Hilfe, mein Teenager leidet unter Computersucht!

Sowohl Handy wie auch Computer lassen sich aus dem Alltag von Heranwachsenden kaum noch wegdenken. Doch wie sollten Eltern damit umgehen? Welche Regeln aufgestellt werden? 

Inhaltsverzeichnis

Computersucht in der Pubertät

Befragt man Jugendliche, so sind diese vom Computer fasziniert, ihm aber nicht verfallen. Befürchtungen und Horrorprognosen aus den 1980er Jahren, wonach der PC-Gebrauch zwangsläufig zu einer Verringerung sozialer Kontakte bei Pubertierenden führen muss, lassen sich für die Mehrzahl der Heranwachsenden nicht bestätigen.

Im Gegenteil: Die Computer-Kids sind zumeist eingebunden in die Gruppe Gleichaltriger, pflegen enge Freundschaften, tauschen sich aus und sind vielseitig interessiert.

Heranwachsende nehmen Computerspiele nicht wahl- und kritiklos an. Sie verfügen über fundierte Beurteilungskriterien bei den Spielgeräten.

Computerspiele als Hilfe zur Individualisierung bei Teenagern

Die Computerkultur von Jugendlichen hat aber noch eine weitere Funktion. Computerspiele bieten – wie Kleidung, Haarschnitt, Musikvorlieben oder sprachliche Rituale – eine Chance, sich nach außen, d.h. von Erwachsenen, abzusetzen, um sich damit gleichzeitig nach innen, bezogen auf die Gruppe der Gleichaltrigen, zu finden. Gute Computerspiele stellen eine Möglichkeit dar, sich eigener Qualifikationen zu versichern und sich einen Platz im System der Gleichaltrigen zu verschaffen. Darüber hinaus zeigen sich im Umgang mit den Computerspielen auch Spuren eines „neuen“ Alltags. Heranwachsende beherrschen das Spieleangebot besser und routinierter als Erwachsene, sie wissen um Vor- und Nachteile eines Produkts und setzen es entsprechend ein.

Die Macht-Ohnmacht-Relation, die manches Eltern-Kind-Verhältnis prägt, erhält beim Umgang mit dem Computerspiel Risse. So werden die Spiele seitens der Heranwachsenden nicht selten genutzt, um eine eigene Identität zu finden oder sich pädagogischer Bevormundung zu entziehen.

Mein Teenager leidet unter Computersucht

Viele Eltern befürchten, ihre Pubertierenden würden vom Computer abhängig. „Mein Kind ist computersüchtig“, sagte ein Vater neulich in einem Telefongespräch. „Er sitzt nur noch vor diesem Gerät, hat kein Interesse mehr an anderen Dingen.“ Die intensive Zuwendung zum Computer, die über Monate hin sich erstreckende zeitintensive Nutzung und die damit verbundene Selbstisolierung, können durchaus auch ein Hilfeschrei des Pubertierenden sein, mit dem er sich Aufmerksamkeit verschaffen und auf unbewältigte Probleme hinweisen will.

Wenn Pubertierenden keine anderen Freizeitaktivitäten offenstehen, insbesondere außerhäusliche Aktivitäten, wenn sie sich von Eltern, Geschwistern und Freunden isolieren, wenn sie entmutigt sind, über wenig Selbstwertgefühl bzw. -vertrauen verfügen und wenn der Computer zum Fluchtort wird, sollen Eltern nachdenklich werden. Dann gilt es, die Rahmenbedingungen der Nah- und Umwelt des Jugendlichen zu überprüfen. Die nachstehende Checkliste kann dabei behilflich sein.

Eine übermäßige und zeitintensive Nutzung des Computers kann hinweisen auf:

  • schulische Probleme (Überlastung, Überforderung, Versagensängste etc.),
  • Probleme mit Freunden,
  • fehlendes Urvertrauen, nicht vorhandenes Selbstwertgefühl, Entmutigung,
  • starke Spannungszustände bei gleichzeitig fehlendem Stressabbau,
  • unbefriedigende Eltern-Kind-Beziehung, Gleichgültigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie nicht vorhandene alternative Freizeitangebote.

   

Regeln für ein gelassenes Handeln beim Umgang mit Medien

Ich möchte ein paar Grundsätze formulieren, die Eltern beherzigen können, um dem Medienumgang ihrer pubertierenden Kinder mit Gelassenheit zu begegnen:

  • Machen Sie sich bewusst, aus welchen Motiven Ihr heranwachsendes Kind mit den Medien umgeht! Unterscheiden Sie beim Computer die intensive anfängliche Faszinationsphase sowie die Art und Weise, wie ein Pubertierender in späteren Phasen damit umgeht. „Zu viel Fernsehen“ oder „zu viel Computer“ – das Maß ist schwer zu bestimmen. Entscheidend ist die Motivation, mit der Jugendliche an die Medien herangehen. Werden sie zur Flucht, zur Selbstisolation benutzt, stellt schon eine sehr kurze Zeit ein Problem dar.
  • Kontrollieren Sie die Online-Nutzung! 

    Die größten Gefahren am Computer lauern im Netz, beispielsweise wenn sich Ihr Kind auf Seiten mit jugendgefährdenden Inhalten tummelt oder der Online-Spielsucht verfällt. Auch nicht ungefährlich sind Social Networks oder Chaträume – Stichwort: Cyber-Mobbing!

  • Sorgen Sie für reizvolle Alternativen! Heranwachsende brauchen Unmittelbarkeit, Anschaulichkeit, Bewegung und den Kontakt zu Gleichaltrigen. Deshalb muss sich der Mediengebrauch dem normalen Tagesablauf unterordnen und nicht umgekehrt. Bedenken Sie: Das Bedürfnis der Heranwachsenden nach Medien wird umso geringer, je intensiver sie andere Freizeitmöglichkeiten nutzen können.
  • Beobachten Sie Ihr Kind bei der Computernutzung! Wenn Ihr Kind sich dauerhaft und überaus intensiv mit einem Medium beschäftigt, sollten Sie das durchaus als Hilferuf deuten. Die Flucht in Medien kann ein Hinweis auf eine unbefriedigende Lebenssituation des Kindes sein.
  • Medienverbote helfen in der Regel wenig! Sie führen zu einem Machtkampf zwischen Eltern und Heranwachsenden fördern kindlichen Widerstand und Protest. Medienverbote führen vielmehr zur Heimlichkeit. Medien sollten weder als Belohnung noch zur Bestrafung benutzt werden, denn dadurch gewinnen sie an zusätzlicher Bedeutung.
  • Sie bestimmen den zeitlichen Rahmen! Kinder brauchen Eltern, die ihnen Zeit lassen, sich mit den Medien zu beschäftigen. Kinder brauchen auch Eltern, die Maßlosigkeiten bei der Computernutzung mit zeitlichen Grenzen einzuschränken wissen. Das gilt auch für den Gebrauch von Spielekonsolen oder des Fernsehens. Lassen Sie sich nicht durch das Argument verunsichern, dass alle anderen mehr dürfen. Bleiben Sie konsequent!
  • Je älter Ihr Kind ist, umso mehr Mitspracherecht braucht es! Orientieren Sie sich bei der Mediennutzung am Alter des Kindes: Ein Zehnjähriger braucht engere zeitliche Grenzen als ein Fünfzehnjähriger. Deshalb ist Medienerziehung niemals abgeschlossen, sondern sie verändert sich mit der Entwicklung des Heranwachsenden.
  • Reden Sie mit Ihrem Kind! Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Mediennutzung, und zeigen Sie echtes Interesse daran. Sagen Sie offen, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Äußern Sie Ihre Kritik als Ich-Botschaften. Vermeiden Sie Moralpredigten oder besserwisserische Belehrungen, und verzichten Sie auf Verbote, da sie in der Regel zu Heimlichkeiten führen.