Nach einem Zeckenstich nicht nur an Borreliose denken!

Nach einem Zeckenstich ist Ihr Kind erst einmal geschockt und Sie sollten vorsichtshalber direkt zum Arzt gehen. Dieser vermutet jedoch fast immer sofort Borreliose, vergisst dabei aber andere ebenso gefährliche Infektionskrankheiten. 

Inhaltsverzeichnis

Achtung vor Infektionen

Bei einer Infektion nach einem Zeckenstich denkt jeder sofort an Borreliose. Viele – auch Ärzte – wissen gar nicht, dass Zecken eine ganze Reihe andere krankmachende Organismen übertragen können. Diese so genannten Koinfektionen sind auch nach einer Antibiotika-Behandlung, der Standard-Therapie bei Borreliose, meist noch vorhanden.

Viele Ärzte gehen fälschlicherweise davon aus, dass Betroffene, die positiv auf Borreliose getestet wurden, ausschließlich Borreliose haben, und sind oft ratlos, wenn die verordnete Antibiotika-Therapie nicht anschlägt. Welche anderen Erkrankungen ein Zeckenstich übertragen kann, wie Sie diese erkennen und welche Therapien dann am besten wirken, erfuhren wir von Dr. Richard Horowitz, Internist und Spezialist für von Zecken übertragenen Infektionskrankheiten in New York.

Eine versteckte Bedrohung

Etwa 25 % aller Borreliose-Infizierten entwickeln eine fortdauernde Infektion, die trotz Antibiotika-Behandlung nicht abklingt. Selbst wenn die Infektion im Bluttest nicht mehr nachweisbar ist, leiden die Patienten dennoch an Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Konzentrationsschwäche sowie anderen Symptomen, die über Monate und Jahre andauern können.

Viele Ärzte glauben, dass mit vier Wochen Antibiotika-Einnahme gegen die Borreliose das Problem erledigt sei. Doch nach den 28-jährigen Erfahrungen von Dr. Horowitz kommen Borreliose-Koinfektionen recht häufig vor, und viele Patienten leiden weiterhin unter den sich überlappenden chronischen bakteriellen und parasitären Koinfektionen.

Worauf Sie achten müssen

Hat sich Ihr Kind nach einem Zeckenstich an Borreliose infiziert, bitten Sie Ihren Arzt, auch die in unserer Übersicht genannten anderen Infektionsmöglichkeiten abzuklären.

Achtung: Selbst dann, wenn der Borreliose-Standardtest negativ ausgefallen sein sollte, kann Ihr Kind mit diesen Erregern infiziert sein! Sollte es Ihrem kind nach einem Monat Antibiotika-Therapie nicht besser gehen und zusätzliche Tests keine Hinweise auf eine Koinfektion ergeben, kann das daran liegen, dass

  1. die Bluttests versagt haben oder
  2. Ihr Kind eine oder mehrere Koinfektionen hat oder
  3. Ihr Kind immer noch unter Borreliose leidet und die Behandlung fortgesetzt werden muss.

Besprechen Sie diese Möglichkeiten unbedingt mit Ihrem Kinderarzt.

Da das Entzündungsgeschehen die Symptome der Borreliose und ihrer Koinfektionen verschlimmern kann, verschreibt Dr. Horowitz seinen Patienten den Wirkstoff Naltrexon (Handelsnamen z. B. Adepend, Nemexin). Er wird typischerweise bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit eingesetzt, hilft aber in diesem Fall, die Entzündungen einzudämmen und das überreizte Immunsystem zu beruhigen.

Konsultieren Sie vorher unbedingt Ihren Kinderarzt!

Die drei häufigsten Koinfektionen der Borreliose, deren Erreger und Therapiemöglichkeiten, können Sie in der folgenden Tabelle einsehen. 

Die häufigsten Borreliose-Koinfektionen nach einem Zeckenstich, ihre Diagnose und Therapie

Name der Erkrankung, BedeutungDiagnose Therapie

Babesiose

Eine sich ausbreitende, parasitäre Infektion, die malariaähnliche Symptome auslöst: Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Fieber. Die Symptome können komplett verschwinden und nach Jahren wieder auftreten. Weitere Symptome: Kurzatmigkeit und unerklärlicher Husten.

Mit einem Bluttest kann der Erreger (Babesia) festgestellt werden. Zur weiteren Differenzierung des Erregers stehen heute Gentests zur Verfügung.Dr. Horowitz empfiehlt die rotierende Anwendung verschiedener Antibiotika mit Malaria-Medikamenten. Beispiel: Clindamycin (Handelsnamen z. B. Basocin, Zindaclin) kombiniert mit Azithromycin (Azyter, Zithromax) und/oder Sulfamethoxazol (Drylin, Bactrim)/Trimethoprim (Infectotrimet). Ebenfalls hilfreich: Kräuterextrakte von Artemisia (Wermut, Beifuß), Kurkuma-Nahrungsergänzungsmittel oder Extrakt der wilden Karde.
Ehrlichiose/Anaplasmose

Eine bakterielle Infektion, die Kopfschmerzen, hohes Fieber, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit zur Folge hat. Sie gehört zu den häufigsten Koinfektionen einer Borreliose.
Die Infektion kann durch einen Antikörper-Bluttest diagnostiziert werden. Weitere Hinweise auf eine Erkrankung: reduzierte Leukozyten- und Thrombozyten-Zahl, erhöhte Werte bei den Leberenzymen GOT und Gamma-GT.Die Ehrlichiose kann relativ zuverlässig mit Antibiotika wie Doxycyclin (Antodox, Doxyhexal) und verwandten Tetracyclinen behandelt werden.
Bartonella

Bis vor wenigen Jahren nahm man an, dass diese Erkrankung nur von Katzen (Bisse, Kratzer) übertragen wird. Inzwischen ist klar, dass auch Flöhe, Fliegen und Zecken die parasitär lebenden Bakterien übertragen.
Typische Symptome sind Hautrötungen, Hautknötchen, geschwollene Lymphknoten bis hin zu starken Nervenschmerzen, Brennen, Kribbeln und Benommenheit. Die Erreger lassen sich durch einen Antikörper-Bluttest und Gentests diagnostizieren.Die Bartonella kann mit Doxycyclin, kombiniert mit Rifampicin (Eremfat, Rifa) oder anderen antibiotischen Wirkstoffen wie Chinolonen behandelt werden.