Der kleine Notfallkoffer: So reagieren Sie am besten, wenn Ihr Kind „ausflippt“

Streit und Konflikte gibt es in allen Familien. Besonders heftig fallen manchmal Diskussionen mit Teenagern aus, die sich mit erheblich mehr Energie und Engagement streiten, als jüngere Kinder das tun. Gelegentlich eskalieren solche Konflikte, ohne dass die Beteiligten das beabsichtigt hätten. Schlimmstenfalls muss dann die Polizei anrücken, um die Situation zu deeskalieren. Lesen Sie hier, was Sie tun können, um solche Auswüchse zu vermeiden, und was Sie tun sollten, wenn die Situation bereits eskaliert ist. 

Inhaltsverzeichnis

10 deeskalierende Tipps gegen aggressive Teenagern

„Es fing alles ganz harmlos an. Luis wollte mal wieder nicht ins Bett gehen, sondern noch Computer spielen. Mein Mann ist dann wütend geworden und hat kurzerhand das Internet gekappt. Daraufhin ist Luis total ausgeflippt. Er hat Sachen nach uns geworfen und uns aufs Übelste beschimpft. Ich habe einen Heulkrampf bekommen, ich wusste nicht mehr aus noch ein, habe mich völlig hilflos gefühlt. Mein Mann hat dann so lange zurückgeschrien, bis ich irgendwann dazwischen gegangen bin und laut ‚Stopp!‘ gebrüllt habe. Luis hat uns dann aus seinem Zimmer geschoben und die Tür zugeknallt, und wir sind völlig zerknirscht und erschöpft auf das Sofa gesunken. Wir hätten niemals gedacht, dass es bei uns einmal so krachen könnte!“ Luis‘ Mutter seufzt. Nach diesem Vorfall hat sie allen Mut zusammengenommen und mit anderen Müttern offen darüber gesprochen. Und siehe da: Auch andere Eltern hatten bereits solche unschönen, grenzwertigen Situationen mit ihren Teenagern erlebt. Es half ihnen, offen darüber zu sprechen und sich gegenseitig Tipps zu geben. „Wir haben uns mit Luis damals ausgesprochen und uns für unser Verhalten entschuldigt. Dann konnte auch er nach einer Weile einsehen, dass er komplett überreagiert hatte. Wir haben uns dann wieder versöhnt. Klar streiten wir hin und wieder noch miteinander, aber so etwas Schlimmes ist bis jetzt noch nicht wieder vorgekommen“, erzählt Luis‘ Mutter. Um für eine solche Situation mental besser gewappnet zu sein, ist es sinnvoll, sich einen kleinen mentalen Notfallkoffer zu packen. Hineinwandern sollten ein paar Ideen, wie Sie eine Konfliktsituation am geschicktesten entschärfen können.

Notfallkoffer: Was Sie tun sollten, wenn sich Ihr Teenager in Rage redet und/oder aggressiv wird

1. Machen Sie klare Ansagen. Sprechen Sie in einfachen Sätzen. Wenn ein Jugendlicher sehr in Rage ist, ist er nicht in der Lage, komplexen oder differenzierten Gedankengängen zu folgen, geschweige denn zu erahnen, was Sie sich gerade wünschen. Deshalb ist es hilfreicher, klare und kurze Aussagen zu treffen wie „Ich möchte nicht, dass du so schreist!“ oder „Ich höre dir zu! Du brauchst nicht so laut zu sein“.

2. Fangen Sie Wutanfälle Ihres Kindes frühzeitig ab, indem Sie sie gelassen und mit einer Prise Humor zur Kenntnis nehmen. Das gelingt sicher nicht immer, kann aber rasch dafür sorgen, dass sich die „düstere Wutwolke“ wieder verzieht. Arbeiten Sie nicht gegen die Wut an, und reden Sie Ihrem Teenager seinen Zorn nicht aus. Sie können sich auch kurzfristig solidarisieren und sagen: „Das würde mich an deiner Stelle jetzt auch total ärgern!

3. Fragen Sie Ihren Teenager, was er jetzt konkret braucht und will. Wenn Streitgespräche eskalieren, wissen die Beteiligten meist nach einer Weile gar nicht mehr, worum es eigentlich geht. Kommen Sie deshalb möglichst schnell wieder zu den wichtigen Themen zurück. Fragen Sie Ihren Jugendlichen: „Worum geht es dir gerade? Was wünschst du dir?“ Diese Frage ist für viele Teenager überraschend und sorgt deshalb oft für eine Wende in der Situation.

4. Hören Sie Ihrem Jugendlichen gut zu. Denn emotional aufgewühlte Teenager brauchen jemanden, der ihnen Rückmeldung und Sicherheit gibt. Natürlich können Sie ihn auffordern, ruhiger zu sprechen, hilfreicher ist es aber zu fragen: „Was macht dich denn so wütend?

5. Schreien Sie möglichst nicht zurück, verzichten Sie auf Drohungen und Gegenvorwürfe. Das regt Ihr Kind nur zusätzlich auf und sorgt für eine weitere Eskalation.

6. Werden Sie nicht ironisch, höhnisch, beleidigend oder auf andere Weise provokativ. Das sind verletzende Verhaltensweisen, die man sich sparen kann. Sie sind Ausdruck der eigenen Aggression oder Hilflosigkeit und machen das Gegenüber nur aggressiver.

7. Zeigen Sie Präsenz, auch körperlich. Bleiben Sie im Raum, seien Sie souverän und konzentriert. Zeigen Sie Präsenz und Aufmerksamkeit. Ihr Teenager befindet sich in einem Ausnahmezustand und braucht Halt. Meistens reagieren Jugendliche auf deutliche Ansagen. Nur selten ist es nötig, körperlich zu werden, etwa indem man sich in den Weg stellt oder den Teenager (leicht) am Arm festhält.

8. Achten Sie gut auf sich. Wenn Sie die Situation wirklich nicht mehr aushalten, verlassen Sie den Raum – aber bitte nicht, ohne das zu kommunizieren: „Ich werde jetzt selbst so wütend, dass ich mal kurz hier raus muss. Ich komme gleich wieder, wenn ich mich beruhigt habe.“ Dann weiß Ihr Teenager Bescheid. Gehen Sie später wieder auf Ihren Jugendlichen zu und bereden Sie die Angelegenheit in Ruhe.

9. Werden Sie nicht handgreiflich. Auch wenn das eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, so kommt es doch immer wieder vor, dass Eltern Ihre Kinder aus lauter Verzweiflung schlagen. Sollten Sie den Impuls haben, Ihren Teenager zu schlagen oder ihm auf andere Weise wehzutun, verlassen Sie den Raum oder werfen Sie einen leichten Gegenstand gegen die Wand, etwa ein Kissen.

10. Wenn Ihr Teenager Sie öfter bedroht oder massiv einschüchtert, sollten Sie sich längerfristig Unterstützung holen. Im absoluten Notfall kann die Polizei hilfreich sein, ansonsten der Partner oder eine Freundin. Die Polizei ist übrigens sehr geübt darin, Familienstreitigkeiten zu deeskalieren. Ansonsten kann das Jugendamt Maßnahmen treffen, wie man das Familienleben positiv unterstützen kann.