Jungen in der Pubertät beim Lernen sinnvoll unterstützen

Gerade für Jungen haben die Veränderungen im Hormonhaushalt während der Pubertät gravierende Folgen: Das Lernen wird für sie oft zur Qual, die Noten werden schlechter. In diesem Beitrag erfahren Sie, was während der Pubertät im Kopf Ihres Nachwuchses passiert, welche Folgen diese Veränderungen für das schulische Lernen haben können und wie Sie gerade Jungen in dieser Zeit am besten unterstützen. 

Inhaltsverzeichnis

Motivation in der Pubertät

Vor der Pubertät konnten Forscher eine deutliche Zunahme des Gehirnvolumens sowie damit vermutlich die Entstehung einer Vielzahl neuer Nervenzellen und Verschaltungen in bestimmten Bereichen feststellen. Während der Pubertät werden diese neuronalen Verknüpfungen dann wieder beschnitten. Häufig benutzte Transportwege für Emotionen oder Informationen werden ausgebaut, andere verkümmern. Das Gehirn wird in dieser Zeit also neu ausgerichtet, sodass es effizienter und schneller arbeitet. Manche Umbauprozesse sind früher abgeschlossen, einige hingegen erst jenseits des 20. Lebensjahres. Diese Prozesse verändern natürlich auch die Motivation zum Lernen Ihres Sohnes.

„Under construction“: Umbauarbeiten im Gehirn beeinflussen das Verhalten Ihres Sohnes

Die Entwicklung in den Gehirnbereichen, die für Wahrnehmung und Bewegung zuständig sind, ist z. B. relativ früh beendet. Die Umbauarbeiten in den Arealen, die für Sprache sowie zeitliche und räumliche Orientierung verantwortlich sind, dauern hingegen deutlich länger. Ist Ihr Sohn abends plötzlich nicht mehr müde, kann das an der um zwei bis drei Stunden verzögerten Ausschüttung des müde machenden Hormons Melatonin liegen. Da sich das Melatonin auch erst verzögert wieder abbaut, kommt Ihr Kind morgens dann schlechter aus den Federn. Bei Jungen kann diese Phasenverzögerung bis zum 21. Lebensjahr andauern. Ebenfalls bis weit jenseits des 20. Lebensjahres, so vermutet Giedd, dauern die Umbauarbeiten im Präfrontalhirn. Davon betroffen ist etwa die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen (z. B. „Mache ich erst meine Hausaufgaben, oder verabrede ich mich erst zum Fußballspielen?“), die Bewertung von Signalen (z. B. Mutter genervt: „Bitte mähe jetzt den Rasen! Hast du das verstanden?“ Sohn: „Ja, irgendwie schon?!“) und die Deutung von Emotionen. Die Geschwindigkeit, mit der Pubertierende die Gefühle anderer Menschen erkennen, ist um bis zu 20 Prozent reduziert. Da bei Jugendlichen während der Pubertät teilweise noch ganz andere Hirnregionen für bestimmte Handlungen „zuständig“ sind als später beim Erwachsenen, verhält sich Ihr Sohn vielleicht manchmal auch ganz anders, als Sie erwarten. So reagieren Jugendliche in der Regel impulsiver und instinktiver, vor allem aber oft, ohne über die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken. Darüber hinaus arbeitet das hirneigene Belohnungssystem in der Pubertät oft träger als bei Erwachsenen. Insbesondere die Jungen benötigen also einen wesentlich höheren Reiz, um einen gleich starken Kick zu spüren wie Erwachsene. Das statistische Unfallrisiko aufgrund von Fehleinschätzungen ist während der Pubertät daher auch ungleich höher als zuvor in der Kindheit oder später im Erwachsenenalter.

Nachsicht üben oder Kontrolle verschärfen?

Angesichts dieser gravierenden Veränderungen im Gehirn Ihres Sohnes stellt sich für Sie als Eltern vielleicht die Frage, ob Sie in Zukunft doch nachsichtiger mit ihm sein sollten, denn schließlich ist er ja „nur das Opfer“ seiner neuronalen Veränderungen. Andererseits wächst in Ihnen vermutlich das Bedürfnis, Ihren Sohn mehr denn je zu kontrollieren, denn gerade diese Fähigkeit scheint ihm während der Pubertät ja selbst besonders zu fehlen. Hier das richtige Maß zu finden ist sicher nicht leicht. Vor allem wenn es um das Thema „Schule und Lernen“ geht und Ihr pubertierender Sohn in der Schule gerade alle Zügel schleifen lässt, stellt sich die Frage nach mehr Nachsicht oder verstärkter Kontrolle umso deutlicher.

Jedoch: Ob Sie zu nachsichtig und tolerieren die Nachlässigkeit oder Faulheit Ihres Sohnes, so fehlt ihm eine wichtige Orientierung. Gerade in der Pubertät sollten Sie daher klare  Leistungserwartungen an Ihren Sohn richten. Achten Sie aber darauf, dass diese nicht überzogen, sondern realistisch sind. Nur wenn Ihr Sohn auch eine echte Chance auf Erfolg hat, wird er sich anstrengen. Andererseits: Zu viel Kontrolle hilft Ihrem Sohn jetzt auch nicht weiter. Abgesehen davon, dass er in der Pubertät selbstständig und unabhängig werden will (Spannungen und Konflikte sind hier vorprogrammiert!), entziehen Sie ihm durch eine enge Kontrolle die Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Irgendwann lernt Ihr Sohn vielleicht nur noch, wenn Sie ihn ermahnen oder daran erinnern, was er tun soll. Bei Krisen wird ihn kaum mehr selbst aktiv, sondern wartet darauf, was Ihnen oder den Lehrern einfällt, um die 5 in Deutsch oder das Sitzenbleiben zu verhindern. Statt sein (schulisches) Leben zunehmend selbst in die Hand zu nehmen, hat er die Verantwortung dafür an Sie abgegeben. Das mag anfangs bequem erscheinen, führt aber mit der Zeit bei Ihrem Sohn zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und einem angeknacksten Selbstbewusstsein.

Verständnis zeigen und Verantwortung übergeben!

An Stelle von Nachsicht oder Kontrolle sollten Sie daher besser auf Verständnis und das Einfordern von Verantwortung setzen. Haben Sie einerseits Verständnis dafür, dass Ihrem Sohn gerade in der Pubertät manche Dinge nicht gelingen, dass es ihm z. B. schwerfällt, seine Arbeitsmaterialien zu ordnen, dass ihm die planerische Übersicht fehlt, um sich rechtzeitig auf Klassenarbeiten vorzubereiten, dass er die Zeit und andere Dinge vergisst, dass er impulsiv, launisch und unüberlegt reagiert etc. Erwarten Sie aber andererseits, dass er für diese Defizite, Misserfolge und Probleme auch die Verantwortung übernimmt. Nicht Sie als Eltern sind dafür verantwortlich, dass Ihr bald erwachsener Sohn rechtzeitig mit dem Lernen beginnt, alle Vokabeln kann oder eine gute Präsentation für das Bio-Referat vorbereitet, sondern er ganz allein! Für Sie als Eltern bedeutet das aber, dass Sie Ihrem Sohn immer wieder einen Vertrauensvorschuss gewähren und gleichzeitig auch den Mut aufbringen müssen, ihn Misserfolge erleben zu lassen. Nicht selten sind solche selbst verschuldeten Bauchlandungen heilsamer als die Rettung davor. Oft lernen Jugendliche und vor allem Jungen nur so, dass sie selbst aktiv werden müssen, um ihre Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Es kann dauern: Doch je mehr Ihr Sohn mit der Zeit aus eigenem Antrieb tätig wird, umso mehr spürt er, dass er auch in schwierigen Situationen selbst handlungsfähig ist. Das wiederum stärkt sein Selbstbewusstsein für das Bewältigen weiterer Krisen.

7 Tipps wie Sie Ihrem Sohn beim Lernen sinnvoll unter die Arme greifen können

Als Eltern müssen Sie Ihrem Sohn beim Erwachsenwerden also weder machtlos zusehen, noch die Verantwortung für sein Tun übernehmen. Stattdessen können Sie bei Ihrem pubertierenden Kind wichtige Lernprozesse in Gang setzen und ihm dabei sinnvolle Hilfen im Rahmen der Eltern-Kind-Kommunikation bieten. Die folgenden Tipps und Anregungen sollen Sie dabei unterstützen:

1. Bieten Sie Struktur- und Planungshilfen an

Wie bereits erwähnt, können die vielen Umbauarbeiten während der Pubertät im Gehirn Ihres Sohnes manchmal zu einem ziemlichen Durcheinander führen bzw. das Lernen sogar blockieren. Besonders die Hirnregionen, die für die zeitliche und räumliche Orientierung zuständig sind, brauchen oft sehr lange, bis sie wieder effektiv arbeiten. Das hat zur Folge, dass es Ihrem Sohn jetzt vielleicht besonders schwer fällt, Ordnung zu halten, seine Sachen zu finden, seine Lern- und Freizeit realistisch einzuschätzen etc. Nehmen Sie ihm auf keinen Fall diese Planungs- und Strukturierungsaufgaben ab – die Verantwortung dafür sollte immer bei ihm bleiben. Aber stellen Sie ihm Übersichts- und Planungshilfen zur Verfügung, die ihm das Organisieren und Arbeiten erleichtern, z. B. eine Pinnwand mit einer monatlichen Übersicht über Klassenarbeiten und andere wichtige Termine, übersichtliche und beschriftete Ablagen für Arbeitsmaterialien etc. Bei der strukturierten Planung von Klassenarbeiten hilft beispielsweise der Klassenarbeitsplaner.

2. Befriedigen Sie den Forscherdrang Ihres Sohnes

Trial and Error: So lernen Jungen am liebsten und am besten. Nicht ständig, aber dort, wo es auch zu Hause die Möglichkeit gibt, dass Ihr Sohn durch Versuche und Experimente herausfindet, was richtig und was falsch ist, sollten Sie ihm die Gelegenheit dazu geben, etwa beim Bauen, Fotografieren, Kochen etc. Zusätzlich können Sie ihm z. B. spezielle Mitmachlabore oder Mitmachmuseen aus den Bereichen der Naturwissenschaften und Technik anbieten. Solche Angebote finden Sie in fast allen größeren Städten – sie sind meist für die ganze Familie interessant.

3. Berücksichtigen Sie spezifische Jungenthemen

Akzeptieren Sie die vorhandenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Jungs lesen nicht so gerne und oft Bücher wie Mädchen, und wenn sie lesen, dann bevorzugen sie spannende Abenteuergeschichten. Jungs haben meist keine so schöne Schrift, schreiben weniger gern Aufsätze und können manchmal auch nicht so toll malen. Dafür gestaltet Ihr Sohn vielleicht hervorragend am Computer, liest Zeitschriften und zeichnet Comics, kennt sich prima mit Fotografieren aus oder ist begeisterter Angler. Fördern Sie ihn bei dem, was ihm Spaß macht, und vertiefen Sie die Themen, die ihn interessieren. Dann wird er auch in Zukunft neugierig und lernbereit bleiben.