Loslassen: So geht’s leichter!

Die Zeit der Pubertät wird für viele Familien zur Feuerprobe: Eltern müssen die massiven Bestrebungen des Kindes, unabhängig zu werden, nicht nur dulden, sondern auch tatkräftig unterstützen. Das ist nicht immer ganz leicht. Lesen Sie hier, wie Sie Ihrem Kind helfen können, mehr und mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, warum elterliche Befürchtungen ganz normal sind und wie Sie am besten damit umgehen. 

Inhaltsverzeichnis

Wenn Kinder erwachsen werden

Dass sich Jugendliche in der Pubertät zunehmend von ihren Eltern unabhängig machen wollen und das mit zum Teil ebenso schmerzlichen wie heftigen Mitteln durchzusetzen versuchen, ist mittlerweile elterliches Allgemeinwissen. Weniger klar ist vielen Eltern allerdings, dass Jugendliche diesen Prozess nicht allein bewerkstelligen können, sondern nur mit Hilfe ihrer Eltern und der Familie. Es klingt paradox: Wenn Eltern ihren Kindern in dieser Zeit nicht unterstützend zur Seite stehen, können diese sich nicht angemessen abnabeln.

Jugendliche brauchen also, um die nötigen Entwicklungsschritte gehen zu können, Eltern,

  1. die innerlich bereit sind, das Kind erwachsen, also von ihnen unabhängig werden zu lassen,
  2. die das Kind in diesem Prozess aktiv unterstützen, und
  3. die in der Lage sind, mit den eigenen mit diesem Prozess verbundenen Gefühlen und Veränderungen konstruktiv umzugehen.

So wird es beispielsweise ein Jugendlicher schwerer haben, sich abzunabeln, wenn seine Mutter ihn aufgrund ihrer eigenen Bedürftigkeit nicht loslassen kann. Er hat dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verzichtet weitgehend auf seine Autonomie und bleibt ganz lange „Mamas Liebling“, oder er wird sich seine Freiheit durch Rebellion oder heftigen Widerstand erkämpfen. Insofern ist es unerlässlich, dass sich Eltern von Jugendlichen selbst genau prüfen. Denn der Prozess des Loslassens ist wechselwirkend: Je besser Eltern loslassen können, desto mehr Eigenverantwortung kann das Kind übernehmen. Woraufhin Eltern dann wieder besser loslassen können usw.

10 Tipps: So fördern Sie die Eigenverantwortung Ihres Kindes

Zu dem praktischen Aspekt des Loslassens gehört, dass Sie mehr Verantwortung an Ihr Kind abgeben müssen, das heißt, es muss selbst langsam die Aufgaben übernehmen, die bisher Sie erledigt haben. Muten Sie ihm nun Arbeiten zu, von denen Sie es bisher vielleicht verschont haben, weil sie es für zu jung hielten. Folgende Tipps könnten Sie dabei unterstützen:

  1. Lassen Sie Ihr Kind seine Wäsche selber waschen und seine Schuhe selber putzen. Auch bügeln können Teenager – wenn es ihnen denn wichtig ist, gebügelte Kleidung zu tragen, sollten sie diesen Job übernehmen.
  2. Übernehmen Sie keine Verantwortung mehr für das Chaos im Kinderzimmer. Sagen Sie ihm, dass es an den Kosten, die durch Schäden entstehen sollten (Schimmel, Löcher im Teppich etc.), beteiligt wird.
  3. Halten Sie sich aus Schulangelegenheiten weitestgehend heraus – es sei denn, Sie werden von Ihrem Kind um Hilfe bei Problemen gebeten oder seine Schulnoten verschlechtern sich deutlich. Zeigen Sie sich an Schulthemen wohlwollend interessiert, aber nicht kontrollierend.
  4. Fahren Sie Ihr Kind möglichst wenig im Auto herum, und falls doch, dann nur, wenn es keine Möglichkeit gibt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
  5. Lassen Sie Ihr Kind öfter mal selbst bestimmen, wann es nach Hause kommen möchte. Intervenieren Sie erst, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind über die Stränge schlägt. Normalerweise wissen Jugendliche ganz gut, welche Zeiten angemessen sind. Geben Sie ihm die Möglichkeit, das für sich selbst auszuprobieren.
  1. Geben Sie die Verantwortung für Schulleistungen in seine Hände. Das bedeutet, dass Sie sich für schlechte Leistungen ebenso wenig verantwortlich fühlen wie für gute. Wenn Ihr Kind eine gute Note schreibt, ist das ganz allein sein Verdienst, das gewürdigt werden sollte. Schreibt es eine schlechte Note, so liegt das dann ebenso allein in seiner Verantwortung. Sie dürfen dann aber auch weder schimpfen noch sich ärgern.
  2. Mischen Sie sich möglichst wenig in Freundschaftsangelegenheiten Ihres Kindes ein. Stehen Sie aber als Ansprechpartner im Hintergrund zur Verfügung.
  3. Lassen Sie Ihr Kind seine Kleidung alleine kaufen oder überlassen Sie ihm beim gemeinsamen Shoppen das Entscheidungsrecht. Mitreden sollten Sie allerdings beim Budget: Hier müssen Sie klare Ansagen machen (z. B. „Ich gebe dir 50 Euro. Wenn du etwas Teureres kaufen möchtest, musst du den Rest von deinem Geld dazulegen“).
  1. Geben Sie Ihrem Kind angemessen viel Taschengeld. Sollte es damit nicht klarkommen, fordern Sie es auf, sich etwas dazuzuverdienen, statt gleich eine Taschengelderhöhung vorzunehmen oder öfter mal zwischendurch mit einem Zehner auszuhelfen. Auch der Umgang mit Geld muss schließlich gelernt werden. Und selbst verdientes Geld gibt man erfahrungsgemäß bewusster aus als solches, das einem „gratis“ zugesteckt worden ist.
  2. Lassen Sie es Telefonate selber führen, z. B. um einen Termin beim Arzt zu machen oder Informationen von einer Behörde einzuholen. Solche Dinge müssen schließlich ebenfalls gelernt werden!
Mein Tipp
Sprechen Sie doch einmal mit Ihren Eltern darüber, wie diese Ihr Erwachsenwerden empfunden und begleitet haben. Was hat sich in ihrem Leben dadurch verändert? Wie haben sie diese Umstellung als Paar gemeistert? Wollen Sie das ähnlich handhaben oder ganz anders machen?