Erziehen in der Pubertät: Wie Kinder Regeln einhalten!

Grenzüberschreitungen, Regelverstöße – davon können viele Eltern pubertierender Jugendlicher ein Lied singen. Lesen Sie hier, wie Sie Ihr Kind dabei unterstützen können, Grenzen und Regeln während der Pubertät einzuhalten.  

Inhaltsverzeichnis

Pubertierenden Kindern sinnvolle Grenzen setzen

Mich überrascht manchmal, mit welcher Gutgläubigkeit Eltern meinen, dass ihre Kinder die gesetzten Regeln und Grenzen selbstverständlich akzeptieren – nach dem Motto: „Find ich gut, wie du das jetzt sagst. Selbstverständlich mach ich das!“ Nein, Jugendliche testen ihre Grenzen aus und benötigen eine konsequente Erziehung. Das ist normal: Wer als Erwachsener Grenzen setzt, muss das wissen. Grenzen fordern Ihr heranwachsendes Kind aus folgenden drei Gründen geradezu auf, dagegen aufzubegehren:

Gründe für Regelverstöße von Kindern in der Pubertät

  1. Zum einen will Ihr Kind wissen, ob Sie es mit den Regeln ernst meinen oder ob Sie die Regeln nur aus einer Laune heraus aufgestellt haben. Ihr Kind testet also Ihre Verlässlichkeit als Eltern und die Verbindlichkeit der Regel.
  2. Zum anderen ist Ihr Kind vielleicht gerade besonders an den Dingen jenseits der gesetzten Grenzen interessiert. Hier lockt ganz klar der Reiz des Verbotenen. „Was passiert, wenn ich Alkohol trinke?“ „Ist Disco tatsächlich so, wie ich es mir vorstelle?“ Möglicherweise nimmt Ihr Kind lieber den Ärger mit Ihnen in Kauf, als auf das Ausprobieren und Auskosten der verbotenen Dinge zu verzichten. Unbekanntes reizt Heranwachsende eben ungemein.
  3. Schließlich gibt es auch Heranwachsende, die an Störungen interessiert sind, weil sie nur bei Grenzüberschreitungen oder Regelverletzungen Aufmerksamkeit bekommen. Positive Zuwendung, Lob oder Anerkennung für positives Verhalten kennen sie nicht. Regelverletzungen garantieren ihnen sozusagen, dass sie überhaupt wahrgenommen werden.

Beispiele für inkonsequentes Verhalten in der Pubertät – Teufelsspirale Regelbruch

Erster Akt:

Wenn Eltern ihre pubertierenden Kinder zum wiederholten Mal auf die Einhaltung von Regeln aufmerksam machen, äußern sie häufig den Satz „Jetzt mach das aber bitte!“ oder „Bitte, mach das sofort!“. Das Wort „bitte“ – mehr mit spitzen Lippen gezischt als angemessen artikuliert – steht dabei in merkwürdigem Kontrast zum Klang der Stimme, die drastische Ungeduld verrät. 

Zweiter Akt:

Wenn trotz des „Bitte“ der Aufforderung keine Folge geleistet wird, hört man häufig den Satz: „Muss ich dir immer alles zweimal sagen?“ oder „Wie oft muss ich dir das noch sagen?“ Wenn Sie Ihrem pubertierenden Kind in einem solchen Moment aufmerksam in die Augen blicken, dann sagen diese: „Du wirst das heute noch 20-mal sagen. Und schließlich machst du es doch allein!“

Dritter Akt:

Wenn das alles ohne Erfolg bleibt, führen Eltern ein nächstes untaugliches Geschütz ins Feld: „Oder muss ich erst böse werden, bevor du das machst?“ Dieser Satz, zumeist ausgestoßen im Zustand zunehmender Erregung, ändert nichts am Handeln des Pubertierenden, im Gegenteil: Wenn Sie diese Frage im Zustand von Zorn, Ärger und zunehmender hormoneller Irritation herausschreien, dann sagen die Augen Ihres heranwachsenden Kindes: „Oh, geil, gleich platzen sie!“

Vierter Akt

Das ist die Endstufe der Eskalation. Nachdem die Erwachsenen alles versucht haben, flippen sie völlig aus – und formulieren die Sätze mit Ewigkeitsdimensionen: „Du bist nur noch böse!“ oder „Ich mach dir nie wieder Frühstück!“ oder „Du siehst nie mehr fern!“ oder „Du spielst nicht mehr am Computer!“ oder „Ein halbes Jahr Disco-Verbot!“ Wenn Eltern die Kraft hätten, ihre heranwachsenden Kinder in diesem Moment anzusehen, würden sie bemerken, wie diese weise den Kopf schütteln, so als wollten sie sagen: „Warum müsst ihr euch immer so gehen lassen?!“

Regeln müssen besonders bei Pubertierenden konsequent und sinnvoll sein!

Seien Sie authentisch: Handeln Sie aus Überzeugung!

Ihr pubertierendes Kind will authentische Eltern, die zu ihren Gefühlen stehen, aufrichtig und ehrlich sind und bei dem bleiben, was sie sagen. Überprüfen Sie daher genau Ihre Motivation, also die Gründe, aus denen heraus Sie eine Regel formulieren, oder Ihrem Kind Grenzen setzen: Fragen Sie sich, ob die aufgestellten Grenzen für Ihr Kind vielleicht vorrangig Ihrer eigenen Bequemlichkeit dienen. Haben Sie zum Beispiel einfach keine Lust, Ihr Kind spät abends aus der Disco abzuholen oder sind Sie wirklich davon überzeugt, dass Ihr Kind die Disco (noch) nicht besuchen sollte? Fragen Sie sich auch, ob die angedrohten Konsequenzen (beispielsweise Computer oder Fußballverbot) offene oder verdeckte Verbote darstellen, die Ihr Kind letztlich einengen? Oder dienen die Verbote der positiven Entwicklung Ihres Kindes? Gerade unsichere, unselbstständige und desorientierte Heranwachsende brauchen überschaubare Regeln und Grenzen. Um Grenzen zu erkennen, benötigt Ihr Kind aber Eltern, die nicht nur Grenzen einfordern, sondern sichtbar auch eigene Grenzen einhalten. Nur wenn Sie zum Beispiel Ihren persönlichen Handy-, Computer- oder Süßigkeitenkonsum reglementieren und sich auch daran halten, entwickelt Ihr Kind ein gesundes Verhältnis zu Regeln und Grenzen.

Pubertät: Denken Sie über passende Konsequenzen nach!

Wenn Sie Ihrem Kind Grenzen setzen, müssen Sie sich gleichzeitig auch über die richtigen Konsequenzen Gedanken machen, die auf einen Regelverstoß folgen sollen. Teilen Sie Ihrem Kind diese Konsequenzen mit. Heranwachsende sollen – möglichst bevor sie handeln –über die Folgen bei Regelverstößen nachdenken. Dazu müssen sie die Folgen aber einschätzen können.

Konsequenzen haben nichts mit Bestrafung zu tun: Sie bauen auf der Mitarbeit des Heranwachsenden auf, Regelverstöße und Grenzüberschreitungen zukünftig zu verhindern.

Strafen sind meist rückwärtsgewandt und zielen auf ein „Ich zeig dir, wer hier das Sagen hat!“ ab.

Sabine Seitz, die Mutter der 14-jährigen Veronika, hat konsequentes Handeln auf anschauliche Weise praktiziert. Ihre Tochter hatte eine klare Order. Sie sollte nach dem Disco-Besuch um 22.00 Uhr zu Hause sein. Auf ihre ständigen 10- bis 20-minütigen Verspätungen reagierte die Mutter zunächst nicht. Doch als die zeitlichen Überschreitungen immer größer wurden, wurde sie allmählich wütend. Auf mütterliche Argumente ging Veronika nicht ein, sie hatte ständig eine Unmenge an Entschuldigungen und plausiblen Ausreden zur Hand. Und als sie schließlich nicht mehr weiter wusste, schleuderte sie ihrer Mutter entgegen: „Du vertraust mir eben nicht mehr und hast mich nicht mehr lieb!“

Eines Morgens nahm die Mutter allen Mut zusammen: „Wenn du das nächste Mal wieder zu spät dran bist, dann ist das Mal darauf Disco gestrichen.“

Veronika war irritiert: „Was?“ „Du hast mich verstanden. Kommst du morgen zu spät, gibt’s beim nächsten Mal keinen Disco-Besuch.“ Veronika versuchte zu widersprechen, war schließlich einverstanden: „Ist okay!“ Einige Male erschien Veronika pünktlich, dann verspätete sie sich wieder. Die Mutter sagte ganz ruhig: „Schön, dass du da bist. Aber das nächste Mal bleibst du zu Hause.“ Veronika war wie vor den Kopf gestoßen. Sie stieß Beleidigungen aus. Ihre Mutter blieb immer noch ruhig: „Ich denke, du gehst raus und beruhigst dich.“

Nach einer Stunde erschien Veronika, entschuldigte sich und sagte: „So kenn ich dich gar nicht! Warst du auf einem Seminar?"

Pubertät: Gute Konsequenzen sind logische Konsequenzen

An dieser Geschichte lässt sich deutlich das Prinzip der Konsequenz veranschaulichen:

  • Konsequenzen sollten grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Tun des Heranwachsenden stehen. Veronika kommt zu spät aus der Disco, also streicht ihr die Mutter den Disco-Besuch und nicht zum Beispiel das Treffen mit ihren Freunden.
  • Die Konsequenzen müssen vor einer möglichen Grenzüberschreitung bekannt und klar sein. Der Heranwachsende hat nun die Freiheit, die getroffenen Absprachen einzuhalten. Die Konsequenzen treten dann nicht in Kraft. Überschreitet der Heranwachsende jedoch die Grenze, dann kennt er bereits die Folgen seiner Handlung. Erst als Veronika wieder zu spät aus der Disco nach Hause kam, erteilte ihr die Mutter für die folgende Woche das Disco-Verbot.
  • Auch bei den Konsequenzen argumentieren Sie mit einer „Wenn-dann-Formulierung“. So sagt Veronikas Mutter: „Wenn du das nächste Mal wieder zu spät dran bist, dann ist das Mal darauf Disco erneut gestrichen.“ Ähnlichkeiten zur Strafandrohung sind sprachlich unverkennbar. Jedoch steht die Wenn-dann-Verknüpfung bei der Konsequenz in einem anderen Zusammenhang. Die Konsequenz baut darauf auf, dass Kinder an der Beseitigung von Störungen mitarbeiten wollen. 
  • Es geht nicht um Schuld und Sühne, sondern um eine Haltung des gegenseitigen Respekts, die nach Lösungen durch Einsicht sucht. Ein positives Bild vom heranwachsenden Jugendlichen steht hier im Vordergrund.