Warum wir uns bestimmte Dinge eher merken können als andere

Noch heute sind sich die Hirnforscher nicht völlig im Klaren darüber, wie die Speicherung von Inhalten im Gedächtnis letztendlich genau funktioniert. Die Mehrzahl der Wissenschaftler gehen von einer Unterteilung des Gedächtnisses in drei Stufen aus. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen auf sehr einfache Art erklären, wie der Lernstoff in das Langzeitgedächtnis kommt, dort schließlich gespeichert werden kann und welche Hürden Ihr Kind in der Pubertät dabei zu nehmen hat. 

Inhaltsverzeichnis

Wie unser Gehirn funktioniert

Jede im menschlichen Gehirn ankommende Information muss insgesamt drei Stufen der Speicherung durchlaufen, bevor sie für immer im Gedächtnis verankert ist.

Stufe 1: Ultrakurzzeitgedächtnis (UKZG)

Diese erste Stufe ist der Eingang in unser Gedächtnis. Dorthin gelangen Sie über unsere Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken). Innerhalb der ersten 20 Sekunden nach Aufnahme einer Information kreist diese in Form von elektrischen Ionenströmen durch das Gehirn. Nach den 20 Sekunden entscheidet das Gedächtnis, ob die jeweilige Information zur stofflichen Weiterverarbeitung und längerer Speicherung an das Kurzzeitgedächtnis weitergeleitet wird oder ob sie aus dem Gedächtnis herausgefiltert wird.

Das können Ursachen dafür sein, dass Informationen nicht länger als 20 Sekunden präsent bleiben und nicht gespeichert werden:

  • Die Informationen sind unwichtig oder uninteressant. Die Bedeutung und das Interesse, das wir einer Information beimessen, sind entscheidend dafür, ob und wie lange diese Information gespeichert wird.
  • Es fehlen Assoziationsmöglichkeiten. Damit ist gemeint, dass neu ankommende Informationen daraufhin untersucht werden, ob sie mit bereits gespeicherten Informationen in Verbindung gebracht werden können.
  • Die Informationen sind sich sehr ähnlich. Haben die neu ankommenden Informationen viel miteinander gemeinsam, werden sie weniger deutlich als getrennte Informationen gespeichert und somit eher verwechselt sowie vergessen.
  • Zusatzwahrnehmungen stören. Besonders starke Wahrnehmungen und Empfindungen, wie Schmerzen oder ein Schock, blockieren in der Regel die Informationsverarbeitung im UKZG. Aber auch geringere Ablenkungen und Störungen können den Informationsfluss bereits hemmen.
  • Die Informationsmenge ist zu groß.

Stufe 2: Kurzzeitgedächtnis (KZG)

Machen Sie einmal folgendes Gedächtnis-Experiment:

Lesen Sie zuerst die fünf Ziffern der Zahlenreihe 1 einmal laut vor. Schließen Sie dann die Augen und versuchen Sie, die Ziffern in der richtigen Reihenfolge zu wiederholen. Machen Sie anschließend das Experiment in gleicher Weise mit den Zahlenreihen 2 und 3.

Zahlenreihe 1 (5 Ziffern):

4, 9, 7, 3, 12

 

Zahlenreihe 2 (7 Ziffern):

8, 13, 2, 6, 11, 5, 0

 

Zahlenreihe 3 (12 Ziffern):

1, 16, 7, 10, 6, 19, 14, 3, 5, 17, 2, 9

Wie ist es Ihnen bei unserem kleinen Experiment ergangen? Die meisten schaffen es sicher, die erste Zahlenreihe richtig wiederzugeben. Bei sieben Ziffern bekommen viele bereits Schwierigkeiten beim Behalten, oder sie vertauschen einige Ziffern. Fast alle Menschen geben aber bei der dritten Zahlenreihe mit zwölf Ziffern auf. Mehr als sechs bis acht voneinander unabhängige Informationen kann sich das Gedächtnis nämlich normalerweise nicht merken. Das Experiment soll Ihnen zeigen, dass es kaum möglich ist, mehr als acht Informationen auf einmal im UKZG zu speichern. Da das UKZG jedoch die erste Hürde aller Informationen auf dem Weg zum Kurz- und Langzeitgedächtnis ist, ist diese Erkenntnis für Ihr Kind bei jeder Aneignung von Wissen von großer Bedeutung, beispielsweise für das Lernen von Vokabeln.

Stufe 2: Kurzzeitgedächtnis (KZG)

Bei Befragungen von Menschen, die einen Unfallschock erlitten haben, wird häufig festgestellt, dass sie sich weder an den Moment des Unfalls erinnern können noch an die Zeit bis etwa 20 Minuten vor diesem Unfall. Ein Schock kann also dazu führen, dass alle Wahrnehmungen, die bis ungefähr 20 Minuten vor einem Unfall vom Gehirn aufgenommen wurden, restlos gelöscht werden – unabhängig davon, wie wichtig, interessant oder bewegend sie gewesen sind. Das bedeutet aber auch, dass die eingegangen Informationen aus diesem Zeitraum noch nicht im Langzeitgedächtnis abgespeichert sein können. Denn dann wären sie, in welcher Form auch immer, wieder abrufbar.

Die gelöschten Informationen haben sich demnach noch im KZG befunden, in dem sie mindestens 20 Minuten oder auch länger verweilen, bevor sie in den Langzeitspeicher des Gedächtnisses übergehen.

Aus Experimenten und Versuchen wissen wir, dass während der Übergangsphase vom KZG in das LZG eine Art „stoffliche“ Speicherung der Gedächtnisinhalte stattfindet. Durch einen komplizierten chemisch-biologischen Prozess werden Information dabei für immer unlöschbar im Langzeitgedächtnis gespeichert.