Angst, Panik, Blackout: „Tricks“ gegen schwache Nerven in der Pubertät

Je näher eine Klassenarbeit oder eine mündliche Prüfung rückt, umso „zappeliger“ werden viele Schüler. In der Nacht vor der Prüfung raubt ihnen die steigende Nervosität den Schlaf, und am Morgen machen sich vielleicht schon erste kleine Paniksymptome bemerkbar. Steht die Prüfung dann unmittelbar bevor, zittern die Knie, die Hände sind schweißnass und der Kopf rauscht: Ein klarer Gedanke ist kaum noch möglich. So „hochgedreht“ ist es nur logisch, dass in der Prüfungssituation der Blackout kommen muss und alles Gelernte wie weggelöscht ist. Damit Ihrem Kind diese unangenehme Erfahrung möglichst erspart bleibt bzw. nicht allzu oft passiert, kann es sich mit den folgenden „Tricks“ und Hilfen dagegen wappnen. 

Inhaltsverzeichnis

Ruhig in der Prüfung

Blackouts können ganz plötzlich und unerwartet kommen, beispielsweise wenn Ihr Kind in der Klassenarbeit beim Durchlesen des Aufgabenzettels glaubt, dass es die Aufgaben nicht lösen kann. Je größer seine Angst in einem solchen Moment ist, umso stärker wird das Denken blockiert. Verantwortlich dafür ist das Hormon Adrenalin. In Stresssituationen produziert der Körper dieses Hormon und schickt es ins Gehirn. Dort blockiert es die Verbindungen zwischen den Nervenzellen und verhindert so das Denken. Diese körperliche Reaktion hat durchaus ihren Sinn, denn es gibt bedrohliche Situationen, in denen es wichtig ist, dass das Denken aus- und dafür das spontane Reaktionsvermögen eingeschaltet wird. Rast Ihnen zum Beispiel auf dem Bürgersteig ein Fahrradfahrer entgegen, spannen sich unmittelbar Ihre Muskeln an, und Sie springen schnell zur Seite. Würden Sie stattdessen erst über mögliche Handlungsalternativen nachdenken, lägen Sie vermutlich schon am Boden. Bei Prüfungen ist eine solche „Blackout-Reaktion“ des Körpers jedoch eigentlich völlig fehl am Platz. Denn eine Klassenarbeit ist ja keine lebensbedrohliche Situation, wohl aber eine Situation, in der Ihr Kind einen klaren Kopf braucht! Im Folgenden finden Sie einige „Tipps und Tricks“, mit deren Hilfe Ihr Kind entweder schon im Vorfeld einer Prüfung seine Nerven schonen oder auch in der akuten Blackout-Situation seine Panik wieder unter Kontrolle bringen kann.

Tipp 1: Unangenehme Körperreaktionen in der Pubertät bewusst wahrnehmen

Oft hilft es Schülern schon, wenn sie verstehen, dass ihre Angst eine ganz natürliche und biologisch wichtige Körperfunktion ist. Was die Angst oft allerdings zusätzlich unangenehm macht, sind die körperlichen Reaktionen, die damit verbunden sind. Sie sind jedoch wichtig, denn sie versetzen den Körper in die Lage, zum Beispiel schneller wegzulaufen oder in einer gefährlichen Situation sofort zu reagieren. Bei Gefahr

  • beschleunigt sich die Atmung, sodass die Muskeln mit mehr Sauerstoff versorgt werden, ?
  • wird das Blut dickflüssiger, sodass es bei einer Verletzung schneller gerinnen kann, ?
  • steigt die Körpertemperatur und man beginnt zu schwitzen, weil mehr Energie zum Flüchten oder Kämpfen freigesetzt wird, ?
  • spannen sich die Muskeln an, damit man schneller laufen oder sich wehren kann, ?
  • muss man auf die Toilette, um Ballast abzuwerfen und damit anschließend schneller rennen zu können, ?
  • wird das Denken vorübergehend ausgeschaltet, damit es sofortige (manchmal lebensrettende) Reaktionen nicht behindert.

Damit sich die Angst Ihres Kindes vor einer Prüfung nicht zu einem Blackout entwickelt, sollte es diese körperlichen Stressreaktionen nicht ignorieren. Besser ist es, wenn es die Bauchschmerzen vor der Englischarbeit akzeptiert und bewusst wahrnimmt. Dabei kann es sich entspannt auf seinem Stuhl zurücklehnen, ruhig ein- und ausatmen und dabei seinen Körper von oben nach unten durchchecken. Wie fühlt sich mein Kopf, mein Nacken, mein Bauch, meine Knie etc. an? Dadurch, dass Ihr Kind die unangenehmen Gefühle nicht verdrängt, werden sie zumindest nicht stärker. Meist verschwinden sie dann auch bald wieder.

Tipp 2: Rituale finden, die Ihrem Teenager Sicherheit geben

Rituale helfen, schwierige Situationen zu meistern. Einschlafrituale, wie zum Beispiel ein Lied singen, vorlesen etc., erleichtern es kleinen Kindern, die nötige Ruhe vor der Nacht zu finden. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem heranwachsenden Kind, welche Rituale ihm Sicherheit für eine bevorstehende Prüfung geben können. So könnte es zum Beispiel am Abend vor der Prüfung jedes Mal eine Runde Joggen gehen oder ein Entspannungsbad nehmen, am Morgen seinen Lieblingspulli anziehen und das immer gleiche Früchtemüsli essen. Auch das Verhalten vor und während einer Prüfung kann Ihr Kind sinnvoll ritualisieren. So wäre es zum Beispiel gut, wenn es unmittelbar vor einer Klassenarbeit mit seinen Mitschülern nicht mehr über die Inhalte der Arbeit redet und sich stattdessen in der Pause an einem geeigneten Ort entspannt. Während der Arbeit sollte Ihr Kind regelmäßig ein oder zwei Pausen einlegen, in denen es vielleicht immer einen Apfel isst oder eine Saftschorle trinkt. Solche oder ähnliche Rituale funktionieren wie Leitplanken links und rechts einer Straße. Sie bieten Ihrem Kind eine verlässliche Orientierung und somit Sicherheit, weil es genau weiß, wie es sich auch in kritischen Momenten verhalten kann.

Tipp 3: Ihr Teenager muss negative durch positive Gedanken ersetzen

Schüler mit schwachen Nerven machen sich oft zusätzlich vor Prüfungen verrückt, indem sie sich ständig die herannahende Katastrophe vor Augen führen. Glaubenssätze wie „Die nächste Englischarbeit werde ich bestimmt wieder ‚vergeigen‘“ oder „In der Mathe-Arbeitet morgen bekomme ich sowieso einen Aussetzer“ werden nicht selten zu selbsterfüllenden Prophezeiungen. Bestätigt sich dann das heraufbeschworene Übel, festigt dieses negative Erlebnis leider nur noch mehr die „Überzeugung“, ihr Leistungsvermögen in solchen Situationen nicht abrufen zu können. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass Ihr Kind nicht seine negativen, sondern seine positiven Gedanken stärkt! Das kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

  • So kann sich Ihr Kind bereits längere Zeit vor der Prüfung überlegen, wann und wo es schöne und gute Erfahrungen gemacht hat, an die es sich gerne erinnert, zum Beispiel beim Sport, mit der Musikband und natürlich auch in der Schule. Diese Erfahrungen, aber auch die Erinnerung daran, tragen dazu bei, dass sich Ihr Kind gut fühlt, und stärken so sein Selbstbewusstsein. Gerade weil negative Erfahrungen sich oft fester in das Gedächtnis graben als gute, ist es wichtig, dass Ihr Kind sich möglichst oft an die positiven Erlebnisse erinnert. Damit Ihr Kind diese Gedanken auch in Stresssituationen abrufen kann, sollte es sich zunächst in entspanntem Zustand (z.B. in einem gemütlichen Sessel) möglichst genau an eine solche ausgewählte Situation erinnern. Es sollte versuchen, in seiner Vorstellung alles so echt wie möglich wiederzuerleben, sich also genau in sein Gedächtnis rufen, was es in dieser Situation gehört, was es gesehen und wie es sich gefühlt hat. Ihr Kind kann dieser positiven Erfahrung ein Geheimwort geben. Mit etwas Übung befindet es sich dann auch später wieder mitten in dieser angenehmen Erfahrung, wenn es sich bewusst an das Geheimwort erinnert. Unmittelbar vor oder bei aufkommender Panik können ihm diese positiven Gefühle und Gedanken eine Hilfe sein.
  • Auch ein persönlicher Mutmacher-Satz kann Ihrem Kind helfen, negative Gedanken beiseitezuschieben und durch positive zu ersetzen. Dazu sollte es zunächst einen solchen Mutmacher-Satz selbst formulieren und aufschreiben. Wichtig ist, dass Ihr Kind dabei richtig formuliert, also das aufschreibt, was es möchte, und auf keinen Fall das, was es nicht möchte, zum Beispiel: „Ich bin locker und entspannt und kann mich in der Klassenarbeit gut konzentrieren!“ Vor der Arbeit sollte es sich diesen Satz mehrmals laut oder leise vorsagen – das gibt ihm Ruhe und Kraft, die bevorstehende Herausforderung zu meistern.

Tipp 4: Spannung aus dem pubertären Körper nehmen

Droht der Blackout, ist schnelle Hilfe gefragt. Bei Stress steigt der Puls, die Atmung wird schneller und flacher, Adrenalin wird ausgeschüttet, und die Muskeln spannen sich an. Mit diesen Reaktionen bereitet sich der Körper auf einen körperlichen Kampf oder schnelles Weglaufen vor, für das entspannte und ruhige Denken sind solche körperlichen Veränderungen jedoch nicht zu gebrauchen. Also muss Ihr Kind durch entsprechende Übungen seinen Körper möglichst bald wieder in den „Normalzustand“ versetzen. Gelingt ihm dies, reduziert sich auch die Adrenalinausschüttung. Bei der progressiven Muskelrelaxation wird durch die Konzentration auf den eigenen Körper sowie durch den Wechsel von Anspannung und Entspannung einzelner Muskelgruppen eine wohltuende körperliche und geistige Gesamtentspannung erreicht. Die Technik der progressiven Muskelentspannung muss Ihr Kind ein wenig üben, es sollte dabei schrittweise vorgehen. Die Muskelentspannung sollte außerdem durch die beschriebene Atemübung unterstützt werden. Die Übung sollte möglichst im Liegen, unmittelbar vor einer Klassenarbeit aber natürlich auch im Stehen oder Sitzen durchgeführt werden. Die einzelnen Körperpartien können am besten folgendermaßen angespannt werden …

  • Beine und Füße: Beine strecken, Waden in den Boden drücken, Füße anziehen und Zehen spreizen ?
  • Bauch, Becken und Gesäß: Bauch anspannen und Gesäß- Beckenboden zusammenkneifen ?
  • Arme und Hände: Fäuste vor der Brust ballen und zu den Schultern ziehen ?
  • Hals, Nacken und Schultern: Kopf vom Boden abheben und Schultern nach hinten ziehen ?
  • Gesicht: Stirn in Falten legen, Nase rümpfen, Kiefer zusammenbeißen und Lippen aufeinanderpressen ?
  • Alle Muskelgruppen: Zum Abschluss können alle Muskelgruppen auf einmal angespannt werden.

Bevor Ihr Kind mit der Muskelrelaxation beginnt, sollte es einige Male ruhig atmen. Während der Übung ist es sinnvoll, die Anspannung mit maximaler Kraft einige Sekunden zu halten, dann plötzlich zu lösen und anschließend die Entspannung mit geschlossenen Augen etwas länger zu genießen.

Tipp 5: Mit der Egal-Haltung nimmt Ihr Teenager der Situation die Dramatik

Je mehr sich Ihr Kind in seine Panik hineinsteigert und je mehr es bei einer beginnenden Denkblockade zwanghaft versucht, die Herrschaft über seinen Denkapparat wiederzugewinnen, umso schlimmer wird es meist. Eine weitere Möglichkeit für Ihr Kind, wieder zu sich zu kommen und sich zu entspannen, ist, der Situation die Dramatik zu nehmen und so nach und nach seine Körperfunktionen wieder zu normalisieren.

Manchmal kann es helfen, wenn Ihr Kind die große Last, unbedingt Leistung zeigen zu müssen, bewusst eintauscht gegen eine „Egal-Haltung“. Hierbei können Sie es natürlich auch als Eltern gut unterstützen: Erklären Sie Ihrem Kind, dass von der nächsten Englischarbeit nicht seine gesamte berufliche Zukunft abhängt, dass eine Klassenarbeit anteilig nur wenig zur Gesamtnote am Schuljahresende beiträgt, dass Sie Ihr Kind auch mit einer 5 in Englisch noch genauso lieb haben – und dass es deshalb wirklich egal ist, welche Note es in der bevorstehenden Arbeit schreiben wird!