Was tun, wenn Konsequenzen ignoriert werden?

Wenn Jugendliche trotz natürlicher Konsequenzen ständig weiter Grenzen und Regel verletzen, hat das seine Gründe. Diese können vielfältig sein. 

Inhaltsverzeichnis

Warum Konsequenzen nicht helfen

„Sie schreiben“, so der Vater der 15-jährigen Nele, „Konsequenzen würden das störende Verhalten beseitigen. Aber bei meiner Tochter klappt das nicht. Ihre Idee beispielsweise, die mit dem Sack, wenn Sachen nicht aufgeräumt werden, habe ich ausprobiert. Das funktioniert nicht. Es bleibt alles ein Saustall.“ Britta Thomas, Mutter des 13-jährigen Tim: „Er arbeitet überhaupt nicht mit. Er lässt mich ständig auflaufen, und irgendwann habe ich die Schnauze voll. Dann geht das ganze Spiel von vorne los.“

Konsequentes pädagogisches Handeln lässt sich tatsächlich nur dort umsetzen, wo es um die Klärung eines Sachkonflikts geht, z. B. beim Aufräumen, bei der Bummelei, der Mithilfe im Haushalt, der Ausgehzeit, dem Besuch bei Freunden, der Fernsehdauer, dem Umgang mit dem Computer usw. 

Ständigen Regelverletzungen liegt oft ein Beziehungskonflikt zugrunde 

Doch nicht immer geht es bei Grenzüberschreitungen um die Klärung eines sachlichen Problems. Manchmal verbirgt sich hinter dem Konflikt um eine Sache – etwa dem aus der Sicht der Eltern maßlosen Computergebrauch – eigentlich ein Beziehungskonflikt. Anders ausgedrückt: Der Pubertierende stört, missachtet – bewusst oder unbewusst – Regeln,

  • um Aufmerksamkeit zu erhalten,
  • um die Unangemessenheit einer Konsequenz aufzuzeigen,
  • um sich schlichtweg an seinen Eltern zu rächen.

Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel aus meiner Elternberatung schildern:

Fallbeispiel Falk, 13 Jahre

„Aber woran erkenne ich“, fragt Arthur Metzger, Vater von Falk, „ob ich in einem Beziehungsclinch stecke oder ob es mir und meinem Sohn um eine Auseinandersetzung bezüglich einer Sache geht? Seit Wochen gibt es bei uns Streit um die Fernsehdauer. Es gibt Absprachen, dass er spätestens um 20.30 Uhr damit aufhört und dann zu Bett geht. Das funktioniert aber nur noch mit Druck oder einer Konsequenz: Wenn er die Grenzen missachtet, darf er am nächsten Tag weniger sehen!“

„War Falk mit der Regel einverstanden?“, frage ich den Vater. Er nickt. „Wann haben Sie die Absprache getroffen?“ 

„Vor zwei Jahren!“ Er stockt kurz. „Und in der ersten Zeit klappte es hervorragend. Aber seit einiger Zeit ist es wie verhext!“ „Was meinen Sie?“, frage ich den Vater, „kann Ihr Sohn die Grenze nicht einhalten, oder will er nicht?“ „Er will nicht“, sagt er spontan.

„Wenn er das nicht will, was will er denn?“ Er zuckt mit den Schultern. „Wenn ich das bloß wüsste!“

Der Vater wirkt irritiert. „Er bekommt doch alles!“ „Ihr Sohn will gewiss nicht alles“, sage ich ihm, „er will etwas Bestimmtes, das ihm momentan fehlt! Was meinen Sie, worauf will Falk aufmerksam machen?“, will ich wissen. „Stimmt, Falk ist gewachsen, größer geworden, selbstständiger. Soll ich die Grenze 20.30 Uhr aufgeben? Bin ich da zu hart, zu engherzig?“

„Nur nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Aber vielleicht über eine neue Grenze nachdenken und vor allem Falk an dieser Festlegung beteiligen.“

Ein paar Wochen später erzählt mir Arthur Metzger, man habe vereinbart, dass sein Sohn wochentags nun um 21.00 Uhr „mit dem Fernsehen aufhört, aber freitags und samstags länger sehen darf, wenn die Sendung altersgemäß ist.“ Nachdem sie diese neue Vereinbarung getroffen hätten, sei es nicht mehr zu diesen Provokationen – „von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen“ – gekommen.

„Und was haben Sie daraus gelernt?“ „Wenn Falk mal wieder seine provokative Tour hat, nicht blind an Konsequenzen festzuhalten, sondern zu schauen, ob er mir durch sein Handeln etwas sagen will.“

Dieser Fall, der sich zweifellos auf manch andere alltägliche konfliktbeladene Erziehungssituation übertragen lässt, enthält wichtige Hinweise auf einen konstruktiven Umgang mit Konsequenzen.

Wenn Ihr heranwachsendes Kind sich nicht auf Konsequenzen einlässt, sondern an der Aufrechterhaltung einer Störung interessiert ist, dann fragen Sie zuerst:

  • Kann mein Kind die Grenze bzw. Konsequenz nicht einhalten?
  • Oder will es sie nicht einhalten?

    Wer regelmäßig Grenzen überschreitet, reagiert auf unangemessene Konsequenzen

Wer regelmäßig Grenzen überschreitet, reagiert auf unangemessene Konsequenzen

Können Sie die erste Frage mit Ja beantworten, ist zunächst über die Angemessenheit der Konsequenz nachzudenken. Wenn Eltern z. B. vorschnell mit überzogenen Konsequenzen auf eine Regelverletzung reagieren, führt das bald zur Entmutigung bei Heranwachsenden. So etwas zieht eine „Ist-mir-dochalles-egal-Haltung“ nach sich und endet in gegenseitigen Vorwürfen, wie das folgende Beispiel zeigt.

Fallbeispiel Mario, 12 Jahre

Mario spielt gern am Computer. Diese Zeit ist auf zwei Stunden pro Tag begrenzt. Missachtet er diese Regel, so gilt für zwei Tage das Verbot, den PC zu benutzen. Sollte er in dieser Zeit gegen die Konsequenz verstoßen, darf er 14 Tage lang nicht an den Computer. Mario war mit der Absprache einverstanden, ohne sich dabei wohl über die Länge dieses Zeitraums im Klaren zu sein.

Als er gegen die Absprache verstieß, wurde das PC-Verbot auf zwei Wochen ausgedehnt. In der Folge drehte sich jedes Gespräch in der Familie Beier um den Computer. Es gab kein anderes Thema mehr. Das Familienklima war stark belastet. Der Versuch der Eltern, sich konsequent zu verhalten, hat hier das Gegenteil bewirkt. Konsequenzen werden nämlich dann als Strafe empfunden, wenn sie den Jugendlichen überzogen erscheinen. Aus Marios Sicht kam das konsequente Verhalten seiner Eltern einer Niederlage gleich. Er rächte sich durch ständig neue Regelverletzungen. Am Ende gab es nur Unterlegene. „Aber“, so kritisiert Marios Mutter, „mein Sohn war doch mit der Absprache einverstanden!“ „Manchmal“, erwidere ich, „übersehen Heranwachsende nicht, welches tatsächliche Ausmaß natürliche Folgen haben!“

Mein Rat: Halten Sie nicht an Konsequenzen fest, die nicht funktionieren! Wenn konsequentes Vorgehen ein störendes Verhalten nicht beendet, überlegen Sie, ob die Konsequenz sich aus der Sicht Ihres Kindes als überzogen, nicht nachvollziehbar darstellt. Setzen Sie nur jene Konsequenzen fort, die positive Folgen haben. Schließlich sollten Sie vom guten Willen, von der Kooperationsbereitschaft Ihres Kindes ausgehen. Anders ausgedrückt: Deuten Sie es nicht nur und ausschließlich als Provokation und Zeichen des Nichtwollens, wenn Ihr Kind sich an getroffene Absprachen nicht hält.