Was Sie tun können, wenn Ihr Kind in einer Schulkrise steckt

Dass Ihr Kind nicht immer gleichbleibend gerne zur Schule gehen wird, ist normal. Kritisch wird es erst dann, wenn sich eine eigentlich harmlose Schulkrise zu einem handfesten Dauerproblem ausweitet. Damit es erst gar nicht dazu kommt, erfahren Sie hier, wie Sie Ihr Kind richtig unterstützen können, wenn es in der Schule und beim Lernen zu „kriseln“ beginnt. 

Inhaltsverzeichnis

Null Bock auf Schule – und nun?

Gründe, warum es in der Schule plötzlich nicht mehr rund läuft, gibt es sicher zahlreiche. Vom „unfreundlichen“ Lehrer über das neue Unterrichtsthema, das Ihrem Kind nicht liegt, bis hin zu Streitigkeiten mit Klassenkameraden oder vermehrten außerschulischen Interessen: Die Ursachen können sehr unterschiedlicher Natur sein. Hinzu kommt, dass Schüler im Pubertätsalter die Prioritäten sowieso oft neu verteilen. Schule und Lernen werden dann meist eher auf die hinteren Plätze verwiesen.

Die Schulkrise als Lernchance

Nils, 13 Jahre, hat den Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule gut gemeistert. Zum Beginn des neuen Schuljahrs ist die 7. Klasse nun noch einmal gemischt worden, und einige neue Lehrer hat er auch bekommen. Eigentlich alles kein Problem für Nils, aber zwei seiner neuen Lehrer kann er absolut nicht ausstehen, und in deren Fächern (Physik und Englisch) hat er auch gleich einige schlechten Noten kassiert. Einerseits ärgert ihn sein Versagen bei diesen „Typen“ besonders, andererseits hat er aber auch jeden Antrieb verloren, sich irgendwie ins Zeug zu legen. Nils spürt, dass sich diese „chronische“ Lustlosigkeit auch auf andere Fächer übertragen hat. Für die Schule tut er mittlerweile nur noch das Allernötigste. Statt Hausaufgaben zu machen oder zu lernen beschäftigt er sich nachmittags lieber mit dem Computer oder verabredet sich mit seinen Kumpels zum Fußballspielen. Nils’ Eltern sind über seine schwindende Arbeitsmoral wechselweise besorgt und verärgert. Sie hoffen, dass Nils seine Schulkrise bald wieder in den Griff bekommt. So wie Nils verhalten sich wahrscheinlich irgendwann einmal während ihrer Schulzeit die meisten Schüler. Als Eltern empfinden Sie eine solche Schulkrise Ihres Kindes vielleicht als belastend, wirklich bedenklich ist das Verhalten Ihres Kindes aber noch nicht. Vielmehr kommt es nun darauf an, wie Ihr Kind nach einiger Zeit mit dieser Krise umgeht:

Schulverweigerung …

Tut Ihr Kind gar nichts, das heißt, verharrt oder erstarrt es im Nichtstun und gibt die Schuld für sein Versagen der Schule, den Lehrern oder Ihnen als Eltern, so besteht die Gefahr, dass Ihr Kind sich zum Opfer macht. Der Weg von der Opferrolle in eine Verweigerungshaltung ist dann oft nicht mehr weit. Störungen des Unterrichts, häufiges Zuspätkommen, Schuleschwänzen, fehlende Hausaufgaben etc. könnten die Folgen sein.

… oder Selbstmotivation

Wichtig ist nun, dass Ihr Kind wieder einen Weg aus der Krise hinaus findet. Dazu muss es sich selbst motivieren oder mit Hilfe anderer wieder motivieren lassen. Nur wenn Ihr Kind diesen aktiven und positiven Weg wählt, spürt es, welche Kräfte in ihm stecken, und lernt, was es tun muss, um sich selbst zu helfen. Selbstmotivation erwirbt Ihr Kind also nicht einfach so, sondern gerade indem es sein Motivationsloch überwindet. So betrachtet, sind Schulkrisen keine Katastrophen, sondern wichtige Lernchancen, die nicht nur bei der Bewältigung von schulischen Problemen helfen.

Tipps für Eltern: Unterstützen Sie Ihr Kind richtig

Ganz gleich ob sich die Schulkrise Ihres Kindes gerade erst anbahnt oder ob Ihr Kind bereits mittendrin steckt, zwei Dinge sind grundsätzlich wichtig, wenn Sie Ihrem Kind hilfreich zur Seite stehen wollen:

Tipp 1: Trennen Sie eindeutig zwischen schulischem Misserfolg und persönlicher Zuwendung!

Kinder und Jugendliche, die erfahren, dass ihr schulisches Versagen geringere Wertschätzung, Beschämung („Du bist dumm und faul“) oder sogar Liebesentzug der Eltern zur Folge hat, fühlen sich gerade in der Krise zusätzlich verletzt und entkräftet. Statt weiterer Demütigungen benötigt Ihr Kind in dieser Zeit die Gewissheit, dass Sie es trotz bzw. unabhängig von seinen schulischen Leistungen lieben und wertschätzen. Sie können Kritik üben und dürfen Ihren Unmut deutlich kundtun, aber immer bezogen auf ein konkretes Verhalten oder eine bestimmte Sache und nicht grundsätzlich auf die Persönlichkeit Ihres Kindes.

Tipp 2: Übertragen Sie die Verantwortung für das Gelingen der „Schulkarriere“ eindeutig Ihrem Kind!

In der Grundschulzeit sind noch viele Eltern aktiv an den schulischen Aufgaben Ihrer Kinder beteiligt. Da werden z. B. die Hausaufgaben mitbetreut, Haushefte verschönert und Unterrichtsmappen vervollständigt oder die ersten kleinen Referate gemeinsam vorbereitet. Eine solche Unterstützung ist durchaus sinnvoll, wenn Ihr Kind dabei schrittweise zum selbstständigen Lernen geführt wird. Dazu ist es aber wichtig, dass Sie nicht für Ihr Kind das Referat vorbereiten oder für seine Englischmappe vervollständigen, sondern ihm zeigen, was es selbst zu tun hat, und es ermutigen, dies dann auch zu tun. Mit dem Eintritt in die Pubertät sollten Sie Ihrem Kind nun zügig immer mehr bzw. vollständig die Verantwortung für seinen „Job“ übertragen. Wenn es hier in Sachen Selbstverantwortung, Selbstregulierung und Selbstdisziplin schon positive Erfahrungen gesammelt hat, umso besser. Nur wenn Ihr Kind sich eindeutig in der Verantwortung weiß, kann es in Schulkrisen auch selbst aktiv werden, statt passiv in der Opferrolle zu verharren und auf Hilfe von außen zu warten.

Unser Rat: Lassen Sie auch mal eine Bauchlandung zu!
Vor allem Jugendliche, die es gewöhnt sind, immer wieder rechtzeitig „gerettet“ zu werden, müssen manchmal das wirkliche Ausmaß ihres Verhaltens spüren, um zu begreifen, dass sie selbst aktiv werden müssen. Überlegen Sie daher gut, ob Sie Ihr heranwachsendes Kind noch immer an seine Klassenarbeiten erinnern wollen, ob sie es vor Tests zum Lernen antreiben, ihm vielleicht sogar den Lernstoff dazu aufbereiten. Eine verdiente 5 im Zeugnis spornt manchen Schüler mehr zum Lernen an als eine „geschenkte“ 4!

Nicht an Leistungserwartungen geknüpfte Wertschätzung und Zuwendung sowie das eindeutige Signal „Du bist verantwortlich für das Gelingen deiner Schulkarriere“ sind also die beiden „Grundpfeiler“ für das Überwinden einer Schulkrise. Darüber hinaus können Sie Ihrem Kind durch folgende weitere Verhaltensweisen unter die Arme greifen:

Tipp 3: Analysieren Sie zusammen mit Ihrem Kind die kritische Situation

Die Probleme erkennen und endlich mal beim Namen zu nennen, statt den Schwierigkeiten weiter auszuweichen – das ist einerseits nicht einfach, andererseits aber die Voraussetzung dafür, dass Ihr Kind seine Schulkrise richtig angehen kann. Helfen Sie ihm, Klarheit in die Dinge zu bringen, indem Sie es mit den richtigen Fragen selbst zum Nachdenken bringen: „Seit wann hast du Schwierigkeiten in Mathe und Physik?“, „Liegen dir manche Themen mehr als andere?“, Welche Rolle spielen die Lehrer bei deinen Fachproblemen?“, „Was hast du bisher ausprobiert, um die Probleme in den Griff zu bekommen?“, „In welchen weiteren Fächern könnte es kritisch werden?“.

Tipp 4: Unterstützen Sie Ihr Kind bei der Entwicklung eines Strategieplans

Auch hier sollten Sie Ihrem Kind nicht das Denken abnehmen, aber es doch gezielt dabei unterstützen. So kann es durchaus selbst überlegen, welche konkreten Maßnahmen ihm aus der Krise helfen sollen, z. B.: Mit dem Mathe-Lehrer sprechen, zweimal pro Woche zusätzliche Lernzeiten für Mathe, regelmäßige Hausaufgaben plus mündliche Beteiligung in Physik und darüber Buch führen, eine Woche vor Physik- und Mathe-Arbeiten mit dem Lernen beginnen, zusätzliches Referat in Physik etc. Ihre Aufgabe ist es dabei weniger, diese Maßnahmen zu be- oder verurteilen, als darauf zu achten, dass

  • Ihr Kind sich ein konkretes, zeitlich festgelegtes und realistisches (Noten-)Ziel setzt (z.B.: „Am Ende des Schuljahres habe ich in Mathe und Physik eine 4“),
  • die erforderlichen Maßnahmen genau beschreibt (beispielsweise: „Zusätzliche Mathe-Lernzeit ist ab sofort jeden Donnerstag von 17 bis 18 Uhr und Samstag von 11 bis 12 Uhr“ und
  • Kontrollmechanismen einsetzt und zeitliche Fristen bestimmt, mit denen es sich selbst zum Einhalten der gewählten Maßnahmen diszipliniert (z. B.: „Mit einem Meldeplan (Strichliste) dokumentiere ich jede Physikstunde, ob ich mich mindestens dreimal gemeldet habe. Bis zu den Osterferien in zwei Wochen habe ich mit meinem Mathelehrer ein klärendes Gespräch geführt“).

Falls Ihrem Kind tatsächlich keine oder nur wenige Maßnahmen zur Behebung seiner Misserfolge einfallen, dürfen Sie Vorschläge machen. Doch auch hier sollte Ihr Kind entscheiden, welche Vorschläge es umsetzen möchte. Für die Entstehung einer Eigenmotivation ist es wichtig, dass Ihr Kind aus freien Stücken entscheidet, wie es handeln möchte. Geben Sie ihm hingegen vor, was es zu tun hat, befolgt es möglicherweise Ihre Anweisungen, aber ohne innere Überzeugung, oder es verweigert sich ganz.

Tipp 5: Helfen Sie Ihrem Kind bei der Verbesserung seiner Lernmethoden

Ebenfalls unterstützen können Sie Ihr Kind beim effektiven Lernen. Motivationslöcher können auch dadurch entstehen, dass Ihr Kind die Erfahrung gemacht hat, dass seine Lernbemühungen nichts oder nur wenig bringen. Versuchen Sie daher gemeinsam mit Ihrem Kind herauszufinden, wo es beim Lernen gezielte methodische Unterstützung und Hilfen benötigt, z. B. bei der Erarbeitung von Texten, beim Lernen und Behalten von Vokabeln, bei der Vorbereitung von Referaten, beim Aufrechterhalten der Konzentration, beim Umgang mit Prüfungsangst etc.

Tipp 6: Kooperieren Sie mit den Lehrern Ihres Kindes

In vielen Fällen sinnvoll ist, die Lehrer Ihres Kindes bei der Lösung der Schulkrise mit einzubeziehen und zusammen zu besprechen, wie Ihr Kind am besten unterstützt werden kann. Besser wäre es noch, wenn Ihr heranwachsendes Kind sein Problem eigenverantwortlich in die Hand nimmt und selbst das Gespräch mit seinen Lehrern sucht. So lernt es am besten, mit eigenen Krisen aktiv umzugehen.

Tipp 7: Stärken Sie die außerschulischen Kompetenzen und Fähigkeiten Ihres Kindes

Wenn es in der Schule viele Misserfolge hagelt, leidet Ihr Kind. Keinen Schüler lassen schlechte Noten kalt, auch wenn viele Pubertierende versuchen, solche Niederlagen möglichst „cool“ abzutun. Falsch wäre es nun, wenn Sie Ihrem Kind zusätzlich diejenigen Tätigkeiten streichen, die seinem Selbstwert gut tun (z. B. „So lange deine Noten nicht besser werden, spielst du auch nicht mehr Fußball“). Sicher sollte Ihr Nachwuchs seine außerschulischen Aktivitäten nicht übertreiben, aber vor allem während einer Schulkrise sind solche Hobbys besonders wichtig, um seine Persönlichkeit zu stärken. Gerade wenn es in der Schule nicht klappt, sollte Ihr Kind spüren, welche anderen Fähigkeiten es besitzt. Fehlen ihm solche Freizeitaktivitäten, in denen es sich und anderen zeigen kann, was es „drauf hat“, sollten Sie es bei der Suche nach solchen Aktivitäten unterstützen. Überlegen Sie gemeinsam, welche sportlichen, musikalischen etc. Stärken Ihr Kind hat, und helfen Sie ihm, diese Stärken auszuleben.

Tipp 8: Helfen Sie Ihrem Kind dabei, Zukunftsperspektiven zu entwickeln

Nicht erst in der Schulkrise, auch vorher schon fragen Schüler oft, wozu sie eigentlich den ganzen „Schulkram“ lernen müssen. Auf Diskussionen im Detail („Wozu muss ich den Ablauf der französischen Revolution kennen?“ „Wozu muss ich Kurvendiskussionen in Mathematik können?“) sollten Sie sich dabei nicht unbedingt einlassen. Die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für das spätere, eigenständige und selbstbestimmte Leben Ihres Kindes können Sie aber immer wieder thematisieren. Kinder und Jugendliche spüren auch ohne erhobenen Zeigefinger den Stellenwert von Wissen und Bildung, wenn Sie etwa mit Ihrem heranwachsenden Kind über seine Zukunftsvorstellungen und seine beruflichen Ideen sprechen. Gerade wenn Ihr Kind sich in einer Schulkrise befindet, kann es motivierend wirken, über solche Zukunftspläne nachzudenken, eventuell können Sie auch schon einmal bestimmte Bildungsangebote und –alternativen konkreter recherchieren. Wozu Lernen wichtig ist, erschließt sich Ihrem Kind so beinahe automatisch.

Tipp 9: Machen Sie Ihrem Kind Mut und schenken Sie ihm Ihr Vertrauen

Um das Motivationsloch zu überwinden und den Weg aus seiner Schulkrise zu finden, benötigt Ihr Kind aber vor allem Ihr Vertrauen, dass es das auch schaffen kann. Schrauben Sie Ihre Ansprüche und Wünsche gegebenenfalls auf ein realistisches Maß herunter, und machen Sie Ihrem Kind Mut, wenn es Misserfolge verdauen muss. Sprechen Sie mit ihm über seine Stärken und Talente, bieten Sie ihm Ihre Hilfe an. Signalisieren Sie ihm, dass Sie immer ein offenes Ohr haben, ohne sich ihm aufzudrängen. So bieten Sie Ihrem Kind einen sicheren Halt, wenn es selbst ins Wanken gekommen ist.