Wie entwickelt sich die Intelligenz meines Kindes?

Das Thema Intelligenzentwicklung ist eine spannende Frage, die seit Jahren auch die Forschung beschäftigt: Was genau ist eigentlich Intelligenz? Kann sie vererbt werden, oder ist sie ein Zufallsprodukt der Natur? Ab welchem Alter ist die Intelligenz stabil, bzw. kann sich der IQ im Laufe des Lebens, etwa auch während der Pubertät, noch verändern? Welche Bedeutung hat die Schulbildung für die Entwicklung der Intelligenz? Kann Intelligenz überhaupt, z. B. von den Eltern, beeinflusst werden? Auf diese und andere Fragen möchten wir Ihnen in diesem Beitrag Antworten geben. 

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Als Eltern hat man immer wieder Phasen, in denen man felsenfest davon überzeugt ist, dass die Intelligenz des eigenen Kindes nahe einer Hochbegabung angesiedelt sein muss: „Er ist erst drei Jahre, interessiert sich aber schon für Buchstaben!“ Zehn Jahre später zweifeln die gleichen Eltern vielleicht daran, ob ihr Kind überhaupt gymnasialtauglich ist: „Ich finde, du solltest mal ein Buch lesen! Ich habe dir was Spannendes mitgebracht.“ Während der Pubertät haben dann so manche Eltern das Gefühl, dass ihr Kind die Aktivitäten seines Denkorgans völlig eingestellt hat, um fünf Jahre später festzustellen, dass Ihr Kind doch in der Lage ist, einen prima Schul- oder Ausbildungsabschluss hinzulegen. Dass Intelligenz sich nicht unbedingt in den schulischen Leistungen widerspiegelt, ist allgemein bekannt: Doch was versteht man nun genau unter „Intelligenz“?

Was ist Intelligenz?

Der Schriftsteller Kurt Tucholsky versuchte sich an der Beantwortung dieser Frage wie folgt: „Kluge Leute können sich dumm stellen. Das Gegenteil ist schwer.“ Diese „Definition“ Tucholskys ist sicher ein Versuch mit Augenzwinkern. Doch auch im Alltag herrscht bei der Frage, was menschliche Intelligenz genau ist, keine sichere Meinung vor. So meinen einige, dass besonders intelligent ist, wer gute Schul- und Prüfungsleistungen zeigt. Andere finden Menschen intelligent, die sich durch ihr praktisch veranlagtes Handeln klug durchs Leben bewegen. Wieder andere halten es für intelligent, wenn ein Mensch unabhängig vom praktischen Nutzen schwierige Denkaufgaben lösen kann. Sogar aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine Einigkeit hinsichtlich des Intelligenzbegriffs.

Abgeleitet von dem Lateinischen „intelligentia“ von „inter legere“, bedeutet der Begriff zunächst:

auswählen durch kritische Beachtung wichtiger Merkmale bzw. ein Ding, einen Sachverhalt richtig einordnen. In Anlehnung daran lässt sich Intelligenz vermutlich am ehesten beschreiben als eine Fähigkeit, sich mit Hilfe des Denkens bewusst auf neue Situationen und Herausforderungen einstellen zu können. Intelligenz ist also eine  Form der geistigen Anpassungsfähigkeit, die dem Einzelnen dazu verhilft, neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens zu bewältigen. In dieser Beschreibung des Phänomens „Intelligenz“ steckt die bereits antike Erkenntnis, dass zwei Ebenen geistiger Fähigkeiten existieren: einerseits die vorhandene Bildung und andererseits die Fähigkeit, Wissen aufzunehmen und damit umzugehen. Im Mittelalter verschwand dieser differenzierte Intelligenzbegriff: Wissen und Intelligenz wurden nun gleichgesetzt. Ungebildete, das heißt des Lesens und Lateinischen nicht mächtige Personen, waren damit automatisch Menschen minderer Intelligenz. Glücklicherweise erinnerte man sich in der Aufklärung wieder an die griechischen Philosophen, versuchte jetzt aber durch die Erforschung etwa des Schädelumfangs und Gehirns das Geheimnis der menschlichen Intelligenz auf naturwissenschaftliche Weise zu lüften. Die heutige Vorstellung von Intelligenz ist wesentlich vielfältiger. Den meisten Menschen bekannt sind die Begriffe emotionale und soziale Intelligenz.



Der Harvard-Professor Howard Gardner unterscheidet sogar insgesamt neun Intelligenzformen:

1. Sprachliche Intelligenz

Die Fähigkeit, Sprache treffsicher einzusetzen, um die eigenen Gedanken auszudrücken und zu reflektieren, aber auch die Fähigkeit, andere zu verstehen.

2. Musikalische Intelligenz

Die Fähigkeit, Musik zu komponieren und aufzuführen; ein besonderes Gespür für Intonation, Rhythmik und Klang, aber auch ein subtiles Gehör dafür.

3. Logisch-mathematische Intelligenz

Die Fähigkeit mit Beweisketten umzugehen, aber auch durch Abstraktion Ähnlichkeiten zwischen Dingen zu erkennen, mit Zahlen, Mengen und mentalen Operationen umzugehen.

4. Räumliche Intelligenz

Die Fähigkeit, die sichtbare Welt richtig wahrzunehmen, Wahrnehmungsresultate zu transformieren und abzuwandeln sowie visuelle Erfahrungen selbst in Abwesenheit physikalischer Reize nachzuschaffen.

5. Körperlich-kinästhetische Intelligenz

Die Fähigkeit zur Beherrschung, Kontrolle und Koordination des Körpers sowie einzelner Körperteile.

6. Intrapersonale Intelligenz

Die Fähigkeit, Impulse zu kontrollieren, eigene Grenzen zu kennen und mit den eigenen Gefühlen klug umzugehen.

7. Interpersonale Intelligenz

Die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen und mit ihnen einfühlsam zu kommunizieren.

8. Naturalistische Intelligenz

Die Fähigkeit, Lebendiges zu beobachten, zu unterscheiden und zu erkennen, sowie die Sensibilität für Naturphänomene

9. Existentielle Intelligenz

Potenzielle Intelligenz, die das Erfassen und Durchdenken von grundlegenden Fragen der Existenz erlaubt.

Gardners Forschungen ergaben, dass sich jeder Mensch in verschiedene Intelligenzbereiche einordnen kann. Aber erst das Zusammenspiel all dieser Intelligenzen ergebe „menschlich kompetentes Verhalten“. Nicht alle dieser Intelligenzbereiche lassen sich mit Standardtests erfassen.

Was messen Intelligenztests?

„Intelligenz ist das, was Intelligenztests messen“, meinte 1923 der Harvard- Professor Edwin G. Boring. Doch was genau messen diese Tests und wie zuverlässig sind sie? Die meisten Tests ermitteln unterschiedliche Aspekte der Intelligenz, zum Beispiel sprachliche, mathematische, Merkvermögen, logisches Denken, räumliches Denken etc. Das Ergebnis eines Intelligenztests wird in dem sogenannten Intelligenzquotient (IQ ) dargestellt. Der IQ zeigt, wo der getestete Mensch hinsichtlich seiner intellektuellen Fähigkeiten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung steht. Der Durchschnitt liegt demnach bei 100 Punkten, und nur jeweils 2 Prozent liegen über 130 bzw. unter 70, wie die folgenden Intelligenzstufen zeigen:

Ab welchem Alter können Sie den IQ Ihres Kindes testen lassen?

Wenn Sie Ihr Kind testen lassen möchten, dann wird grundsätzlich geraten, das nicht zu früh zu tun. Einerseits können Fehlurteile zu einer allzu frühen Festlegung führen. Andererseits können intellektuelle Vorsprünge im späteren Alter auch wieder verwachsen. Das Intelligenz-Potenzial von Kindern lässt sich jedoch schon früh, ab etwa vier Jahren, erkennen. Ungefähr ab der vierten Klasse, also mit neun bis zehn Jahren, scheint der IQ dann doch einiger maßen absehbar zu sein. Allerdings verbessern sich im Laufe der folgenden Jahre noch die Fertigkeiten vor allen in den Bereichen Schrift und Sprache. Auch das analytische und abstrakte Denken reift weiter, sodass Ihr Kind hier noch IQ-Punkte zulegen kann.

Intelligenzstufen nach Terman

(IQ-Skala, Mittelwert = 100, Standardabweichung = 15)

Benennung IQ-Grenze % der Verteilung

überragende Intelligenz 128 > 2,2

sehr gute Intelligenz 120 bis 127 6,7

gute Intelligenz 111 bis 119 16,1

mittlere (normale) Intelligenz 91 bis 110 50,0

schwache Intelligenz 80 bis 90 16,1

(grenzdebil) leichter Intelligenzmangel 65 bis 79 6,7

Schwachsinn < 65 2,2

Wo können Sie Ihr Kind testen lassen?

Kostenlos testen lassen können Sie Ihr Kind in der Regel bei einem Schulpsychologen. Weit mehr Tests finden jedoch in Kliniken oder psychologischen Praxen statt. Diese Tests können dann allerdings teuer werden. Zahlreiche verschiedene Testverfahren werden genutzt, um Kinder und Jugendliche je nach Alter und Ziel zu testen. Wenn Sie Ihr Kind testen möchten, dann achten Sie darauf, dass Sie es mit einem Profi, z. B. mit einem spezialisierten Diplompsychologen, zu tun haben. Ob es sich um einen solchen handelt, merken Sie u. a. daran, ob zur Testauswertung eine breitere Diagnostik erstellt wird, die etwa eine Anamnese, das Verhalten des Kindes und Fördermöglichkeiten umfasst. Hier müssen Sie mit Kosten zwischen 80 und 120 ? pro Stunde rechnen. Gruppentests sind in der Regel günstiger. Diese bietet auch die deutsche Sektion von „Mensa“ an. Einen detaillierten Einzeltest können Sie Ihr Kind auf Anfrage bei Mensa allerdings auch machen lassen.

Unser Tipp: Wenn bei Ihrem Kind eine Hochbegabung festgestellt wurde und Sie nun Informationsbedarf hinsichtlich schulischer Förderung, passender Freizeitaktivitäten etc. haben, bieten sich folgende Adressen als kompetente Anlaufstellen an:

  • Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind (www.dghk.de)
  • Mensa in Deutschland e.V. (www.mensa.de). „Mensa“ ist ein internationaler Verein hochbegabter Menschen