Wie man (überflüssigen) Streit mit Teenagern vermeidet

Bei Ihnen geht es manchmal ziemlich rund? Ihr Teenager ist ziemlich streitlustig und gibt oft Kontra? Dann ist es bei Ihnen genauso wie in den meisten Familien mit Jugendlichen. Prinzipiell ist Streit nämlich ein normaler und wichtiger Teil des Lebens. Auch wenn es manchmal nervt und Kraft raubt: Teenager brauchen Sie jetzt als präsentes Gegenüber, mit dem sie sich auseinandersetzen und ordentlich zoffen können. Lesen Sie hier, woran Sie merken, ob Ihre Familienstreitereien noch im grünen Bereich sind oder ob sich dahinter doch tiefergehende Probleme verbergen. Außerdem finden Sie praktische Tipps, wie Sie überflüssigen Streit verhindern können. 

Inhaltsverzeichnis

Stress, lass nach!

Streit zu haben, ist etwas ganz Alltägliches. Besonders in Familien mit einem oder mehreren Teenagers ist Streiten oft an der Tagesordnung. Meistens gehen diese Auseinandersetzungen schnell wieder vorbei, etwa wenn das Problem gelöst ist und sich die Gemüter wieder beruhigt haben. Wir alle streiten uns also, manche öfter, manche seltener. Wie und wie oft man sich in der Familie streitet, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B.

  • von der allgemeinen Stressbelastung (Je mehr Stress und Hektik in der Familie herrschen, desto öfter wird gestritten.),
  • von der Frustrationstoleranz der Familienmitglieder (Je gelassener die einzelnen Familienmitglieder sind, desto weniger wird gestritten.),
  • vom Temperament der Familienmitglieder (Je temperamentvoller die Menschen, desto lauter können die Auseinandersetzungen ausfallen.),
  • von der emotionalen Grundstimmung in der Familie (In besonders harmonischen Familien wird nicht unbedingt weniger, aber oft weniger aggressiv gestritten.),
  • von dem Alter und der Entwicklungsphase des Kindes/ der Kinder (in der Pubertät müssen Jugendliche lernen, auch mal eine andere Meinung zu vertreten, daher sind sie oft streitlustiger als Grundschulkinder.),
  • von der psychischen Befindlichkeit der einzelnen Familienmitglieder (Je zufriedener die einzelnen Familienmitglieder sind, desto weniger muss verbal um etwas gekämpft werden.) usw.

Streit ist also Ausdruck eines Konfliktes und daher nicht immer zu vermeiden. Denn überall, wo Menschen miteinander zu tun haben, prallen unterschiedliche Bedürfnisse, Ideen, Wünsche und Ansichten aufeinander, was dann zu Konflikten führen kann. Letztlich geht es bei einem Konflikt also immer nur darum, unterschiedliche Ansichten und Bedürfnisse abzugleichen und – soweit möglich – miteinander in Einklang zu bringen. Da das allerdings nicht immer möglich ist, müssen alle Familienmitglieder bereit sein,

  • gelegentlich auch mal nachzugeben und zurückzustecken,
  • die Wahrnehmung, Bedürfnisse und Ansichten des/der anderen anzuerkennen und zu respektieren,
  • nicht immer „recht“ haben bzw. behalten zu wollen,
  • unterschiedliche Ansichten nebeneinanderstehen lassen zu können und
  • die damit verbundene Spannung eine Weile lang auszuhalten.

Warum Streiten für Teenager so wichtig ist

Im Streit lernen insbesondere Teenager, ihre Meinungen und Interessen zu vertreten, sich ggf. durchzusetzen, Probleme anzusprechen, ihre eigene Position zu entwickeln und sich von Ihnen als Eltern abzugrenzen. Das alles muss Ihr Kind ja üben, um selbstständig und konfliktfähig zu werden. Da die Familie ein geschützter Rahmen ist, in dem Ihr Teenager sich sicher fühlt, ist hier also der richtige Ort, um auf Konfrontation zu gehen, um also etwa zu testen: „Was passiert, wenn ich mal nicht nur lieb und nett bin? Wenn ich mal eine andere Meinung vertrete und gegen meine Eltern bin, werde ich dann auch noch gemocht und respektiert?“. Denn Ihr Teenager braucht ja keine Angst davor zu haben, von Ihnen dauerhaft verstoßen oder abgelehnt zu werden. (Denn auch wenn Sie das möglicherweise nicht vermuten: Ihr Teenager möchte sich zwar von Ihnen abgrenzen und weiterentwickeln, aber dennoch unbedingt auch noch zu Ihnen dazugehören!) Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihr Teenager sich besonders gerne lautstark mit Ihnen streitet, sich in der Schule und bei Freunden aber ganz friedlich benimmt. Das ist normal und Ausdruck eines gesunden Familienklimas. Aus familientherapeutischer Sicht ist es viel problematischer, wenn Kinder zu Hause immer nur „gehorchen“, aber in der Schule randalieren und/oder andere Kinder mobben oder verprügeln. Dieses Verhalten ist (fast) immer ein Zeichen eines dysfunktionalen (= ungesunden) Familiensystems. Freuen Sie sich also, dass Ihr Teenager mit Ihnen streitet, gehen Sie Konflikten nicht immer aus dem Weg und bleiben Sie Ihrem Kind ein Sparringpartner.

Wie viel Streit ist noch normal?

Es gibt keine Faustregel, die besagt, wie viel Familienstreit normal ist. Es ist auch weniger wichtig, wie oft Sie streiten. Viel wichtiger ist, wie Sie miteinander streiten.

Bei Ihnen und Ihrer Familie liegt alles im grünen Bereich, wenn

? sich die Familienmitglieder immer wieder miteinander versöhnen, ohne dass eins sich dauerhaft oder wiederholt übergangen oder missverstanden fühlt;

? die Konflikte meistens konstruktiv miteinander gelöst werden;

? Sie mit Ihrem Teenager streiten können, aber sich nach einer Weile auch wieder entspannt begegnen und Spaß miteinander haben können;

? Sie sich während des Streits überwiegend fair verhalten;

? sich alle Familienmitglieder für verbale Ausrutscher wie etwa Beleidigungen auch mal entschuldigen und sich gegenseitig verzeihen können.

Aufhorchen sollten Sie, wenn

  • sich ein Familienmitglied permanent ausgeschlossen, missachtet oder übergangen fühlt und entsprechend aggressiv oder depressiv reagiert;
  • mindestens ein Familienmitglied dauerhaft oder immer wieder sehr unzufrieden oder unglücklich in der Familie zu sein scheint;
  • sie sich in der Familie oft und sehr heftig streiten, aber gar nicht mehr wissen, worum es dabei eigentlich geht, der Streit sich also sozusagen verselbstständigt hat;
  • sich derselbe Konflikt immer wiederholt oder sogar eskaliert, ohne dass eine gute Lösung dafür gefunden wird und der Leidensdruck aller Beteiligten dadurch ständig steigt;
  • sich Gefühle von Verzweiflung oder Hilflosigkeit breitmachen oder verbale oder sogar körperliche Gewalt eine Rolle spielt.
  • In diesen Fällen sollten Sie eine Familienberatung aufsuchen, da sich möglicherweise tiefere Probleme festgesetzt haben, die auf der rein kommunikativen Ebene nicht zu regeln sind.