Kindererziehung: Wie sinnvoll sind Strafen für Teenager wirklich?

Strafen wurden in der Kindererziehung schon immer eingesetzt. Viele Eltern halten es deshalb für fast unmöglich, ein Kind zu erziehen, ohne es zu bestrafen. Lesen Sie hier, warum es oft langfristig nicht hilfreich ist, Jugendliche zu bestrafen, und was Sie in Konfliktsituationen stattdessen tun sollten. 

Inhaltsverzeichnis

Internetverbot, Taschengeldentzug, Stubenarrest

Es geht uns heute – anders als früheren Generationen – nicht mehr darum, unsere Jugendlichen durch Strafen gehorsam und gefügig zu machen. Und unser Anliegen ist auch nicht, dass Teenager sich schlecht fühlen müssen, nachdem sie etwas „Falsches“ getan haben. Vielmehr wollen wir sie zu jungen Menschen heranziehen, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und eigenständig werden. So geht es nach einem kindlichen Fehlverhalten eher darum, seine Einsicht zu fördern und ihm dabei zu helfen, sich beim nächsten Mal passender zu verhalten. Für diesen Prozess sind Bestrafungen und Beschämung („Du bist ein böses Kind!“) kontraproduktiv. Sie manifestieren ein hierarchisches und autoritäres Eltern-Kind-Verhältnis, das in unserer Gesellschaft ausgedient hat. Elterliche Strafmaßnahmen werden zudem – insbesondere von Jugendlichen (!) – häufig als Willkür und Machtgebaren erlebt.

Hilfreicher ist es, wenn Teenager ganz unmittelbar die natürlichen oder logischen Folgen ihres Tuns spüren. Lernt ein Jugendlicher nicht für die Schule, bekommt er schlechte Noten. Gibt er zu viel Geld für die „falschen“ Schuhe aus, muss er damit leben. Das alles ist für ihn „Strafe“ genug! Außerdem erhöht die Angst vor Bestrafung die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Teenager Sie anlügt und/oder vieles hinter Ihrem Rücken tut, von dem Sie nichts wissen sollen. Das Eltern-Kind-Vertrauen wird so geschwächt, die Beziehung nimmt dauerhaft Schaden.

  • Natürliche Konsequenzen helfen bei der Kindererziehung

    Vertrauen Sie auf die Wirkung der „natürlichen Konsequenz“, und verzichten Sie weitgehend darauf, Ihrem Kind unter Androhung von Strafen Angst und Druck zu machen. Echte Strafen wie Internetverbot oder Stubenarrest sollten unbedingt die Ausnahme bleiben. Setzen Sie diese also sparsam ein, und kommentieren Sie sie gegebenenfalls entsprechend: „Ich bin jetzt wirklich so sauer, dass das sein muss.“ Damit stellen Sie klar, dass es sich nicht um eine erzieherische Dauerlösung, sondern um eine akute Notlösung handelt. Damit können Jugendliche gut leben, ohne dass ein Vertrauensverlust die Folge sein muss.

Kindererziehung ohne Strafen: Wenn Teenager sich nicht an Regeln halten

Kind kommt nach einer Party zu spät nach Hause

Mögliche Ursachen:

  • Die Party war einfach zu schön, um pünktlich um … Uhr wegzugehen (Kind hat Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, den Anschluss zu verlieren).
  • Alle durften länger bleiben,es wäre peinlich gewesen, früher zu gehen. (Kind will unbedingt dazugehören und „cool“ sein).
  • Ihr Kind hat einfach die Zeit vergessen,es ist also eher ein Versehen gewesen.
  • Ihr Kind will Ihnen (unbewusst oder bewusst) zeigen, dass Sie ihm nun „gar nichts mehr zu sagen haben“ (altersangemessener Protest).

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Erfragen Sie die Gründe für die Verspätung, bevor Sie schimpfen oder Vorwürfe machen.
  • Setzen Sie das nächste Mal nicht allein fest,wann Ihr Kind zu Hause sein soll, sondern besprechen Sie das mit ihm. Finden Sie hierbei einen guten Kompromiss.
  • Legen Sie für das nächste Mal keinen exakten Zeitpunkt, sondern einen Zeitrahmen fest („Zwischen 21.30 und 22 Uhr solltest du wieder zu Hause sein“). So hat Ihr Kind einen eigenen Ermessungsspielraum.
  • Bitten Sie Ihr Kind, Sie anzurufen,wenn es sich verspätet, damit Sie sich keine Sorgen machen müssen.
  • Keine Strafen verhängen, sie wirken kontraproduktiv!
Teenager erledigt seine Haushaltspflichten nicht

Mögliche Ursachen:

  • Teenager findet diese Pflichten lästig (Bequemlichkeit).
  • Teenager findet hier ein Einfallstor, um Sie zu provozieren (oft unbewusst), altersangemessenes Verhalten.
  • Teenager ist tatsächlich überfordert.

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Finden Sie eine Regelung, mit der Ihr Kind einverstanden ist.
  • Bestehen Sie dann auf deren Einhaltung. Rechnen Sie dennoch mit gelegentlichem Widerstand: Das ist typisch für das Alter und muss so sein!
  • Streiten Sie mit Ihrem Kind, geben Sie nicht kampflos auf.
  • Prüfen Sie aber auch genau, was Ihnen selbst wirklich wichtig ist. Nicht nur aus Prinzip etwas einfordern, hinter dem Sie nicht wirklich stehen, nach dem Motto „Das muss ich als Mutter doch so machen!“.
Teenager vernachlässigt die Schule (z. B. macht keine Hausaufgaben/schwänzt Unterricht)

Mögliche Ursachen:

  • Schule ist derzeit uninteressant, lästiges Pflichtprogramm.
  • Ihr Kind hat möglicherweise Kummer oder ist einfach emotional mit etwas ganz anderem beschäftigt.
  • Ihr Teenager hat zu wenige Erfolgserlebnisse in der Schule und ist gefrustet oder überfordert!
  • Ihr Teenager revoltiert gegen alles, was ihm vorgeschrieben wird („Ich will selbst bestimmen,was ich mache!“) altersangemessenes Verhalten.

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Zeigen Sie Verständnis dafür, dass Schule momentan vielleicht nicht so prickelnd ist: Ihr Teenager muss da aber jetzt trotzdem durch. Helfen Sie ihm dabei!
  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Nöte, seinen Ärger oder seinen Frust. Machen Sie ihm Mut, aber keinen Druck!
  • Sagen Sie klar, was Sie wollen. Erwarten Sie aber nicht, dass Ihr Teenager das auch sofort in die Tat umsetzt! Er muss aber wissen, was Sie von ihm wollen.
Teenager raucht, obwohl Sie das verboten haben

Mögliche Ursachen:

  • Rauchen hat den Reiz des „Verruchten“ und „Verbotenen“ – es dient dem Zugehörigkeitsgefühl zur Peergroup.
  • Bei starkem Rauchen (Suchtverhalten) und/oder zusätzlichem Cannabiskonsum unbedingt psychische Faktoren in Betracht ziehen (Depression, Ängste etc.)!

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Sie können das Rauchen nur bedingt verhindern oder unterbinden. Beispielsweise könnten Sie es zu Hause verbieten (vorausgesetzt, Sie rauchen selbst nicht).
  • Sprechen Sie Ihr Kind auf möglichen Kummer an, wenn es viel raucht oder sogar Drogen ausprobiert. Seien Sie ein gutes Vorbild im Umgang mit den eigenen „Süchten“.
Kind surft heimlich/zu lange im Internet bzw. überzieht regelmäßig beim PC-Spielen

Mögliche Ursachen:

  • Spiele sind nicht immer pünktlich zu beenden, weil sie ihren eigenen Zeitrahmen haben, den man vorher nicht festlegen kann.
  • Kommunikation mit Freunden läuft oft über PC, Facebook, WhatsApp etc.: Man muss „on“ sein, um mithalten zu können und dazuzugehören (Gruppenzwang)
  • Internet bzw. PC-Spiele sind faszinierend und lenken von der zum Teil frustrierenden Realität ab.
  • Kann Suchtcharakter annehmen, wenn der Alltag als unbefriedigend oder die Umwelt als feindselig wahrgenommen wird.

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Zeitraum abstecken, aber nicht auf die Minute genau.
  • Wenn das Internetverhalten Suchtcharakter hat, zeitweise Computer ausstellen und Expertenrat einholen!
  • Für Spaß und Erfolgserlebnisse im „echten Leben“ sorgen – Anerkennung und Zuneigung nicht von Leistung abhängig machen.
Teenager trinkt (heimlich) Alkohol

Mögliche Ursachen:

  • Austesten der eigenen Grenzen („Wie viel Alkohol vertrage ich?“ – „Was passiert, wenn ich beschwipst bin?“)
  • Oft Überwindung von Hemmungen nach Alkoholgenuss und so Erfolgserlebnisse, die sonst noch nicht möglich sind (neue Erfahrungen über sein „Selbst“ machen)
  • Dazugehören, cool sein und mitmachen sind jetzt wichtig. normales Teenagerverhalten, solange es nur gelegentlich praktiziert und nicht exzessiv wird („Koma-Saufen“)

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Gefahren des Alkohols, ohne ihm Angst zu machen.
  • Moralisieren Sie nicht.
  • Beschämen Sie Ihr Kind nicht, wenn es z. B. betrunken nach Hause kommt, indem Sie sich lustig darüber machen.
  • Helfen Sie ihm vielmehr, und schimpfen Sie nicht. Der Kater am Tag danach ist Strafe (natürliche Konsequenz) genug. Ihr Kind macht so die Erfahrung, dass Sie es nicht im Stich lassen, wenn es über die Stränge schlägt – eine wichtige Erkenntnis für Jugendliche!
Teenager geht zu spät ins Bett – trotz mehrmaliger Ermahnungen

Mögliche Ursachen:

  • Hormonbedingtes Verhalten: Das „Schlafhormon“ Melatonin wird verspätet ausgeschüttet, daher können Teenager erst später einschlafen – der Tag- und Nacht-Rhythmus kommt durcheinander.

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Hier ist mit Schimpfen nichts zu machen: Schlaf lässt sich nicht erzwingen.
  • Wenn der Teenager selbst darunter leidet, könnte er es mit Baldrian oder einem homöopathischen Mittel (z. B.„Neurexan“) versuchen.
  • Ansonsten am Wochenende das Ausschlafen und einen Mittagsschlaf nach der Schule erlauben.
Teenager verschläft häufig und kommt morgens nicht oder nur schlecht aus dem Bett

Mögliche Ursachen:

  • Innere Unruhe, Probleme, Sorgen oder Ängste halten Ihr Kind nachts wach.
  • Bei Mädchen spielen oft Eisenmangel und/oder ein niedriger Blutdruck eine Rolle
  • Übermüdung durch spätes Einschlafen (siehe oben)

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Lassen Sie körperliche Ursachen ausschließen.
  • Schulsituation klären: Gibt es Ärger in der Schule?
  • Wenn das Kind massiven Kummer und deswegen Schlafprobleme hat, könnte eine Psychotherapie helfen.
  • Gemeinsam Rituale entwickeln,die Ihrem Kind das Aufstehen erleichtern (z. B. etwas Leckeres zu essen machen oder einen Smoothie anbieten).
Teenager ist frech oder unverschämt

Mögliche Ursachen:

  • Ausdruck eigener Unsicherheit
  • Teenager muss sich stark abgrenzen (z. B. wenn die Eltern sehr streng sind) oder fordert Eltern heraus, die sonst zu „lasch“ sind und keine Stellung beziehen (Teenager sucht Sparringspartner!).
  • Ihr Kind muss noch lernen,mit seinen Aggressionen umzugehen (besonders Jungen durch Testosteronschub!).
  • Stimmungsschwankungen und schlechte Laune werden wegen mangelnder Impulskontrolle an den Eltern und Geschwistern abgelassen.

Wie Sie sich am besten verhalten:

  • Sagen Sie Ihre Meinung, und machen Sie Ihre eigenen Grenzen klar: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir sprichst!
  • Zeigen Sie ruhig auch Ihre Wut, bleiben Sie dabei aber möglichst fair: Ihr Kind darf ruhig mal merken, wie Sie sich fühlen!
  • Auch wenn es schwer fällt: Machen Sie sich klar, dass diese Phase wieder vorbeigeht. Bleiben Sie Sparringspartner!