Test: Was können Sie Ihrem Kind schon zutrauen?

Wie viel ein Kind sich in welchem Alter (zu)traut ist ganz unterschiedlich und stark von der jeweiligen Persönlichkeit, den Lebensumständen und seinen bisherigen Erfahrungen abhängig. Wenn es um die zunehmende Selbstständigkeit von Kindern geht, sind Verallgemeinerungen fehl am Platz. Lesen Sie in diesem Beitrag, wie Sie am besten entscheiden, welche Wünsche Sie Ihrem Kind erlauben und welche nicht.  

Inhaltsverzeichnis

Erziehung und Entwicklung

Schon als Säugling zeigen Kinder ganz unterschiedliche Verhaltensweisen. Der eine schläft viel und ist mit jeder Art von Zuwendung zufrieden zu stellen, der andere ist oft hellwach und fordert dann lautstark Aufmerksamkeit ein. Diese Entwicklung individuellen Verhaltens setzt sich fort und führt besonders im Grundschulalter zu großen Unterschieden zwischen gleichaltrigen Kindern. Was der eine sich zutraut, kann für den anderen ein noch unüberwindbares Hindernis sein. Gerade deswegen ist es auch sehr schwer, allgemeingültige Erziehungstipps zu geben. Trotzdem müssen Eltern entscheiden, was ihr Kind darf und was nicht. Dabei helfen Vergleiche mit gleichaltrigen Freunden nur bedingt.

Ein Schulkind erlebt sich anders

Im ersten Schuljahr erleben viele Eltern eine große Veränderung ihres Kindes. Aus dem verschmusten, anhänglichen Kindergartenkind wird innerhalb von wenigen Monaten ein selbstbewusstes Schulkind, das aktiv am Unterrichtsgeschehen teilnimmt, seine Lehrerin als maßgebliche Autorität in Sachen Lernen akzeptiert und mit Freude und Neugier neue Freundschaften schließt. Ein wichtiger Schritt in die Selbstständigkeit ist vollzogen, wenn der Schulbesuch Alltag geworden ist. Neben der Familie eröffnet sich hier ein wichtiger Lebensbereich, der prägend für die weitere Entwicklung Ihres Kindes ist. Mit der Erweiterung des Lebensumfeldes geht auch eine langsame, vorsichtige Loslösung vom Elternhaus einher.

Loslassen ja – aber wie und wann?

Natürlich wissen und wollen Sie, dass Ihr Kind sich weiterentwickelt und aus der elterlichen Abhängigkeit Stück für Stück herauswächst. Am Ende stehen der Auszug, eine Ausbildung, ein Beruf eine eigene Familie. Doch der Weg dahin ist weit und mit vielen Stolpersteinen gepflastert. Selbstständig und unabhängig werden Kinder nicht von alleine, sie benötigen dazu genau die richtige Dosierung von Festhalten und Gehenlassen. Engen Sie Ihr Kind zu sehr ein, entwickelt es nicht genug Selbstbewusstsein und traut sich nur wenig zu. Hat es zu früh zu viele Freiheiten, überschätzt es leicht seine Kompetenzen und begibt sich im schlimmsten Fall in Gefahr.

Typische Wünsche von Grundschulkindern

Das will mein Kind

  • tagsüber alleine zu Hause bleiben
  • bei einem Freund übernachten
  • mit einem Freund in Urlaub fahren
  • abends lange draußen spielen
  • ein Ohrloch, ein Piercing oder ein Tattoo haben
  • selbst entscheiden, wann die Hausaufgaben gemacht werden
  • mit dem Rad in die Schule fahren
  • alleine zur Schule laufen
  • mit Freunden alleine ins Kino gehen
  • mit dem Bus alleine in die Stadt fahren
  • etwas alleine kochen oder backen
  • selbst entscheiden, was es anzieht
  • eine anspruchsvolle Sportart für „Große“, zum Beispiel Kart fahren, ausüben
  • im Internet chatten und surfen
  • ein Handy haben
  • abends alleine bleiben
  • ein (exotisches) Haustier haben
  • ein Profil in einem „social network“ anlegen
  • sich mit einem Job etwas Geld verdienen
  • in den Ferien Kurse, zum Beispiel in der VHS, besuchen

Wie entscheiden Sie, was Ihr Kind darf?

Es ist selbstverständlich, einem Kleinkind das eigenständige Überqueren einer Straße zu verbieten. Die Gefahr ist offensichtlich, ein konsequentes Verbot die natürliche Reaktion. Viel schwieriger wird es jedoch, wenn Kinder komplexe Wünsche auf dem Weg zur Selbstständigkeit äußern und diese auch vehement einfordern. Eine Gefährdung ist meistens nicht offensichtlich und ein Verbot muss von den Eltern gut begründet und für das Kind nachvollziehbar sein. Dabei spielt auch die Persönlichkeit des Kindes eine große Rolle. Mit den folgenden acht Fragen können Sie leichter entscheiden, ob Sie dem Wunsch Ihres Kindes nachgeben können oder nicht

Machen Sie den Test

Diese acht Fragen helfen Ihnen dabei zu entscheiden, ob Sie die Wünsche und Forderungen Ihres Kindes nach Selbstständigkeit erfüllen sollten:

  1. Kommt der Wunsch, etwas zu tun, von Ihrem Kind selbst oder ahmt es lediglich andere, ältere Kinder nach, weil es diese bewundert, zum Beispiel beim Besuch spezieller Freizeitangebote?
  2. Hat Ihr Kind schon einmal eine vergleichbare Situation gemeistert? Ist es der Herausforderung gewachsen, zum Beispiel eine längere Zeit alleine zu sein?
  3. Führt die Erfahrung für Ihr Kind zu einer positiven Entwicklung seiner Persönlichkeit, zum Beispiel zu einem Lerngewinn bezüglich seiner Fähigkeiten?
  4. Setzen Sie Ihr Kind mit dieser Erlaubnis auch keiner unnötigen Gefahr aus, zum Beispiel dem Fahrradfahren auf einer unübersichtlichen Straße?
  5. Ist Ihr Kind intellektuell, körperlich und seelisch in der Lage, die Situation auszuhalten, bzw. richtig einzuschätzen, zum Beispiel eine längere Trennung bei einem Urlaub ohne Eltern zu verkraften?
  6. Gibt es Hilfsangebote, die Ihr Kind absichern oder unterstützen? Können Sie Ihr Kind auf die Aufgabe vorbereiten, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Abfahren einer Strecke?
  7. Gibt es eine Grenze oder Vereinbarung, die Ihr Kind unbedingt beachten muss, zum Beispiel regelmäßige Anrufe oder das Einhalten einer bestimmten Uhrzeit?
  8. Gibt es einen Plan B für Ihr Kind, falls etwas schief geht, zum Beispiel eine Rückreisemöglichkeit?

Auswertung: Haben Sie den Wunsch Ihres Kindes anhand der acht Fragen überprüfen können? Dann sind Sie jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Stück weitergekommen. Sie haben die Ursache des Wunsches aufgedeckt, seine Risiken abgewogen und Gefahrenquellen entschärfen können. Möglicherweise haben Sie festgestellt, dass Sie Ihrem Kind seinen Wunsch nicht erfüllen wollen, weil es noch nicht reif genug dafür ist. Dann haben Sie zwar eine Auseinandersetzung vor sich, können diese aber mit guten Argumenten unterlegen. So kann Ihr Kind die Entscheidung besser verstehen.

Klar, es kann immer etwas passieren!

Eine hundertprozentige Sicherheit, dass Ihrem Kind niemals etwas Schlimmes passiert, gibt es nicht. Jeder neue Tag, jede Erfahrung, jedes Erlebnis kann Ihrem Kind im schlimmsten Fall Schaden zufügen. Unfälle auf dem Spielplatz oder beim Radfahren kommen zwar selten, aber trotzdem immer wieder vor. Das darf Sie aber nicht daran hindern, Ihrem Kind zumutbare Herausforderungen zuzutrauen und es in seinem persönlichen Wachstum zu fordern.

So sichern Sie sich ab, damit Ihrem Kind nichts passiert

Alle oben aufgeführten Wünsche sind bei Kindern normal und werden sicherlich früher oder später auch bei Ihnen in der Familie Thema sein. Mit einem Nein wird sich Ihr Kind nicht lange abspeisen lassen, und das ist auch gut so. Schließlich heißt „Erziehen“ auch, Kindern Herausforderungen zuzumuten, sie langsam loszulassen, ohne sie dabei alleine zu lassen. An einigen ausgewählten Beispielen zeigen wir Ihnen jetzt, wie Sie entscheiden können, was Ihr Kind darf und was nicht.

Soll Till (7 Jahre) ein eigenes Handy haben?

Das spricht dafür

  • Möglicherweise lernt Till den bewussten Umgang mit einem Mobiltelefon.
  • Im Notfall kann Till seine Eltern immer erreichen.
  • Eine Prepaid-Karte begrenzt die Kosten, bestimmte Nummern können gesperrt werden.

Das spricht dagegen

  • Tills großer Bruder (11 Jahre) hat ein Handy bekommen. Till möchte es ihm unbedingt nachmachen. Er braucht eigentlich kein Handy.
  • Till würde das Handy wahrscheinlich nicht nur im Notfall, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit benutzen.
  • Im Unterricht würde das Benutzen des Handys zu Ärger führen.
  • Es besteht ebenfalls die Gefahr eines Diebstahles oder eines Verlustes.
  • Die Versuchung, mit dem Handy zu spielen, ist sehr groß, besonders für einen 7-Jährigen.
  • Es entstehen Kosten, die überflüssig sind.
  • Der Abstand zu dem vier Jahre älteren Bruder muss gewahrt werden.

Fazit:

Obwohl Till möglicherweise den verantwortungsbewussten Umgang mit einem Handy so schon relativ früh erlernen kann, ist die Anschaffung noch nicht notwendig. Es besteht kein besonderer Anlass für den Kauf und Till erwirbt durch den Besitz eines eigenen Handys in diesem Alter noch keine notwendigen Kompetenzen. Till könnte allerdings für eine Woche ein Handy geliehen bekommen, um zu testen, ob er damit umgehen kann.