Geschwisterpositionen: Was sie bedeuten und was Sie beachten müssen

Die Bedeutung von Geschwistern für die psychische Entwicklung von Menschen wird oft unterschätzt. Dabei sind es meistens Brüder oder Schwestern, mit denen Kinder ihre ersten wichtigen und prägenden Beziehungserfahrungen machen – abgesehen von den Eltern. Was Kinder in Familien lernen und wie sie sich entwickeln, hat auch viel mit der Position und der Rolle zu tun, die sie innerhalb des familiären Systems einnehmen. Lesen Sie hier, was Sie im Umgang mit Geschwistern bedenken sollten, und was es bedeutet, der/die Erstgeborene, das „Sandwichkind“ oder das „Nesthäkchen“ zu sein.  

Inhaltsverzeichnis

10 Tipps: wenn Sie mehrere Kinder habne

„Ich war immer ein bisschen neidisch auf meine Schwester. Sie hatte die schöneren Haare und war immer so gut in der Schule!“ (Linda, 16 Jahre) „Mein kleiner Bruder hat mich oft genervt, aber ich hatte ihn trotzdem auch immer irgendwie lieb. Wir haben viel Quatsch miteinander gemacht, und wenn mir langweilig war, habe ich mit ihm Lego gebaut. Dann hatte ich selber das Gefühl, wieder ein kleines Kind zu sein.“ (Julian, 19 Jahre) Geschwister prägen für das Leben. Mit ihnen lernen wir uns zu streiten, uns durchzusetzen und auch mal nachzugeben. Wir vertrauen ihnen und teilen mit ihnen den Alltag. Wir können sie uns nicht aussuchen und lernen dennoch, mit ihnen einigermaßen klarzukommen. Man kann sich prima zusammentun, um etwas bei Mama und Papa durchzusetzen oder sich gegenseitig auszuspielen, wenn man unterschiedliche Interessen hat. Kurzum: Die Beziehungen unter Geschwistern sind komplex und prägend. Grund genug, sich diesem Thema öfter mal bewusst zu widmen.

10 Tipps: Was Sie beachten sollten, wenn Sie mehrere Kinder haben

1. Der/Die Größere sollte von den Eltern auch immer als solche(r) akzeptiert und behandelt werden.

Dazu gehört z.B., dass das ältere Geschwisterkind immer ein bisschen mehr erlaubt bekommen sollte als der/die Jüngere, z.B. abends eine halbe Stunde länger auf bleiben darf. Das ist wichtig, damit klar ist, wer innerhalb der Familie welche Position innehat.

2. Das ältere Geschwisterkind muss immer auch ein kleines bisschen mehr Verantwortung übernehmen als das jüngere

z.B. etwas schwierigere Haushaltspflichten erledigen. Viele „Große“ sind sehr stolz, wenn sie mehr Verantwortung übernehmen dürfen, und tun das dann auch gern. Passen Sie aber bitte auf, dass Sie das ältere Kind nicht überfordern und ihm nicht zu viel Verantwortung aufbürden.

3. Versuchen Sie Ihre Kinder nicht miteinander zu vergleichen.

Das passiert zwar oft wie von selbst, ist aber nicht immer hilfreich, vor allem wenn ein Kind bei diesem Vergleich ständig „schlechter“ abschneidet. Achten Sie lieber darauf, was das jeweilige Kind ausmacht. Was ist das Besondere an ihm? Konzentrieren Sie sich dabei ausschließlich auf die positiven Eigenschaften!

4. Spielen Sie Geschwister niemals gegeneinander aus!

Das ist Gift für Geschwisterbeziehungen, aber auch problematisch für die gesamte Familiendynamik. Aussagen wie „Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder, der schreibt nur gute Zensuren in der Schule!“ sind verletzend und säen Zwietracht. Am besten verkneifen Sie sich solche Formulierungen.

5. Zwingen Sie einen Teenager nicht, immer etwas mit seinen kleinen Geschwistern zu unternehmen.

Ab einem gewissen Alter sind jüngere Brüder und Schwestern vorübergehend nervig, vor allem wenn man ständig auf sie aufpassen muss. Dosieren Sie also die Babysitter-Dienste des älteren Geschwisterkindes vorsichtig.

6. Geschwisterstress oder innige Geschwisterliebe: Ganz gleich wie gut sich Ihre Kinder verstehen, nehmen Sie es gelassen.

Denn ob Geschwister viel oder wenig miteinander zu tun haben wollen, ob sie sich ähnlich sind oder nicht und ob sie einen Draht zueinander finden oder sich irgendwie fremd bleiben, all das können Sie kaum erziehungstechnisch beeinflussen – und müssen Sie auch gar nicht. Es ist mehr eine Typ- und eine Interessenfrage, wie sich Geschwister zueinander positionieren. Lassen Sie an dieser Stelle los, denn das werden Ihre Kinder ganz allein entscheiden. Je weniger Druck Sie auf die Geschwisterbeziehung ausüben, desto natürlicher und freier kann sie sich entwickeln.

In manchen Familien gibt es ein Kind, das sehr brav und angepasst ist, und ein anderes, das eher stört und nervt. Das bedeutet für beide Kinder eine große seelische Belastung. Sie haben sich in unterschiedliche Rollen begeben. Achten Sie darauf, dass Sie diese Rollen nicht noch festigen: Auch das brave Kind sollte mal frech sein dürfen und das störende Kind ist meistens friedlich. Versuchen Sie hier weniger in Klischees zu denken und Ihre Kinder nicht zu sehr auf diese Rollen festzulegen.

8. Legen Sie Ihre Kinder nicht auf wenige (positive oder negative) Eigenschaften fest.

Kinder sollten möglichst in ihrer Gesamtheit gesehen werden. Überlegen Sie immer wieder neu, was Ihre Kinder außer den Ihnen bereits bekannten Charakterzügen noch für Eigenschaften haben. Sehen Sie auch hinter die Fassade: Auch ein mutig wirkender Teenager hat seine Ängste, und ein ängstlicher Jugendlicher ist öfter mal mutig. Je differenzierter der Blick auf das jeweilige Kind ist, desto eher wird man ihm wohl gerecht.

9. Geben Sie allen Kindern gleichermaßen die Möglichkeit, mit etwas Eigenem zu glänzen!

Jedes Kind möchte respektiert und mit seinen Fähigkeiten gesehen werden. Das eine Kind schreibt ständig gute Noten, das andere eher nicht, näht dafür aber tolle Kleider? Beides ist doch wunderbar, würdigen Sie das gleichermaßen!

10. Akzeptieren Sie es, dass die Geschwisterbeziehung sich häufig verändert, wenn das eine Kind in die Pubertät kommt.

Pubertierende möchten dann nicht mehr so viel mit dem Jüngeren spielen und distanzieren sich etwas von ihm. Schließlich möchte sie jetzt groß und „cool“ sein. Schauen Sie dann genau, wie es dem jüngeren Kind damit geht, und erklären Sie ihm gegebenenfalls diese Veränderung: „Deine große Schwester ist jetzt in der Pubertät – sie trifft sich im Moment gerne oft mit ihren Freundinnen, das heißt aber nicht, dass sie dich nicht mehr lieb hat.“ Das kann ein jüngeres Kind entlasten, da es manchmal denkt, es hätte etwas falsch gemacht oder den großen Bruder bzw. die große Schwester geärgert.