Identität finden: Wie Sie Ihr Kind dabei unterstützen

Die Pubertät ist die Zeit der Veränderungen. Das kindliche "Ich" wandelt sich zum erwachsenen "Ich": Zu einer neuen eigenen Identität. Doch bevor es zu einer Neuorientierung und Stärkung des "Ich" kommt, müssen Pubertierende viele Irrwege, Sackgassen und Umleitungen durchwandern. Denn die "Ich"-Bildung vollzieht sich nicht gradlinig. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihr Kind dabei hilfreich unterstützen können. 

Inhaltsverzeichnis

Entwicklungshilfe für Kinder

Die Veränderungen während der Pubertät bringen für Sie als Eltern und für Ihr Kind große Anstrengungen mit sich: Manche Eltern zweifeln in dieser Zeit am Verstand ihrer Kinder, sehen sie in der Gosse oder Psychiatrie landen. Manche Jugendliche leiden still vor sich hin, andere stellen ungeschminkt und grell ihr Leid öffentlich dar.

Es gehört jedoch zur Identitätsbildung Ihres pubertierenden Kindes, dass es sich in seiner Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit annehmen lernt. Die damit einhergehenden Spannungen muss es aushalten. Die Ausbildung einer neuen, erwachsenen Identität ist also ein längerer Prozess, der durch Kontinuität und Brüche gekennzeichnet ist. Das Bewältigen von schwierigen Aufgaben und Krisen stärkt das Selbstvertrauen Ihres Kindes.

Heranwachsende, die schon in jüngeren Jahren Mitverantwortung tragen, die eigenständig und selbstbewusst leben, lösen Entwicklungsaufgaben selbstverantwortlicher, mutiger und getragen von einem Urvertrauen. Weil sie durch häufige Erfolgserlebnisse ermutigt sind, scheuen sie vor neuen Aufgaben, ja auch vor Krisen nicht zurück, sondern betrachten sie als Herausforderung.

Entwicklungsaufgaben Ihres Kindes

  • Die Auseinandersetzung mit den äußeren Veränderungen und dem Wachstum führt zur Ausbildung einer körperlichen Identität: Der Heranwachsende lernt, sich so anzunehmen, wie er ist, und übernimmt Verantwortung für die Körperpflege, z.B. für Hygiene, Schlaf und Ernährung.
  • Der Heranwachsende baut einen eigenen Bekannten- und Freundeskreis auf und gestaltet die Beziehungen zu den Eltern um. Es gibt erste intime Kontakte. Die Pubertierenden treffen Entscheidungen über die Freizeitgestaltung und über das Ausgeben des Taschen- bzw. selbst verdienten Geldes.
  • Es gilt, selbstständige Überlegungen zur eigenen Lebensgestaltung anzustellen, eigene Überzeugungen zu vertreten, Standpunkte zu erwerben und zu verteidigen. Und es ist wichtig, Verantwortung für sich und sein Handeln zu übernehmen. Zudem beweist der Heranwachsende seine Zugehörigkeit zur Familie und zur sozialen Umwelt, indem er sich aktiv engagiert und einbringt.

Als Eltern “richtig” für Ihr Kind da sein

Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden Sie vielleicht denken: Na, der hat gut schreiben! „Leben Sie einmal mit einem Größenwahnsinnigen unter einem Dach“, sagt eine Mutter, und ein Vater ergänzt: „Er besucht das Gymnasium und redet nur noch Scheiß. Ein Wahnsinniger!“

„Einmal ist meine Tochter eine absolute Ziege“, klagt eine Mutter,„zickig, meckerig, mit der ist nicht mehr auszukommen. Sie spuckt Gift und Galle. Und dann will sie mit einem Mal auf den Schoß. Die ist doch nicht ganz richtig im Kopf!“

Als Eltern "richtig" für Ihr Kind da sein

Ich verstehe den Unmut und die Irritation vieler Eltern, wenn ihr Kind in der Vorpubertät beginnt, Gewohntes über Bord zu werfen, aber noch keine neuen Segel hat, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Umbruchphasen gehen nun mal mit heftigen emotionalen Krisen einher, mit Zorn und Wut, mit Trauer und Tränen. Solche Zeiten stellen hohe Anforderungen an die Eltern, solche Krisen sind aber auch Zeichen für eine Auseinandersetzung, die Ihr Kind mit sich und der Welt führen muss. In dieser Zeit ist Ihr Kind schutzlos – wie ein Hummer ohne Panzer. Jetzt braucht Ihre Tochter oder Ihr Sohn keine unsensiblen Besserwisser, sondern echte Begleitung und Unterstützung.

Durch dieses „Tal der Tränen“ muss der Heranwachsende hindurch. Beim Aufbau einer eigenen Identität ist der Weg das Ziel. Ein neues Selbstkonzept gibt es nicht umsonst. Wie ein Märchenheld am Ende seiner Reise wird auch der Pubertierende dann gestärkt heimkommen: Krisen auszuhalten gibt Kraft für die Gegenwart und die Zukunft. Nur so gewinnt Ihr Kind Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Freude am Leben.

Daran erkennen Sie, dass Ihr Kind in einer Umbruchphase ist

Typisch für diese Zeit des Umbruchs sind überzogener Egozentrismus und erhöhter Narzissmus der Pubertierenden. Der Heranwachsende bezieht alles auf sich, sieht nur sich selbst und lässt anderes und andere nicht gelten. Das äußert sich folgendermaßen:

  • Ihr Kind beweist wenig Kompromissfähigkeit. Es argumentiert dogmatisch und zeigt ein ausgeprägtes Schwarzweißdenken.
  • Ihr Kind kann sich einerseits in Größenphantasien verlieren, andererseits aber auch wieder in frühkindliche Formen von Bedürfnisbefriedigung (z.B. Kuscheln, emotionale Nähe) zurückfallen.
  • Nicht untypisch ist eine verstärkte Wendung nach innen verbunden mit Selbstzweifeln, Misstrauen, Minderwertigkeitsgefühlen, Zukunftsängsten oder Weltschmerz. Auch vor Ihnen oder Freunden kann sich Ihr Kind in dieser Zeit zurückziehen.