Magersucht & Co.: Wenn (Nicht-)Essen das Leben bestimmt
Sanfte Hilfe für die Kinderseele
Essen ist nicht nur Ernährung, auch die Seele findet hier ihren Ausdruck. Ist die Seele krank, kann sich das in einem gestörten Essverhalten äußern. Besonders anfällig hierfür sind Mädchen und zunehmend auch Jungen in der Pubertät – einer Zeit, die schon entwicklungsbedingt von Umbruch und Verunsicherung geprägt ist. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zeigt: Bei etwa einem Fünftel aller 11- bis 17-Jährigen in Deutschland besteht der Verdacht auf eine Essstörung. Bei jedem dritten Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren gibt es bereits eindeutige Hinweise auf eine Essstörung, bei den Jungen liegt der Anteil bei 13,5 Prozent.
Essstörungen können sich auf verschiedene Arten äußern
Die Hauptformen sind …
Magersucht (Anorexie):
zwanghaftes Hungern und Abnehmen
Ess-Brech-Sucht (Bulimie):
Heißhungerattacken und anschließendes Erbrechen
zwanghafte Essanfälle (Binge-Eating-Störung):
Heißhungeranfälle ohne anschließendes Erbrechen oder andere Maßnahmen, die Kalorien wieder zu verbrennen
Häufig liegen auch Mischformen vor: Auch Magersüchtige können z. B. unter Essattacken mit anschließendem Erbrechen leiden. Typisch für alle Essstörungen ist, dass die Gedanken der betroffenen Kinder und Jugendlichen ständig nur noch um das Essen kreisen. Sie leiden an einer verzerrten Körperwahrnehmung sowie einem geringen Selbstwertgefühl und versuchen das durch ihr Essverhalten zu kompensieren.
Die erste Diät kann schon ein Einstieg in eine Essstörung sein
Warum ein Mädchen oder ein Junge eine Essstörung entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören:
- biologische Aspekte (Veranlagung, Hirnfunktionsstörungen)
- persönlichkeitsbedingte Faktoren (Ängstlichkeit, Unsicherheit, geringes Selbstwertgefühl, starke Leistungsorientierung, Perfektionismus)
- gesellschaftliche Einflüsse (Schönheitsideale, Schlankheitsdruck)
- das soziale und familiäre Umfeld (Familie, Gleichaltrige)
Diäten, Schlankheitswahn und/oder die Ausgrenzung von Mädchen und Jungen mit Übergewicht können ein Einstieg in die Erkrankung sein. Auch die Darstellung in Medien, Werbung und der Modebranche, die Schlankheit immer wieder mit Attraktivität und Erfolg gleichsetzt, kann bei Jugendlichen fatale Folgen haben. Der Boden für die Entstehung einer Sucht wird jedoch meist schon viel früher in der Kindheit gelegt. Kinder, deren Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden, neigen später dazu, die dadurch entstandene innere Leere und die negativen Gefühle durch suchtartiges Verhalten zu kompensieren. Sehr wichtig ist das Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung, Sicherheit, eigenen, entwicklungsgerechten Erfahrungen und nach Grenzen und Strukturen.
Magersucht und ihre Folgen: Dünn sein um jeden Preis
Für Magersüchtige ist Schlanksein das Wichtigste überhaupt. Sie essen bewusst zu wenig und verlieren dadurch massiv an Gewicht. Trotzdem empfinden sie sich als zu dick und ergreifen oft noch zusätzliche Maßnahmen, um abzunehmen, z. B. exzessiven Sport oder Abführmittelmissbrauch. Auch in anderen Lebensbereichen (z. B. Schule) zeigen Sie auf einmal einen sehr hohen Leistungswillen. Die Krankheit gibt ihnen ein Gefühl von Überlegenheit und Stärke – sie füllt ihr Leben aus. Daher fühlen sie sich oft lange nicht krank und wehren sich gegen eine Therapie. Doch je dünner sie werden, desto mehr wächst auch die Angst, wieder zuzunehmen. Magersüchtige verlieren oft 45 bis 50 % ihres Ausgangsgewichtes.Magersucht kann schwere körperliche und seelische Folgen haben:
- Abbau von Muskelmasse und Fettreserven
- Herz-Rhythmus-Störungen
- Nierenschäden
- Durchblutungsstörungen, Blutarmut
- Ausbleiben der Menstruation bis hin zu dauerhafter Unfruchtbarkeit
- Magen-Darm-Beschwerden
- Zahnprobleme
- Osteoporose (Knochenschwund)
- Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten