Hilfe bei typischen Rechtschreibfehlern in Klasse 1 und 2

Natürlich kann in den ersten beiden Schuljahren von einer sicheren Rechtschreibung noch keine Rede sein. Trotzdem brauchen Kinder Richtlinien und klare Strukturen, um den Aufbau der Schriftsprache nach und nach zu verstehen. 

Inhaltsverzeichnis

Rechtschreibung verbessern

Sehen die kleinen Texte, die Ihr Kind ohne Vorlage schreibt, manchmal sehr merkwürdig aus? Können Sie einzelne Wörter nur dann verstehen, wenn sie laut vorgelesen werden? Wirken freie Texte Ihres Kindes manchmal wie kreative Kunstwerke? Eine besorgte Mutter schilderte die Rechtschreibfehler ihrer Tochter wie folgt: „Meine Tochter (acht Jahre, zweite Klasse) ist eigentlich eine gute Schülerin, sie macht bei geübten Diktaten höchstens mal einen Leichtsinnsfehler. Aber wenn sie Texte frei schreibt, zieht es mir bei der Rechtschreibung die Schuhe aus. Fehler über Fehler, selbst bei geübten Wörtern. Ist das normal?“

Die Antwort auf diese Frage muss Ja lauten. Solange ein Kind in einem freien Text jeden gehörten Laut einem Buchstaben zuordnet, können Sie mit seinen Rechtschreibfähigkeiten bis zum Ende der zweiten Klasse ganz zufrieden sein. Ihr Kind hat dann die alphabetische Stufe des Rechtschreiberwerbs bewältigt.

Die alphabetische Rechtschreibung lernt Ihr Kind in Klasse 1 und 2

In den ersten beiden Schulklassen lernt Ihr Kind beim lesen, dass Wörter aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzt sind. Es muss genau hinhören, um zu erkennen, welche einzelnen Laute sich in einem Wort verbergen. Nun beginnt es, alle hörbaren Laute aufzuschreiben. Versuchen Sie es doch einmal selber, und schreiben Sie das Wort Männer so, wie Sie die Laute hören.

Wenn Sie sich in die Wahrnehmungsfähigkeiten eines Erstklässlers gut hineinversetzt haben, könnten Sie die folgenden Schreibweisen gewählt haben: Mena, Menna, Menner. Alle diese Schreibweisen sind logisch nachzuvollziehen und beruhen darauf, jeden gehörten Laut zu verschriften.

Typische Schreibungen für Kinder der ersten und zweiten Klasse, die ganz normal sind (alphabetische Stufe)

richtige Schreibweisehäufige SchreibungenUrsache
Berg (Henne, Zwerg,Werk)brg, Brg, Berk, berk
  • Der Buchstabe r wird nicht lautiert, sondern als -er- gesprochen. Das e erscheint folglich beim Schreiben überflüssig.
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Verlängerungsregel für Auslaut ist noch unbekannt.
Söhne (auch nahm, sah,Kuh)Söne, söne, söene
  • s wird noch als es und n noch als en gehört und geschrieben.
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Das Dehnungs-h ist noch unbekannt.
Abend (auch und,Wand, Rad)Abent, abent, abend
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Unsicherheit beim Endlaut d oder t
Bagger (auch Klasse, Zimmer, besser)Bagga, Baga, bager
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Die Dopplung (gg) nach kurzem Vokal ist unbekannt.
  • Der Endlaut er wird als a wahrgenommen.
schläft (auch Häuser, Bäuerin, Späße, Bälle)schleft, schlefd, Schleft, Schläfd, Schläft, schläfd
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Die Ableitung ä von a wird noch nicht beherrscht.
schmecken (auch schmücken, wecken, schicken, Rücken)schmeken, Schmeken
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird noch nicht beherrscht.
  • Die Schärfung durch ck wird noch nicht beherrscht.

Diese Fehler Ihres Kindes sind ganz normal

Wenn Ihr Kind beim freien Schreiben die oben genannten Fehler macht, kann es zwar jedem Laut einen Buchstaben zuordnen, aber noch keine Rechtschreibregeln (Orthographie) anwenden. Die lernt es spätestens mit Beginn des dritten Schuljahres, meistens aber schon während der zweiten Klasse. Beim freien Schreiben ist es also völlig normal, dass Kinder nicht an die Rechtschreibregeln denken, sondern spontan aufschreiben, was ihnen einfällt. In den ersten beiden Schuljahren sollten Sie Ihr Kind daher bei freien Texten so wenig wie möglich korrigieren. Es geht in diesem Alter in allererster Linie darum, den Spaß am Schreiben zu wecken. Ständiges Korrigieren würde Ihren Kind seine Motivation nehmen.

Bei diesen Fehlern sollten Sie aufmerksam werden

Es gibt allerdings auch Fehler, bei denen Sie schon in der zweiten Klasse aufmerksam werden sollten. Dazu gehören Auslassungsfehler, bei denen Ihr Kind einem gehörten Laut keinen Buchstaben zuordnet, also beispielsweise Himme anstatt Himmel schreibt. Ebenso sollte Ihr Kind keine Laute hinzufügen, also beispielsweise sagenen anstatt sagen zu schreiben. Auch Vertauschungen wie lieder statt leider weisen darauf hin, dass Ihr Kind die alphabetische Strategie nicht optimal beherrscht.

Diktat für Kinder ab Mitte der 2. Klasse

Testen Sie die Rechtschreibsicherheit Ihres Zweitklässlers. Bevor Sie Ihrem Kind diesen kurzen Text diktieren, sollten Sie die neuen Wörter kurz erklären und deren Schreibweise erläutern. Ihr Kind kann den Text auch lesen, bevor es ihn kurze Zeit später diktiert bekommt. Der geschriebene Text wird dann auf die klassischen Fehler der alphabetischen Strategie hin kontrolliert: Auslassungs-, Zufügungs- und Vertauschungsfehler.

Diktat (Klasse 2)

Die Osterferien sind vorbei. Die Kinder dürfen nicht mehr lange schlafen.Viele freuen sich auf die Schule. Ihre Schultaschen stehen bereit. Tim fährt mit dem Schulbus, Tina läuft zur Schule.

Beispielhafte Fehler, an denen Ihr Kind arbeiten sollte

Die Osteferien (das -r- fehlt, obwohl es zu hören ist) sind vorbei. Die Kinderer (das Wort wurde verlängert) dürfen nicht mehr lange schlafen. Viele freuen sich auf die Schule. Ihre Schultaschen stehen beriet (e und i wurden vertauscht). Tim fährt mit dem Schubus (das -l- fehlt, obwohl es zu hören ist), Tina läuft zur Schule.

Die markierten Fehler sollte Ihr Kind am Ende der zweiten Klasse nicht mehr machen. Andere Fehler im Text, wie beispielsweise ein Dehnungs-h zu vergessen, Wörter mit f anstatt mit v zu schreiben oder die Ableitung von au zu äu (läuft) noch nicht zu kennen, brauchen Sie noch nicht zu beunruhigen.

Mein Tipp
Gerade in den ersten beiden Schuljahren ist die geduldige und spielerische Hinwendung zur Schriftsprache für Ihr Kind wichtig. Loben Sie alle Schreibversuche Ihres Kindes, und zeigen Sie Ihre Freude über kleine Briefe, SMS oder Notizen. Vermeiden Sie auf jeden Fall, Schreiben als Strafe einzusetzen. Einen Satz zehnmal abschreiben zu lassen, weil Ihr Kind vielleicht im Wutanfall etwas zerstört hat, ist für seinen weiteren Schriftspracherwerb nicht motivierend.