Hilfe, Pubertät! Was Sie erwartet und wie Sie mit Ihrem Kind richtig umgehen

Wenn Kinder plötzlich streitlustig und launisch werden, sich von ihren Eltern stärker distanzieren sowie zunehmend eigene Meinungen und Interessen entwickeln, dann meldet sich meistens die einsetzende Pubertät. Lesen Sie in diesem Beitrag, was in Ihrem Kind während des „schwierigen“ Lebensabschnitts vorgeht und wie Sie die Entwicklung Ihres Kindes unterstützend begleiten können. 

Inhaltsverzeichnis

Erziehung und Entwicklung

Es ist eigentlich doch ganz einfach: In der Pubertät entwickeln sich Jungen langsam zu Männern und Mädchen allmählich zu Frauen. Das geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess von einigen Jahren. Die dabei offensichtlichsten Veränderungen sind äußerlicher Natur, aber auch das veränderte Verhalten von Kindern weist auf die Pubertät hin. Wachstum von Hoden und Penis, Entstehung von Schamhaar und  Brustentwicklung oder Bartwuchs, Beginn der Menstruation bei Mädchen, Stimmbruch und plötzlicher Samenerguss bei Jungen. Viele Kinder bekommen Pickel, und auch die Schweißdrüsen entwickeln vorübergehend eine starke Aktivität. In den letzten 50 Jahren hat sich der Zeitpunkt des Pubertätsbeginns kaum noch verschoben. Heute liegt das durchschnittliche Eintrittsalter für Mädchen bei circa zehn Jahren (erste Periode dann bei 12,8 Jahren) und für Jungen bei zwölf Jahren. Abweichungen in beide Richtungen um bis zu zwei Jahren sind keine Seltenheit.

Pubertät schon mit 8 Jahren?

Bei manchen Kindern beginnt die Pubertät schon sehr früh. Besonders für Mädchen ist es unangenehm, wenn sie bereits in der dritten Klasse mit circa acht Jahren ihre Menstruation bekommen. Der Körper wird geschlechtsreif, aber das innere Wesen ist noch ein Kind. Es erfordert viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen, damit sich früh pubertierende Kinder nicht ausgegrenzt vorkommen und als Außenseiter betrachten. In solchen Fällen ist es absolut sinnvoll, die Klassenlehrerin zu informieren. Plötzlich auftretende Blutungen können z.B. im Unterricht oder auch im Sport dann mit Feingefühl begegnet werden.

Wer will schon mit Puppen oder Autos spielen?

Ein deutliches Zeichen für den Beginn der Pubertät sind die veränderten Interessen der Heranwachsenden. Konnten sie noch eben stundenlang einem Abenteuer-Hörspiel lauschen oder Perlen auf eine Kette fädeln, so verspüren sie nun vielmehr Lust auf echte Abenteuer und Herausforderungen. Sie wollen mit Freunden um die Häuser ziehen, das andere Geschlecht kennen lernen, Rockmusiker werden oder sich Gedanken über den Sinn des Lebens machen. Schule und Elternhaus wirken dabei einengend und sind langweilig.

Stimmungsschwankungen sind an der Tagesordnung

Häufig empfinden Eltern und Kinder die körperlichen Veränderungen nicht so belastend wie die seelischen. Ausgelöst durch hormonelle Veränderungen und den Umbau des Gehirns, sind Pubertierende oft gereizt und launisch. Dem Tempo der Stimmungslagen können Eltern manchmal kaum folgen. Allergrößte Glücksgefühle können in Sekundenschnelle zu tiefer Traurigkeit wechseln, ein falsches Wort eine Kriegserklärung nach sich ziehen. Die gravierenden Veränderungen verunsichern die Pubertierenden enorm. Alles ist einem Wandel unterworfen, und es ist schwer, diese Veränderungen in Aussehen und Gefühlserleben zu akzeptieren. Viele Eltern empfinden diese Verwandlung ihres Kindes als eine sehr schwierige und belastende Zeit. Aber auch die Kinder leiden

5 Tipps für den Umgang mit Pubertierenden

1. Begegnen Sie Ihrem Kind mit Respekt und lassen Sie es spüren, dass es nützlich ist

Auch wenn die Meinungen oft auseinandergehen, sollten Sie die Wünsche, Vorstellungen und Sorgen Ihres Kindes stets ernst nehmen. Nur dann können Sie erwarten, dass Ihr Kind sich ebenso ernsthaft mit Ihrer Welt und Ihren Werten auseinandersetzt und Ihre Ansichten respektiert. Heranwachsende brauchen das Gefühl, für andere wichtig und nützlich zu sein. Geben Sie Ihrem Kind ernsthafte Aufgaben und dadurch das Gefühl, für die Familie unersetzlich zu sein.

2. Seien Sie flexibel, aber auch klar!

Maßstäbe und Grenzen sind für pubertierende Kinder wichtig, auch wenn Eltern die Regeln an den jeweiligen Entwicklungsstand anpassen müssen. Teenager wollen sich messen und benötigen dazu eine Messlatte. Geben Eltern in allem nach, fühlt sich das Kind haltlos und bekommt kein Signal, was richtig und was falsch ist. Klare Regeln und echte Rituale sind auch in der Pubertät für das Zusammenleben unverzichtbar. Die Gratwanderung zwischen Loslassen und Festhalten ist für Eltern mit das Schwierigste in dieser Entwicklungsphase.

3. Auch Pubertierende brauchen Zuneigung und Lob

In einer sich ständig verändernden und zunehmend unsicheren Wahrnehmungswelt braucht Ihr Kind einen festen Halt. Diesen Halt erfahren Kinder in der Familie, durch Gespräche und nicht zuletzt auch durch körperliche Zuwendungen wie Umarmungen und Streicheleinheiten. Besonders in Momenten von Wut, Kummer, Niedergeschlagenheit, Einsamkeit oder Angst kann eine wortlose, unaufdringliche Umarmung der Eltern helfen. Aber Achtung: Der körperliche Kontakt muss stets vom Kind gewollt sein!

4. Lassen Sie Ihr Kind Abenteuer erleben

Geistig und körperlich befinden sich Pubertierende auf einem hohen Niveau. Sie strotzen vor Kraft und  verfügen über ein starkes Immunsystem. Genau die richtigen Voraussetzungen, um Grenzen auszutesten und Abenteuer zu erleben. Bieten Sie Ihrem Kind jetzt Erfahrungen an, die es an seine Grenzen bringen. Ferien mit Zelt und Rad oder auf dem Bauernhof fordert Ihr Kind jetzt mehr heraus als ein All-inclusive-Urlaub auf Mallorca. Auch die Pfadfindergruppe, eine Kanufahrt oder das Versorgen  von Pferden bzw. anderen Tieren lassen Ihr Kind mehr reifen und sich entwickeln.

5. Akzeptieren Sie die Freunde Ihres Kindes

In einer Gruppe Gleichgesinnter haben Kinder die Gelegenheit, Gemeinschaft und Gemeinsinn zu erleben. Aber sie machen auch Grenzerfahrungen, die sie in der Familie nicht ausleben können. Die Sorge vor schlechtem Umgang ist fast immer unbegründet, denn auf die schiefe Bahn geraten Kindern meistens nur, wenn sie ein liebloses, zerrüttetes oder desinteressiertes Elternhaus haben.

Das erwartet Sie in der Pubertät Ihres Kindes

ProblemErklärungVerhaltenstipp

1. Verlust von Kontak 

Haben Sie das Gefühl, den Kontakt und intensiven Austausch zu Ihrem Kind zu verlieren? Antwortet es auf Ihre Fragen oft mürrisch oder einsilbig
In der Pubertät müssen Kinder sich abnabeln. Obwohl sie die Liebe und Unterstützung ihrer Eltern noch dringend benötigen, versuchen sie in ihrem Verhalten immer wieder zu zeigen, dass es auch ohne Eltern geht.Üben Sie sich im Zuhören! Ihr Kind braucht den Kontakt zu seinen Eltern, aber den Zeitpunkt möchte es selbst bestimmen. Lassen Sie keine Situation ungenutzt verstreichen, in der sich Ihr Kind an Sie wendet, und hören Sie ihm geduldig zu. Mit Abweisungen können Pubertierende nicht gut umgehen

2. Verlust von Zugehörigkeitsgefühl     

Ihr Kind wirft Ihnen vor, dass Sie es nicht verstehen wollen. Es fühlt sich fremd in der Familie und droht damit, sich bei anderen besser aufgehoben zu fühlen. Vielleicht will es weglaufen oder, falls Sie allein erziehend sind, beim anderen Elternteil leben.

Pubertierende fühlen sich oft missverstanden. Kein Wunder, denn sie verstehen ihr Verhalten ja selbst nicht. Die Drohungen, die Familie zu verlassen, sind letztlich nur ein Test. Ihr Kind will die Sicherheit seines Zuhauses auf die Probe stellen.

Geben Sie offen zu, dass Sie das Verhalten Ihres Kindes nicht verstehen. Machen Sie ihm aber dafür keine Vorwürfe, sondern bitten Sie um Erklärungen. Machen Sie deutlich, dass Sie die Meinungsunterschiede akzeptieren. Bestehen Sie allerdings darauf, dass Ihre Sicht der Dinge auch berechtigt ist.

3. Großer Freiheitsdrang

Ihr Kind will zu viele Freiheiten, fühlt sich älter, als es ist. Es möchte abends länger aufbleiben, Filme für Ältere ansehen, sich schminken oder Alkohol trinken. Vielleicht haben Sie es schon beim Rauchen erwischt? Die Diskussionen über diese Forderungen sind sehr anstrengend und scheinen nie aufzuhören.

Grenzen auszutesten gehört zum Erwachsenwerden einfach dazu. Das hat Ihr Kind bisher in jeder Entwicklungsphase getan (z.B. in der Trotzphase). In der Pubertät ist es so weit gereift, dass es in vielen Auseinandersetzungen mit starken, verbalen Waffen auftritt. Es hat gelernt zu diskutieren und kennt Ihre Schwachpunkte genau.

Bevor Sie sich auf langwierige Diskussionen einlassen, sollten Sie genau wissen, welche Grenze nicht überschritten werden darf. Geben Sie in unwichtigen Dingen nach, und bleiben Sie bei grundlegenden Fragen konsequent. Beispielsweise: Etwas länger Gameboy spielen ist okay, die Altersfreigabe wird aber nicht aufgehoben.

4. Eskalierende Streitereien

Immer wieder geraten Sie mit Ihrem Kind aneinander. Schnell knallen die Türen, und im Zorn wird Ihnen schon mal das eine oder andere Schimpfwort an den Kopf geworfen.

Mit Kritik können Pubertierende nur schlecht umgehen. Sie fühlen sich schnell gegängelt und bevormundet. Da sie sich nicht anders gegen die Macht der Eltern zu wehren wissen, reagieren sie mit Trotz, Zorn und Wutausbrüchen.

Treiben Sie einen Streit nicht auf die Spitze! Rennen Sie Ihrem Türe knallenden Teenager nicht hinterher, und beharren Sie nicht auf sofortige Klärung. Warten Sie ab, bis sich die Wogen geglättet haben, und starten Sie dann in Ruhe einen neuen Versuch, das Thema anzusprechen.

5. Verbote umgehen    

Viele Pubertierende überschreiten ganz bewusst Regeln und Grenzen: sie klauen, rauchen, trinken, kommen spät nach Hause, verheimlichen Freunde mit schlechtem Einfluss. Sie begeben sich bewusst in neue Situationen und testen, wie sie darin zurechtkommen.

Teenager müssen sich cool fühlen und eigene Erfahrungen machen, auch wenn sie dabei Verbote umgehen. So lernen sie, für ihr Handeln die Verantwortung zu übernehmen. Das geht nicht nur theoretisch, sondern muss auch praktisch erfahren werden. Der Klassiker ist, wenn Heranwachsende beim Klauen oder Schwarzfahren erwischt werden

Gewisse Freiräume brauchen Teenager, das müssen Sie als Eltern auch lernen und Zugeständnisse machen. Nehmen Sie Ihrem Kind aber nicht die Verantwortung ab, wenn es gegen Regeln verstoßen hat. Wer beim Klauen erwischt wird, muss zur Polizei, und wer sich betrinkt, muss die körperlichen Folgen mitleidlos ertragen. Meistens machen das die Kinder dann kein zweites Mal.

Tipps für „Abenteuer“, die Sie Ihrem Kind  erlauben können:

  • Urlaub mit dem besten Freund und seinen Eltern (ohne eigene Eltern)
  • Zelten mit der Jugendgruppe, dem Sportverein oder den Pfadfindern
  • Auftritte mit der Theatergruppe, der Tanzgruppe oder dem Sportverein
  • Tageswanderungen mit gleichaltrigen Freunden auf vorbereiteten Wanderwegen  
  • Kletterwald oder Hochseilgarten in der Jugendgruppe 
  • Geldverdienen mit kleinen Jobs wie Hunde ausführen oder Zeitungen/Flyer verteilen  
  • einwöchige Ferien-Workshops

Viele pubertierende Kinder fühlen sich schwach

Obwohl sie für ihre Umwelt schwierig sind und ihr Verhalten ständig von einem Extrem ins andere kippt, kaschieren die meisten Kinder damit doch nur ihre innere Unsicherheit und ihr fehlendes Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich nicht im Einklang mit ihrem Körper, finden sich hässlich und ungeliebt. Über mehrere Jahre hinweg verändert sich ihr Körper, ihre Wahrnehmung der Umwelt wird anders, es entwickeln sich neue Vorlieben und Wünsche, das Interesse am anderen Geschlecht erwacht mit all seinen Schwierigkeiten und Problemen. Was Pubertierende von ihren Eltern in dieser Zeit am dringendsten brauchen, sind Verständnis, Loyalität, ein fester Halt sowie unaufdringliche Liebe und die Bestätigung, in Ordnung zu sein.

Die körperlichen Veränderungen

Neben den schwierigen Verhaltensweisen der Pubertät zeigt sich die Reifung Ihres Kindes natürlich auch körperlich. Die meisten Kinder wurden bereits in der Schule und von Freunden oder durch Zeitschriften aufgeklärt, nur wenige geben zu, noch Fragen zu haben. Nutzen Sie trotzdem sich bietende Gelegenheiten, um Ihrem Kind die Vorgänge in seinem Körper zu erklären. Offene Fragen gibt es immer. Hilfreich kann es auch sein, Ihrem Kind ein gutes Aufklärungsbuch zu schenken, z.B. Wachsen und erwachsen werden: Das Aufklärungsbuch für Kinder von Sabine Thor-Wiedemann (ab 8 Jahre), Das Aufklärungsbuch von Sylvia Schneider (ab 10) oder Alles, was Mädchen wissen wollen bzw. Alles, was Jungen wissen wollen von Trude Ausfelder (ab 12).   <nobr></nobr>