtötung von Erregern und fördert die Bildung sowohl von Antikörpern als auch von Interferonen. Beide braucht der Körper, um mit den Erregern fertig zu werden. So verwundert es nicht, dass Vitamin C das Erkältungsmittel schlechthin ist, dem nachgesagt wird, es beuge bei regelmäßiger Einnahme Infekten vor und könne auch – bei sofortiger Einnahme – eine Erkältung im Anfangsstadium noch verhindern. Obwohl Vitamin C für die Abwehr unverzichtbar ist, ist die Wirkung von Vitamin-C-Gaben nicht sehr überzeugend, denn in mehr als 50 wissenschaftlichen Studien zeigte sich kein eindeutiger Schutzeffekt gegen Erkältungen. Die Erkältungshäufigkeit ließ sich nicht senken, wohl aber konnte bei Kindern die Dauer einer Erkältung um 14 Prozent verkürzt werden.

Ähnlich ist die Datenlage übrigens auch für Zink: Auch hier gibt es keine wirklich überzeugenden Berichte. In einer Untersuchung ergab sich, dass Schulkinder ihren Schnupfen schneller wieder loswurden, wenn sie regelmäßig Zinkglukonat einnahmen. Weitere Studien konnten das aber nicht bestätigen oder waren widersprüchlich. Ist Ihr Kind ein absoluter Obst- und Gemüsemuffel, kann eine Vitamin-C-Gabe (in Absprache mit dem Kinderarzt) sinnvoll sein. Wollen Sie Abwehrkräfte stärken, ist eher eine vitaminreiche Ernährung mit Obst und Gemüse zu empfehlen, die zusätzlich viele gesunde Biostoffe enthalten. Ist Ihr Kind davon weniger begeistert, können Sie auch mit Orangensaft und anderen Säften, Sanddornmark, Hagebuttenmark oder Acerola- Zubereitungen (aus dem Reformhaus) für einen richtigen Vitaminschub sorgen.

Multivitaminpräparate für Kinder: Gut für das Immunsystem?

Sie ahnen es schon: Auch für die viel beworbenen Multivitaminpräparate gibt es keinen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis. Alle großen Studien zur Wirksamkeit von Vitaminpräparaten wurden mit Erwachsenen – häufig Personen in mittlerem bis höherem Lebensalter – durchgeführt. In einer holländischen Studie nahmen beispielsweise 650 Senioren drei Jahre lang ein Multivitaminpräparat, Vitamin E oder ein Placebo ein. Es wurde untersucht, ob sich Häufigkeit und/oder Schwere von Atemwegserkrankungen positiv beeinflussen ließen. Das Multivitaminpräparat schnitt nicht besser ab als das Placebo. Unter Vitamin E waren die Teilnehmer sogar länger (19 statt 14 Tage) und schwerer krank (Fieber in 37 Prozent statt in 25 Prozent der Fälle). Eine ganze Reihe weiterer Multivitamin-Studien kamen zu einem ähnlichen Ergebnis, wenngleich es auch einige Studien gibt, die zu einer positiven Bewertung kommen. Die Einnahme von Multivitaminpräparaten ist aber möglicherweise nicht nur wirkungslos, sondern könnte sogar das Allergierisiko von Kindern erhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine im Jahr 2004 in Pediatrics veröffentlichte Studie. In den USA werden Kleinkinder mit Vitaminen überhäuft. Bereits über 50 Prozent von ihnen bekommen regelmäßig Vitamintabletten, zusätzlich zu angereicherten Lebensmitteln, Getränken und Flaschennahrung. Welche Probleme das mit sich bringt, haben Kinderärzte in Washington an über 8.000 Kleinkindern aufgezeigt: So hatten Kinder, die im Alter von drei Jahren Multivitaminpräparate bekamen, ein um 40 bis 60 Prozent höheres Risiko für Nahrungsmittelallergien, je nachdem, ob sie als Babys die Brust oder die Flasche bekommen hatten. Wurden die Kleinen gar schon in den ersten sechs Lebensmonaten mit Vitaminen „bombardiert“, führte das zu 63 Prozent mehr Nahrungsmittelallergien bei den Flaschenkindern sowie zu einer um 27 Prozent erhöhten Asthmarate bei schwarzen Kindern. Die Studienautoren vermuten einen ursächlichen Zusammenhang mit den Multivitaminpräparaten und verweisen auf Versuche an Zellkulturen, wonach Vitamine die Differenzierung von Immunzellen beeinflussen können.

In Amerika, wo jeder Zweite täglich ein Vitaminpräparat einnimmt, fällte ein unabhängiges Expertengremium im Auftrag des National Institute of Health folgendes Urteil über die Sicherheit und den Nutzen von Multivitamin- und Mineral-Nahrungsergänzungen: „Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Amerika nimmt täglich Vitamine und Mineral-Tabletten oder angereicherte Nahrungsmittel zu sich, und letztlich wissen wir nicht, ob sie davon profitieren. Wir sind dagegen eher besorgt, dass einige Menschen zu viel davon einnehmen.

Obst und Gemüse sind besser als Vitamintabletten

Vitamine sind in ihrer natürlichen „Verpackung“ als Obst und Gemüse viel gesünder, denn so bekommt Ihr Kind auch wichtige Pflanzenstoffe wie etwa Carotinoide und Flavonoide, die zellschützend wirken. Da es das ganze Jahr über ein reichliches Angebot an frischen Obst- und Gemüsesorten gibt, ist bei einer ausgewogenen Ernährung kein Mangel zu befürchten.

Und wenn ein Vitaminmangel droht?

Die lieben Kleinen haben so ihre Essmarotten: „Igitt, bloß kein Gemüse!“. Deswegen wollen viele Eltern mit einem Vitaminpräparat auf Nummer sicher gehen. Doch mit dem richtigen Know-how bringen Sie auch einen kleinen Gemüsemuffel dazu, zumindest einige Gemüsesorten und Obst zu verspeisen. Wenn Ihr Kind trotz aller Bemühungen wenig und einseitig isst, sollten Sie mit dem Kinderarzt sprechen, bevor Sie ein Vitaminpräparat geben. Und falls tatsächlich ein nachgewiesener Vitaminmangel vorliegt, sollte dieser gezielt mit einem vom Arzt verordneten Präparat behoben werden.

Multivitaminpräparate für Kinder haben auch ihre Tücken

Unser Körper ist daran gewöhnt, Nährstoffe über den Tag verteilt zugeführt zu bekommen und nicht konzentriert alle auf einmal. Aus der einmal täglichen Tablette verschwinden etliche wasserlösliche Vitamine ungenützt mit dem Urin in der Toilette. Viele Vitaminpräparate enthalten außerdem Mineralstoffe. Damit gibt es neue Probleme. Manche Mineralien behindern sich gegenseitig bei der Aufnahme und Verarbeitung. Vitamin C fördert zwar die Aufnahme von Eisen. Eisen behindert jedoch die Aufnahme von Zink. Und Zink wiederum die von Kupfer. Auch Kalzium und Magnesium behindern sich gegenseitig.

Die Altersempfehlung und die Zusammensetzung etlicher Vitaminpräparate für Kinder sind eher willkürlich als wissenschaftlich begründet. Von manchen Spurenelementen wie Selen und Molybdän ist noch nicht einmal der genaue tägliche Bedarf in den ersten Lebensjahren bekannt. Deshalb sind Präparate mit diesen Zusätzen für Kinder unter sieben Jahren zur Selbstbehandlung generell nicht zu empfehlen. Oft sind die Vitamine in den Präparaten überdosiert. So können sich die fettlöslichen Vitamine A und D im Körper anreichern, während Vitamin B6 bei starker Überdosierung nervenschädigend wirkt. Dabei sind bereits viele Lebensmittel, wie Frühstücksflocken oder Säfte, mit Vitaminen angereichert!