So lernt Ihr Kind Texte und Aufgabenstellungen genau zu lesen

Viele Schüler machen gerade beim Lesen von Texten und Aufgabenstellungen unnötige Fehler. Die meisten lesen zu schnell oder zu ungenau – beides verhindert, dass ein Text richtig verstanden bzw. eine Aufgabe richtig gelöst werden kann. Je älter Ihr Kind wird, umso mehr hat es aber in der Schule mit komplexen Texten und Aufgabenstellungen in den unterschiedlichsten Fächern zu tun. Im Folgenden finden Sie daher systematische Hilfen zum leichteren Erschließen und besseren Verständnis.  

Inhaltsverzeichnis

Lerntipp

Im Laufe der Zeit bekommt es Ihr Kind in der Schule mit den unterschiedlichsten Textsorten und Aufgabentypen „zu tun“: von sachlichen Texten (informativ, berichtend, polemisch, satirisch etc.) über literarische Texte (Drama/Theater, Roman, Erzählung, Gedicht etc.) bis hin zu Aufgabenstellungen in sprachlichen Fächern (z.B. Deutsch, Englisch, Spanisch), geisteswissenschaftlichen Fächern (z.B. Politik, Geschichte, Ethik), in den Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) und Mathematik.

Erfahrungsgemäß haben bereits häufig Grundschüler mit Textaufgaben in der Mathematik Probleme, weil schon dabei ganz genaues und systematisches Lesen erwartet wird – und das ist nicht leicht! Nochmal schwerer wird es dann für viele Schüler, wenn ab der Mittelstufe zunehmend Texte mit komplizierter Struktur und gehobener oder auch alter Sprache verstanden werden müssen (z.B. in Politik oder Geschichte).

Hinzu kommt, dass viele Schüler auch nicht besonders fit im Lesen von längeren, vor allem sachlichen, Texten sind. Für diese Schüler ist es dann eine zusätzliche Herausforderung, sich mit solchen Textgrundlagen motiviert auseinanderzusetzen.   

Die Motivation muss stimmen!

Eine Grundmotivation ist aber wichtig für das genaue Erschließen eines Textes oder einer Aufgabe! Fehlt einem Schüler grundlegend das Interesse am Textinhalt oder der Aufgabenstellung, lautet nämlich das Signal an das eigene Gehirn: „Der Text ist unwichtig, ich muss ihn daher nicht wirklich verstehen.“ Es bleibt also bei einer lückenhaften, möglicherweise fehlerhaften Wahrnehmung des Text- oder Aufgabeninhaltes.

Daher sollte sich Ihr Kind unbedingt vor der Beschäftigung mit dem Text oder einer Aufgabe verdeutlichen, dass es dabei um wichtige Inhalte geht, die es möglichst in allen Einzelheiten erfassen soll. Die volle Konzentration auf diese Leistung und das richtige Signal an den eigenen Kopf sind also unbedingte Voraussetzungen für das richtige Verständnis.  

Auf dieser Basis kann Ihr Kind dann mit den folgenden systematischen Arbeitshilfen und Tipps seine Texte und Aufgabenstellungen erarbeiten:   

Schritt 1: Die erste Annäherung an einen Text: Überblick verschaffen

Bevor Ihr Kind gleich einen Text vom ersten bis zum letzten Wort durchliest, kann es sich schon einmal auf folgende Weise einen ersten Überblick verschaffen und so auf den Text einstimmen. Im Folgenden beziehen wir uns im Wesentlichen aus das erschließen von sachlichen Texten:    

1.    Überschrift und Untertitel bewusst wahrnehmen

Die Überschrift und der Untertitel (sofern vorhanden), beziehen sich in der Regel auf das zentrale Thema des Textes. Bei informativen Texten (z.B. „Anlegen eines Schulgartens“) bedarf die Überschrift meist keiner weiteren Erklärung. Bei  gedanklichen Texten, kann eine Überschrift jedoch auch ironisch, polemisch oder „verschlüsselt“ formuliert sein (z.B. „Zurück zur D-Mark!“). Wie die Überschrift tatsächlich gemeint ist, erschließt sich dann erst während des Lesens des Textes. 

2.    Die ersten und die letzten Sätze genau lesen

Die Einleitung, bzw. die ersten Sätze eines Textes bieten oft einen guten Überblick über den gesamten Textinhalt oder das Hauptanliegen des Textes. Die letzten Sätze nutzen viele Autoren hingegen, um noch einmal das Wesentliche zusammenzufassen oder ein Schlussfazit zu formulieren.  

3.    Zwischenüberschriften und Absätze beachten 

Wenn der Text Zwischenüberschriften beinhaltet, dann sollte Ihr Kind auch diese aufmerksam lesen. Hier werden meist schon wichtige Informationen, Teilaspekte, Gedanken, Argumente etc. genannt. Zusätzlich sollte Ihr Kind bereits beim ersten „Querlesen“ den Anfang und das Ende von Absätzen registrieren. Auch hier lohnt es sich, einen Absatz kurz „anzulesen“.    

4.    Auf optische Hervorhebungen achten

Manchmal sind bestimmte Textabschnitte oder einzelne Wörter kursiv gedruckt, unterstrichen, farbig oder fett hervorgehoben. Solche optischen Veränderungen deuten bewusst auf wichtige Inhalte hin. 

Schritt 2: Textinhalte erfassen und verstehen: Fragen stellen und klären

Nun geht es darum, beim Lesen mögliche Verständnisfehler auszuschließen und alle wichtigen Textinhalte richtig zu erfassen. Dazu sollte Ihr Kind die folgenden beiden Tipps beherzigen: 

1.    Offene Fragen klären

Offensichtliche Verständnisfragen sollte Ihr Kind natürlich gleich klären. Das heißt, versteht es bereits beim ersten Lesen des Textes entweder ein Wort, einen Fachausdruck oder auch einen Gedankengang nicht, dann kann es entweder nachfragen, in einem Wörterbuch nachschlagen oder im Text nach einer genaueren Erläuterung suchen. Wichtig ist: Nicht eher locker zu lassen, bis wirklich alles glasklar ist.    

2.    Wichtige W-Fragen stellen

Die sicherste Methode, alle wichtigen Textinhalte richtig zu erfassen, ist das Stellen von W-Fragen. Die folgenden Fragen kann Ihr Kind in der Regel alle aus dem Text heraus beantworten:

Wer? Hier wird nach dem Autor des Textes gefragt. Wer redet, berichtet, informiert…?

Was? Diese Frage zielt auf das inhaltliche Thema bzw. die Themen des Textes. Was wird erklärt, erläutert…?

Wo? Werden im Text bestimmte Orte genannt, die von Bedeutung sind (z.B. der Unfallort)? 

Wann? Mit dieser Frage kann ihr Kind herausfinden, ob und welche bestimmte Daten oder Zeiten von Bedeutung sind (z.B. bei Versuchsabläufen oder historischen Texten).  

Wie? Diese Frage ist vor allem bei gedanklichen Texten wichtig. Sie zielt nicht auf den Inhalt, sondern auf die sprachliche Gestaltung eines Textes und fragt danach, wie der Autor erzählt, z.B. ob er sachlich, anschaulich, mit Fakten und Beispielen arbeitet oder eher ironisch, polemisch schreibt, einseitig argumentiert etc.

Hinzu kommen noch Fragen, die nicht direkt aus dem Text, aber aus seinem Kontext, also Umfeld, heraus beantwortet werden können, und daher auch zu einem besseren Textverständnis beitragen:

Wem? Dies ist die Frage nach dem Adressaten. Es wird gefragt wem die Informationen eines Textes dienen sollen (z.B. Ärzten, Biologen etc.), an wender Bundespräsident seine Worte gerichtet hat (z.B. an die Bürger und Bürgerinnen Deutschlands).

Wann und Wo? Diese Fragen richten sich nun auf das zeitliche und örtliche Umfeld, in dem ein Text tatsächlich verankert ist bzw. war (z.B. der Bundespräsident sprach diese Worte am 31.Oktober 2009 in Berlin).   

Arbeits-Tipp: Deutsch ist ein bisschen wie Mathe – was über einen Text gesagt wird, muss auch am Text „bewiesen“ werden können!

Wenn sich Ihr Kind beim Erfassen eines Textes an diesen Tipp hält, dann kann es kaum passieren, dass es falsche Aussagen über Textinhalte trifft. Ein Text „verhält“ sich nämlich wie ein abstrakter Gesprächspartner. Stellt ihm Ihr Kind die richtigen Fragen, bekommt es darauf auch passende Antworten.    

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Schritt 3: Den gedanklichen Ablauf des Textes erfassen: Detailgenau lesen

Durch die Beantwortung der Fragen wird also relativ sichergestellt, dass Ihr Kind die Inhalte des Textes richtig versteht. Wie gut es allerdings die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Informationen und Textpassagen nachvollziehen kann, hängt davon ab, ob es auch den gedanklichen Ablauf, also die Struktur des Textes genau erfasst hat. Hierbei können Ihrem Kind weitere Arbeitstipps helfen:

1.    Sinnabschnitte inhaltlich erfassen – Schlüsselwörter markieren

Das gelingt am besten, wenn Ihr Kind den Text zunächst in einzelne Sinnabschnitte unterteilt. Immer dann, wenn ein neuer Gedanke oder eine neue Information beginnt (z.B. zunächst über die Nahrung, dann über das Fortpflanzungsverhalten von Fledermäusen), sollte Ihr Kind im Text einen deutlichen Absatz markieren. Diese Sinnabschnitte sollten am Rand mit Zwischenüberschriften oder einzelnen Schlüsselwörtern versehen werden. So kann Ihr Kind später auf einen Blick den inhaltlichen Ablauf des Textes nachvollziehen.

Auch innerhalb der Sinnabschnitte sollten wichtige Schlüsselwörter farblich hervorgehoben  werden. 

2.    Mit eigenen Worten die Textinhalte wiedergeben, Stellung beziehen

Viele Schüler glauben, dass sie durch das Lesen eines Textes bereits alles verstanden und auch behalten haben. Oft ist das aber ein Trugschluss. Selbst wenn Ihr Kind beim Durchlesen eines Textes z.B. über den Ablauf der Französischen Revolution keine Fragen oder Verständnisprobleme hat, so bedeutet das nicht, dass es alle Informationen des Textes (z.B. Daten, Namen, detaillierte Zusammenhänge etc.) auch auf Anhieb selbständig wiedergeben kann. Die beste Möglichkeit Wissen vom „passiven“ Gedächtnis („Ich habe es kapiert.“) ins „aktive“ Gedächtnis („Ich kenne alle Infos und Zusammenhänge und kann damit arbeiten.“) zu transportieren ist, die Textinhalte mit eigenen Worten wiederzugeben. Dazu kann sich Ihr Kind mit Ihnen, mit sich selbst oder einem Freund, einer Freundin aktiv über den Text austauschen und dabei Zusammenhänge erklären, eine eigene Meinung formulieren, Stellung beziehen und diskutieren. Erst bei solchen aktiven Textverarbeitungen wird Ihr Kind feststellen können, ob es tatsächlich alle Gedanken und Einzelheiten erfasst und verstanden hat.

Arbeits-Tipp für ältere Schüler: Mit „metasprachlichen Begriffen arbeiten“

Ende der Mittelstufe, Anfang der Oberstufe wird von den Schülern erwartet, dass Sie z.B. bei der Zusammenfassung eines sachlichen Textes auch den Aufbau bzw. Gedankengang des Autors erfassen und wiedergeben. Dabei können sogenannte „metasprachliche Begriffe“ helfen, die schildern, was der Autor gerade macht, z.B.: er zitiert, erläutert, nennt Zahlen und Fakten, führt Beispiele an, fasst zusammen, kritisiert, argumentiert, behauptet, widerlegt, stellt fest, nennt Ursachen und Gründe, zieht ein Fazit etc.

Gedankliche Texte lassen sich oft gut in Sinnabschnitte mithilfe dieser metasprachlichen Begriffe einteilen. Muss Ihr Kind dann den Inhalt eines solchen Textes zusammenfassen, kann es dabei zur Verdeutlichung der gedanklichen Struktur mit diesen Begriffen arbeiten, z.B.: Der Autor beginnt mit der Fragestellung, ob…Er eröffnet seine Argumentation mit der Behauptung, dass… und untermauert seine Feststellung mit Zahlen einer aktuellen wissenschaftlichen Erhebung…“ etc.

Erschließt sich Ihr Kind auf diese Weise das inhaltliche Vorgehen eines Autors, fällt es natürlich anschließend auch leichter, zu einzelnen Aussagen Stellung zu beziehen und eine eigene Meinung zu formulieren. Auch das wird von Schüler zunehmend differenzierter ab der Mittelstufe erwartet.        

Aufgabenstellungen genau lesen und verstehen

Hat Ihr Kind gelernt, längere Texte zu erfassen, dann sollte ihm das genaue Lesen einer kürzeren Aufgabenstellung eigentlich keine oder nur noch wenig Probleme machen. Denn auch zum richtigen Verstehen einer Aufgabe gehört neben voller Konzentration und Motivation (also dem richtigen Signal an den Kopf: „Ich will das verstehen!“) vor allem eine systematische, detailgenaue und besonnene Vorgehensweise.    

1.    Die Aufgabenstellung mit eigenen Worten wiedergeben

Ob Ihr Kind eine Aufgabe verstanden hat, kann es am besten herausfinden, wenn es zunächst versucht, die Aufgabenstellung in eigenen Worten wiederzugeben: „Als erstes soll ich den Text genau lesen, dann den Inhalt zusammenfassen und schließlich die These des Autors in Zeile 28/29 erörtern.“

Gelingt Ihrem Kind diese selbstständige Formulierung der Aufgabe problemlos, so hat es die Aufgabenstellung vermutlich auch in allen Teilen erfasst und verstanden.

2.    Die richtigen Fragen stellen

Hat Ihr Kind jedoch mit der eigenen Wiedergabe der Aufgabenstellung Probleme, so kann es sich mit Hilfe von Fragen, den Inhalten der Aufgabe nähern, z.B.:

  • Was genau soll ich in welcher Reihenfolge machen?
  • Was verstehe ich möglicherweise nicht? Welche Begriffe, Formulierungen sind unklar? (Z.B.: Was heißt genau „erörtern“, „analysieren“, „beschreiben“…)
  • Sind es eine oder mehrere Aufgabenstellungen, die ich bearbeiten soll?
  • Welche Tipps, Fakten, Hinweise sind in der Aufgabenstellung bereits gegeben, auf die ich mich bei der Lösung beziehen muss? (Wichtig vor allem in den Naturwissenschaften und Mathematik)
  • Ist es sinnvoll eine Lösungsskizze zu zeichnen? Wie könnte sie aussehen?
  • Ist es sinnvoll, einen „Schreibplan“ zur Lösung der Aufgabe zu entwickeln? Wie könnte dieser aussehen?
  • Etc.

3.    Arbeiten mit der LEGUAN-Strategie

Für besonders eilige oder ungenaue Schüler bietet sich die Leguanstrategie als Hilfe zur Selbstinstruktion (selbstangeleitetes Schritt-für-Schritt-Lernen) an. Der Leguan ist ein gemütliches und eher langsames Tier. Ebenso gemütlich und langsam kann sich Ihr Kind Schritt für Schritt eine Aufgabe erarbeiten. Die Gefahr, dass es dann wichtige Hinweise überliest und die Aufgabe falsch versteht, wird so stark reduziert.

Und so funktioniert die Strategie:

Schritt 1: L wie LESEN

Zunächst liest sich Ihr Kind die Aufgabenstellung genau durch, und entwickelt ein Bild bzw. eine Vorstellung davon. Dabei sollte es auf alle wichtigen Angaben achten, die es am besten auch farbig unterstreicht. Falls ein wichtiges Wort oder ein Ausdruck in der Aufgabe unbekannt sein sollte, dann muss dies zuerst geklärt werden. Nun kann Ihr Kind eventuell eine Skizze anfertigen, um sich die Aufgabenstellung noch besser zu verdeutlichen. 

Schritt 2: E wie ERKLÄREN

Jetzt erklärt Ihr Kind die Aufgabe mit seinen eigenen Worten. Entweder erzählt Ihr Kind Ihnen, einem Freund oder sich selbst ganz genau, worum es in der Aufgabe geht. Erst wenn Ihrem Kind das reibungslos gelingt, hat es die Aufgabe verstanden und bereits eine genaue Vorstellung davon entwickelt. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass es nun die Aufgabe auch lösen kann.

Schritt 3: G wie GEDULD

Nachdem Ihr Sohn oder Ihre Tochter die Aufgabe verstanden hat, geht es aber immer noch nicht los. Vorher gibt es noch eine kleine Geduldspause, in der sich Ihr Kind zunächst erst einmal zurücklehnt und entspannt. Viele Schülerinnen und Schüler fangen nun an, schnell zu schreiben oder zu rechnen, ohne einen genauen Lösungsplan zu haben. Um dies zu verhindern, sollte sich Ihr Kind in Gedanken ein Stoppschild vor die Nase halten. 

Schritt 4: U wie UEBERLEGEN

Denn nun überlegt sich Ihr Kind eine genaue Lösungsstrategie. Wie gehe ich vor? Welcher Lösungsschritt kommt zuerst? Welcher Lösungsschritt schließt sich an? Welche Regeln und Formeln benötige ich? Wie übertrage ich die Lösung in mein Heft?

Je genauer diese Überlegungen sind, desto leichter wird Ihrem Kind das Lösen der Aufgabe fallen.

Schritt 5: A wie AUSARBEITEN

Nun beginnt Ihr Kind damit, die Aufgabe in Ruhe entsprechend seines Lösungsplans auszuarbeiten. Je übersichtlicher seine Ausarbeitungen dabei sind, umso besser.

Schritt 6: N wie NACHPRÜFEN

Nachdem Ihr Kind die Aufgabe gelöst hat, kontrolliert es jetzt die Lösung. Dazu sollte es sich auf alle Fälle ausreichend Zeit nehmen. Im Nachhinein ist es immer ärgerlich, wenn „dumme“ Fehler übersehen wurden.