Umgang mit respektlosen Teenagern: So reagieren Sie richtig!
- Respekt während der Pubertät: Eltern sind das wichtigste Vorbild!
- Fehlender Respekt des Pubertierenden ist oft hausgemacht!
- Wie vermeiden Sie die Laisser-faire-Haltung in der Pubertät?
- Fehlende Grenzen fördern „falsches“ Verhalten des Teenagers
- Auch dieses Erziehungsverhalten fördert die Respektlosigkeit von Jugendlichen
- Deuten Sie Grenzüberschreitungen und respektloses Verhalten richtig
- Weisen Sie Entwürdigungen und Beleidigungen entschieden zurück!
Respekt während der Pubertät: Eltern sind das wichtigste Vorbild!
Manch einem Erwachsenen stellen sich die Nackenhaare auf, wenn man zum Beispiel auf den Schulbus wartenden Schülern zuhört und zuschaut: Beleidigungen, Rempeleien, Tritte gegen Schultaschen etc. – manches mag vielleicht sogar „lustig“ gemeint sein, respektvoll ist es allemal nicht! Leider stehen bei solchen Bemerkungen nicht allen Erwachsenen die Haare zu Berge, denn mal ehrlich: Respektloses Verhalten können Kinder und Jugendliche nicht selten auch bei Erwachsenen beobachten. Dass Erwachsene sich ihnen gegenüber respektlos verhalten, haben viele Jugendliche außerdem schon selbst erfahren, zum Beispiel durch abschätzige Bemerkungen von Lehrern, genervte Blicke an der Supermarktkasse oder offen aggressives Verhalten.
Denken Sie daran, dass Sie als Eltern für Ihr Kind immer die erste Orientierungsinstanz sind. Auch wenn Ihr pubertierendes Kind manchmal den Eindruck entstehen lässt, dass es ihm völlig egal ist, was Sie denken, sagen oder tun, so stimmt das nicht! Bis zur Pubertät hatte Ihr Kind bereits viel Zeit, genau zu beobachten und zu lernen, wie Sie sich anderen Menschen gegenüber verhalten und wie viel Respekt Sie zeigen. In der Pubertät wird Ihr Kind mit seinem wachsenden kritischen Bewusstsein und seiner Diskutierfreudigkeit erneut Ihre innere Haltung und Ihre moralischen Überzeugungen auf den Prüfstand stellen wollen.
Sind Sie offen für solche Gespräche, dann bietet das Themenfeld „Respekt“ genügend Stoff für intensive und abendfüllende „Auseinandersetzungen“ mit Ihrem heranwachsenden Kind. Wer oder was verdient (besonderen) Respekt? Wie zeige ich anderen Menschen, dass ich sie respektiere? Wie kann ich mich verhalten, wenn mir jemand respektlos begegnet? Respekt und Toleranz – Gemeinsamkeiten und Unterschiede?! Und, und, und… Genauso wichtig wie diese Gespräche ist aber, dass Ihr Kind durch Ihr konkretes Handeln erfährt, dass Sie andere Menschen und auch Ihr Kind mit Respekt behandeln. Durch Sie, seinem wichtigsten Vorbild, lernt Ihr Kind, sich in die Gefühle anderer Menschen hinein zu versetzen und so zu spüren, wann sich ein Mensch respektvoll oder abschätzig behandelt fühlt.
Fehlender Respekt des Pubertierenden ist oft hausgemacht!
Es ist aber auch gut möglich, dass Ihr Kind trotz Ihrem bemühten Vorbild respektloses Verhalten zeigt. Doch auch dann, sollten Sie die Gründe dafür nicht nur in dem außerhäuslichen Umfeld Ihres Kindes suchen. Es wäre oberflächlich, die Entstehungsbedingungen für fehlenden Respekt ausschließlich „bei anderen“ – der Schule, der Gesellschaft oder den Medien – zu suchen. Wenn Kinder keine Achtung, kein Mitgefühl zeigen, kann ein Blick auf das „Bankkonto der Erziehung“ aufschlussreich sein. Fehlender Respekt und mangelnde Empathie bei Kindern können sich ergeben aus:
- einer Laisser-faire-Haltung in der Erziehung, die ein Kind als Gleichgültigkeit wahrnimmt
- einem inkonsequenten Erziehungsstil, bei dem Zuckerbrot und Peitsche nebeneinander stehen und der beim Kind das Gefühl des Ausgeliefertseins hinterlässt
- einer falschen Erwartungshaltung an den Jugendlichen, die ihn intellektuell überfordert und emotionale Bedürfnisse uneingelöst lässt
- einem überbehütenden Erziehungsstil, der dem Teenager keine Eigenständigkeit zubilligt und es damit in Abhängigkeit von den Eltern hält und in seiner Entwicklung einengt.
Wie vermeiden Sie die Laisser-faire-Haltung in der Pubertät?
Wie Beispiele aus meiner Praxis zeigen, sind Kinder und Jugendliche auf der Suche nach Halt und Orientierung. Bei der Laisser-faire-Erziehung fehlt jedoch beides. Es gibt keine stabilen Grenzen, die von den Eltern „verteidigt“ oder klare Konsequenzen, mit denen Grenzüberschreitungen geahndet werden. Selbst wenn Teenager durch ihr respektloses Verhalten eine solche Grenze überschreiten und Konsequenzen einfordern, erschöpft sich das Verhalten der Eltern oft nur in Schreien und Verzweiflung. Ein „Nein“ muss verlässlich sein! Wer seinem Kind immer wieder nachgibt unterstützt das respektlose Verhalten, hält aber das, was der Pubertierende wirklich will, nämlich echte Zuwendung und Interesse der Eltern, emotionale Nähe und Schutz, die sich manchmal eben auch durch ein entschiedenes „Nein“ beweisen würden, zurück.
Fehlende Grenzen fördern „falsches“ Verhalten des Teenagers
So wie die Überbehütung nur räumliche Enge und körperliche Nähe zulässt und damit Eigenständigkeit und Autonomie unterbindet, so bietet der Laisser-faire-Stil hinter der – aus elterlicher Sicht – vermeintlich unbegrenzten großen Freiheit unpersönliche Distanz und eine – für das Kind – unüberschaubare Weite. Beides, die fehlende Emotionalität und die fehlende Orientierung können in dem Jugendlichen Verlassenheitsängste und Einsamkeit aufkommen lassen. Werden diese unerträglich, so kann der Heranwachsende offenen Widerstand, zerstörerische Aggressivität, Übermotorik oder Distanzlosigkeit zeigen. Ihr Kind nimmt dafür sogar in Kauf, dass Sie ihn „nicht mögen“. Solche Verhaltensweisen sind Ausdruck einer verzweifelten Suche nach Halt und Orientierung, nach Standort und Standpunkt, nach Sinn und Nähe.
Auch dieses Erziehungsverhalten fördert die Respektlosigkeit von Jugendlichen
Typisch für einen Erziehungsstil à la „Zuckerbrot und Peitsche“ ist die Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens. Ihr Kind kann bei einer solchen Erziehung nicht verlässlich vorhersagen, wie seine Eltern auf sein Verhalten reagieren – mal mit (übertriebener) Zuwendung, mal mit (heftigen) Sanktionierungen. Fehlt Jugendlichen die Sicherheit in der Einschätzung seiner nächsten Bezugspersonen, weil die Grenzen ständig wechseln, fehlt ihnen auch die Sicherheit im eigenen Handeln. Diese fehlende Selbstsicherheit kann sich zum Beispiel durch Flucht in Computer- oder Filmwelten äußern. Durch die Überidentifikation mit den omnipotenten Medienhelden gleichen Jugendliche dann eigene Defizite und Unsicherheiten aus. Antisoziale, also auch respektlose Verhaltensweisen auf Grund ihres fehlenden Selbstwertgefühls sind bei Jugendlichen, die mit diesem Erziehungsstil groß werden, eine logische Folge. Zerstörerische und unsoziale Verhaltensweisen von Pubertierenden müssen in diesem Zusammenhang als verzweifelter Hilfeschrei nach Halt, Schutz und Orientierung verstanden werden.
Mein Rat: Vereinbaren Sie „logische Konsequenzen“ für Grenzüberschreitungen!
Vereinbaren Sie „logische Konsequenzen“ für Grenzüberschreitungen! Verlässlich und berechenbar werden Sie für Ihr Kind dann, wenn es die Grenzen kennt innerhalb derer es sich bewegen kann und bereits im Vorhinein genau weiß, welche Konsequenzen folgen, wenn es diese Grenzen überschreitet. Achten Sie darauf, dass diese Konsequenzen von ihrem Kind nicht als willkürliche Bestrafung sondern als logische Folge aus seinem Fehlverhalten akzeptiert wird. Kommt Ihr Kind zum Beispiel regelmäßig zu spät am Abend nach Hause, dann wäre eine logische Konsequenz, dass der nächste abendliche Ausgang jedes Mal gestrichen wird, wenn Ihr Kind wieder zu spät war. Nur so dienen Konsequenzen der positiven Entwicklung Ihres Kindes.
Deuten Sie Grenzüberschreitungen und respektloses Verhalten richtig
Grenzüberschreitungen und respektloses Verhalten (als eine Variante der Grenzüberschreitung) deuten auch immer daraufhin, dass Ihr Kind seine Beziehung zu Ihnen überprüft. Kinder und Jugendliche testen – mal mehr, mal weniger – durch Versuch und Irrtum, wie weit Sie bei Ihren Bezugspersonen gehen können, wann die Grenzen der Belastbarkeit in Ihrer Beziehung erreicht sind. Ihr Kind ist dann auf der Suche nach eindeutigen Rückmeldungen und erkennbaren Grenzen. Sicher müssen sie mit zunehmendem Alter Ihres Kindes einige Grenzen neu überdenken und anders setzen, doch hier ist Ihr Kind auf der Suche nach Klarheit, Zuverlässigkeit und Orientierung.
Weisen Sie Entwürdigungen und Beleidigungen entschieden zurück!
Wenn Ihr Kind Sie verbal angreift und dabei beleidigt und entwürdigt, dann müssen Sie sofort handeln. Nehmen Sie Beleidigungen kommentarlos hin, dann verstärken Sie diese. Mitunter können Ignorieren und Überhören ein pädagogisches Mittel im spielerischen Umgang mit Grenzüberschreitungen sein. Schleudert Ihr Kind Ihnen aber entwürdigende Beleidigungen entgegen, dann deutet Ihr Kind Ihre Kommentarlosigkeit als Gleichgültigkeit und Aufforderung zum Weitermachen. Aggressives Verhalten gegen Sachen und Personen können sich so verstärken. Gleiches gilt auch, wenn Ihr Kind andere Familienmitglieder, Freunde, Bekannte oder Fremde beleidigt, die sich nicht entschieden dagegen wehren. Auch hier müssen Sie eingreifen und Ihrem Kind unmissverständlich deutlich machen, dass sein respektloses Verhalten nicht geduldet wird. Aus lerntheoretischen Untersuchungen weiß man, dass die Bereitschaft, andere Menschen zu verletzen und zu zerstören, dann gegeben ist, wenn das Opfer zuvor entwürdigt wurde. Nichtstun oder Ignorieren würde es Ihrem Kind also erleichtern, seine Aggressionen ungehemmt auszuleben. Damit würden Sie aber, sicher ungewollt, einen Beitrag zur Missachtung der eigenen Person leisten.
Daher: Weisen Sie alle Entwürdigungen und Beleidigungen Ihres Kindes entschieden zurück! Sagen Sie zum Beispiel: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir redest! Höre sofort damit auf, du verletzt mich damit!“
Expertenrat von Dr. Jan-Uwe Rogge, Familienberater und Bestsellerautor