Fit in Deutsch: die Rechtschreibung im Griff

Nicht nur für den Deutschunterricht, sondern für alle Schulfächer ist eine sichere Rechtschreibung von Vorteil. Abgesehen davon, dass Ihrem pubertierenden Kind seine vielen Rechtschreibfehler wahrscheinlich irgendwann peinlich sind, führt ein zu hoher Fehlerquotient bei Tests und Klassenarbeiten auch zu Punkt- oder auch Notenabzug! Lesen Sie deshalb hier, wie Ihr Kind in der Pubertät häufige Fehler vermeiden kann und welche Tipps ihm beim Fehlerfinden helfen können. 

Inhaltsverzeichnis

Rechtschreibung in der Mittelstufe

In einer umfangreichen Querschnittsstudie hat der Siegener Germanistikprofessor Wolfgang Steinig zusammen mit seinem Team die Schreibkompetenzen von Viertklässlern untersucht. Über einen Zeitraum von 40 Jahren (die ersten Ergebnisse stammen von 1972) untersuchte er Orthografie, Textgestaltung, Grammatik und Wortschatz der Grundschüler. Die Ergebnisse, die Steinig Anfang dieses Jahres vorstellte, sind vor allem für den Bereich der Orthografie mehr als ernüchternd: Machten 1972 Viertklässler bei 100 Wörtern durchschnittlich noch 7 Rechtschreibfehler, so waren es 2002 schon 12 Fehler und 2012 satte 17 Fehler. Das heißt: Die Rechtschreibfähigkeit am Ende der Grundschulzeit hat sich im Laufe der letzten 40 Jahre um mehr als das Doppelte verschlechtert. Dass diese Defizite bis ins Erwachsenenalter nicht ausgeglichen werden können, haben sogar Untersuchungen an Studenten bestätigt. Selbst die Orthografie von Germanistikstudenten ist deutlich schlechter geworden.

Mögliche Ursache für die Rechtschreibdefizite deutscher Schüler

Im Juni 2013 titelte das Magazin DER SPIEGEL: „Die Recht schreip-katerstrofe. Warum unsere Kinder nicht mehr richtig schreiben lernen.“ Die beiden Autorinnen bringen in diesem Artikel auf den Punkt, was bereits in den letzten Jahren auch die Gemüter vieler Eltern und Lehrer erregt hat: nämlich die Kritik an der Art und Weise, wie Grundschulkindern seit den 1980er Jahren das Schreiben lernen. Im Zentrum der Kritik steht die Anlauttabelle nach Reichen, mit deren Hilfe Schüler in der ersten und zweiten Klasse zwar relativ schnell „irgendwie alles“ schreiben können, aber eben auch – wahrscheinlich zu lange – fehlerhaft schreiben dürfen. Ohne dass die Idee der Anlauttabelle des Schweizer Grundschullehrers Jürgen Reichen jemals wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit überprüft worden war, wurde sie dann recht bald als die Methode zum Schreibenlernen in deutschen Grundschulen eingeführt. Die mit der Methode verbundene Ansicht, dass gerade auch diejenigen Kinder, die aus bildungsfernen Familien oder solchen mit Migrationshintergrund stammen, so leichter und besser schreiben lernen, hat sich mittlerweile gerade im Gegenteil bestätigt. Bis ins Erwachsenenalter „leiden“ offensichtlich viele Deutsche – übrigens mit und ohne Migrationshintergrund – an den Folgen der „Rechtschreibkatastrophe“.

Was sind die häufigsten Rechtschreibfehler bei Schülerinnen und Schülern auf der weiterführenden Schule?

Wenn Ihr Kind Schwierigkeiten mit der deutschen Rechtschreibung hat, bedeutet das also nicht automatisch, dass es eine Rechtschreibschwäche oder gar eine Legasthenie hat. Wahrscheinlich ist, dass Ihr Kind einfach wichtige Rechtschreibregeln nicht kennt oder nicht so verinnerlicht hat, dass es sie sicher anwenden kann. Dass das bei vielen Mittelstufenschülern der Fall ist, zeigt auch die Analyse der häufigsten Fehlerquellen. Die meisten Schüler verstoßen hier nämlich in den gleichen Bereichen gegen das Regelwerk:

  • So haben viele Schüler Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung (das schreien statt das Schreien oder Mittags statt mittags).
  • Ebenso schwer fällt die richtige Konsonantenverdopplung (Fezen statt Fetzen, Lak statt Lack, kümern statt kümmern).
  • Oft werden die Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung missachtet (wahr sagen statt wahrsagen, angsthaben statt Angst haben).
  • Die richtige Verlängerung von Vokalen durch Dehnungs-h (Sane statt Sahne), ie (er verzih statt verzieh) oder Vokalverdopplung (Sele statt Seele) bereitet ebenfalls Probleme.

Hinzu kommen

  • Ableitungsfehler bei den Umlauten und Auslauten (reuchern statt räuchern und Want statt Wand),
  • Fehler bei der s-Schreibung (Füsse statt Füße, finßter statt finster, Kase statt Kasse) und
  • Fehler bei gleich klingenden Buchstaben (fersprechen statt versprechen oder Fux statt Fuchs).

Wichtig: Analysieren der häufigsten Fehler!

Den ersten Schritt, den Ihr Kind zur Reduzierung von Rechtschreibfehlern gehen muss, ist, diese Fehler überhaupt erst einmal wahrzunehmen. Gerade bei schlechten Noten haben viele Schüler aber keine Lust, sich ihr „Werk“ noch einmal genauer anzusehen. Das wäre aber wichtig, um – bezogen auf die Rechtschreibung – zu erkennen, wo etwa noch Lücken im Regelverständnis sind oder wann gehäuft Flüchtigkeitsfehler auftauchen. Analysieren Sie also gemeinsam mit Ihrem Kind oder mit Unterstützung seiner Lehrer die letzten Klassenarbeiten oder korrigierten Hausaufgaben. Je mehr Texte der Analyse zugrunde liegen, umso aussagekräftiger ist das Ergebnis. Mit der Aufarbeitung seiner Regeldefizite sollte Ihr Kind zunächst in dem Bereich beginnen, in dem es die meisten Fehler macht.

Bedenken Sie: Ihr Kind braucht Zeit und Übung! Erwarten Sie nicht, dass sich die Rechtschreibung Ihres Kindes trotz intensiven Lernens nun schlagartig z.B. bei Klassenarbeiten verbessern wird. Selbst wenn es wichtige Regeln verstanden hat, braucht es Zeit, diese auch beim Schreiben sofort umsetzen zu können. Zwei Jahre kontinuierliches Training ist die durchschnittliche Zeit, die die meisten Schüler benötigen, bis nachweislich Verbesserungen eintreten.

So lernt und behält Ihr Kind die Rechtschreibregeln am besten in der Pubertät

Bevor Ihr Kind sein Rechtschreibproblem allein oder mit Ihrer Unterstützung in Angriff nimmt, sollten Sie ehrlich abwägen, ob das ohne professionelle Hilfe gelingen wird. Damit ist nicht gemeint, dass Sie Ihr Kind einem Legasthenie-Test unterziehen und anschließend in einem der zahlreichen Institute für rechtschreibschwache Schüler anmelden sollen. Vielmehr sollten Sie sich fragen, ob sie alle ausreichend Disziplin, Durchhaltevermögen und fachliche Kompetenzen für ein ein- bis zweijähriges kontinuierliches Training mitbringen.

Unser Rat: Nachhilfe auf Zeit
Bevor das Rechtschreibtraining nur halbherzig durchgezogen oder zum Dauerstreitthema der Familie wird, kann es nämlich durchaus sinnvoll sein, über eine Nachhilfe „auf Zeit“ nachzudenken. Manchmal sind einfach eine andere Person als Vater oder Mutter sowie ein oder zwei feste Übungstermine pro Woche erfolgversprechender als gute Vorsätze, die dann doch nur solche bleiben.



Pubertierende sollten schrittweise und in kleinen Portionen lernen!

Um irgendwann weitgehend fehlerfrei schreiben zu können, muss Ihr Kind die entsprechenden Rechtschreibregeln sicher und abrufbar in seinem Langzeitgedächtnis abgespeichert haben. Dazu müssen die Regeln aber zunächst über das Ultrakurzzeitgedächtnis aufgenommen und anschließend im Kurzzeitgedächtnis richtig weiterverarbeitet werden. Dabei reagiert das menschliche Gedächtnis aber sehr empfindlich auf Überlastung. Versucht Ihr Kind beispielsweise, alle Regeln der Zusammen- und Getrenntschreibung auf einmal zu lernen, dann streikt sein Gedächtnis vermutlich. Die Folge ist, dass fast gar nichts oder wirklich nicht  eine Regel verlässlich gespeichert wird. Besser ist es also, den Lernstoff in kleine, gut „verdauliche“ Portionen einzuteilen und erst dann neuen Lernstoff hinzuzunehmen, wenn der „alte“ Stoff sicher gespeichert ist.

Unser Rat: Schulferien für intensives Training nutzen
Selbst mit festen Nachhilfeterminen ist das regelmäßige Trainieren neben der Schule manchmal nur schwer durchzuhalten. Klassenarbeiten stehen an, Ihr Kind muss zusätzlich Referate oder Hausarbeiten anfertigen, und etwas Freizeit möchte es ja auch noch haben. Hat Ihr Kind größere Schwierigkeiten mit seiner Rechtschreibung, dann bietet es sich auf alle Fälle an, entspannt und zugleich konzentriert nur auf diesen einen Schwachpunkt in den Ferien zu trainieren.



Ohne Interesse läuft gar nichts während der Pubertät!

Ähnlich empfindlich wie bei Überlastung reagiert das Gedächtnis Ihres Kindes auch bei mangelndem Interesse. Das fehlende Interesse am Lernstoff signalisiert dem Gedächtnis nämlich, dass es sich ja eigentlich um unwichtigen Lernstoff handelt – es sich also gar nicht lohnt, ihn abzuspeichern und schließlich im Langzeitgedächtnis zu verarbeiten. Ihr Kind sollte sich also vor dem Üben der Rechtschreibregeln immer wieder bewusst machen, warum dieser Lernstoff jetzt gerade wichtig ist. Nur wenn Ihr Kind dem Lernstoff eine Bedeutung gibt, ist sein Gehirn auch bereit, ihn zu verarbeiten.

Unser Rat: Rechtschreibregeln immer zur Hand haben
Am größten ist das Interesse, wenn Ihr Kind eine aktuelle Frage zur Rechtschreibung hat. Sind die Regeln dann schnell zur Hand, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Kind schnell versteht, warum z.B. (den Angeklagten) freisprechen“ zusammen geschrieben wird. Auch die zugehörige Regel merkt es sich dann besser (hier: Verbindungen aus einem Adjektiv und einem Verb werden zusammengeschrieben, wenn durch die Verbindung eine neue Bedeutung entsteht.). Ihr Kind sollte daher zu Hause wie in der Schule immer eine übersichtliche und leicht verständliche Rechtschreibhilfe zur Hand haben. 

Erst verstehen, dann üben!

Eigentlich selbstverständlich, aber in der Praxis wird trotzdem oft zu früh und auch zu viel geübt, ohne dass die jeweilige Rechtschreibregel wirklich verstanden worden ist. Ob Ihr Kind eine Regel tatsächlich verstanden hat, können Sie überprüfen, indem Sie sich diese Regel von ihm (schriftlich oder mündlich) auswendig und mit eigenen Worten (kein auswendig gelernter Regeltext aus dem Schulbuch!) erklären lassen. Kann Ihr Kind das flüssig, mit Beispielen und mit möglichen Ausnahmen der Regel, dann kann damit beginnen, sein Wissen durch Übungen zu festigen.

Ähnlichkeitshemmungen vermeiden!

Immer dann, wenn Ihr Kind sehr ähnlichen Lernstoff zusammen oder kurz nacheinander lernt, besteht die Gefahr, dass sein Gehirn diesen Lernstoff entweder miteinander verwechselt oder gar nicht behalten kann. Daher sollte Ihr Kind z.B. Wörter mit und ohne Dehnungs-h (Höhle, Hörgerät), Wortbeginn mit v oder f (Vogel, Fliege) etc. vermischt lernen, sondern zunächst jeweils getrennte Listen mit häufigen Beispielwörtern anlegen und sich diese merken. Gemischt üben ist erst dann sinnvoll, wenn Ihr Kind die einzelnen Listen sicher beherrscht.

Gleiches gilt für das Lernen der Regeln: Erst sollte Ihr Kind eine Regel sicher beherrschen (z. B. substantivierte Eigenschaftswörter wie alles Wichtige oder nichts Neues werden groß geschrieben), bevor es die nächste Regel hinzunimmt.

Lernstoff wiederholen – oft und aktiv!

Voraussetzung dafür, dass die verstandenen Rechtschreibregeln im Langzeitgedächtnis gespeichert und zu jeder Zeit auch aktiv abgerufen werden können, ist die häufige Wiederholung. Vor allem neuen Lernstoff sollte Ihr Kind anfangs, also in den ersten zwei bis drei Tagen, sogar besonders oft (z.B. zweimal täglich) wiederholen. So fällt es dem Gedächtnis leichter, den Lernstoff zu verarbeiten. Doch auch mit dem bereits sicher im Langzeitgedächtnis gespeicherten Lernstoff muss Ihr Kind regelmäßig arbeiten, da er sonst mit der Zeit schwerer abrufbar wird.

Unser Rat: Arbeiten mit der Lernkartei
Häufig falsch geschriebene Wörter (z.B. Wiederstand statt Widerstand) und wichtige Regeln (am besten selbstformuliert und mit vielen Beispielen) sollte Ihr Kind auf Karteikarten festhalten. Beim Wiederholen kann es dann nach und nach diejenigen Karten aussortieren, die es sicher weiß. So wiederholt es automatisch den Lernstoff häufiger, der noch nicht abgespeichert ist.

3 Tipps zum Fehlerfinden

Die meisten Schüler finden z.B. beim Korrekturlesen ihrer Klassenarbeiten nur wenige Rechtschreibfehler. Die folgenden Tipps können Ihrem Kind beim gezielten Aufspüren  der Fehler helfen.

Tipp 1: Den Blick auf bestimmte Rechtschreibfehler richten

Bereits zu Hause und in aller Ruhe sollte sich Ihr Kind überlegen, nach welchen zwei bis drei häufigen Fehlertypen es beim Korrekturlesen seiner Klassenarbeit gezielt suchen will. Sinnvoll ist es außerdem, wenn Ihr Kind bereits während des Verfassens der Arbeit alle Wörter markiert (z.B. mit Bleistift umkreist), bei denen es sich nicht sicher ist, wie sie geschrieben werden. Auch auf diese Wörter kann es sich beim Durchlesen seiner Arbeit dann noch einmal konzentrieren.

Tipp 2: Vom Schüler zum Lehrer – einen inneren Rollentausch vornehmen

Viele Rechtschreibfehler werden von Schülern auch deshalb übersehen, weil sie selbst beim Korrekturlesen noch zu sehr mit den Inhalten ihres Textes beschäftigt sind. Zudem entspricht es auch nicht ihrer gewohnten Rolle als Schüler, Aufgaben oder Texte zu korrigieren. Sich nun vorzustellen, man sei sein eigener Lehrer und suche im Aufsatz nach Rechtschreibfehlern, erleichtert bereits das Finden von Fehlern. Zusätzlich kann Ihr Kind diese veränderte innere Haltung noch durch eine bestimmte Körperhaltung verstärken, indem es beispielsweise einen halben Meter vom Tisch abrückt und das Heft angelehnt an die Tischkante auf seine Oberschenkel stellt.

Tipp 3: Das automatische Korrektursystem ausschalten

Können Sie den folgenden Text lesen?

Die Rgeeln der deuschten Rechtschierbung snid zawr nchit imemr leciht zu verhsteen, aebr sie bidlen acuh kien undurschchaubares Choas. Die Schreibeiwse der meitsen Wtörer lsäst scih aus Reegln abletien. Nur ein realtiv kliener Rset msus geelrnt und im Geädchtnis abgsepeichert wreden.

Obwohl in fast jedem Wort Buchstabendreher sind, ist es Ihnen vermutlich doch recht leicht gefallen, den Text zu lesen und zu verstehen. Das ist so zu erklären, dass das menschliche Gehirn – vermutlich um Zeit zu sparen – eben nicht jeden Buchstaben einzeln liest, sondern das Wort als Ganzes wahrnimmt. Leider hilft diese „Zeitspartechnik“ Ihrem Kind beim Korrekturlesen einer Klassenarbeit gerade nicht, da sein Gehirn statt Rechtschreibfehler zu finden, diese beim Nachlesen automatisch korrigiert.

Die Lösung: In Silben statt in ganzen Wörtern lesen

Um dieses automatische Korrektursystem auszuschalten, sollte Ihr Kind versuchen, in Silben statt in ganzen Wörtern zu lesen (z.B.: Recht-schrei-bung, Zei-chen-set-zung). Das dauert zwar länger, ist aber sehr effektiv. Ihr Kind sollte so allerdings keine ganzen Aufsätze Korrektur lesen, wohl aber z. B. Handouts für die Klasse, wichtige Briefe oder die letzten Absätze einer Klassenarbeit, in die sich häufig die meisten Rechtschreibfehler einschleichen.