Heilende Hände: Osteopathie und Craniosacrale-Therapie

„Nur“ eine Berührung an der richtigen Stelle – und die Beschwerden lösen sich in Luft auf. Diese nebenwirkungsfreie und schmerzlose Therapie, ob Osteopathie oder Craniosacrale-Therapie, kann gerade bei Babys Verblüffendes leisten. Lesen Sie hier, wann welche Methode angebracht ist und wie Sie einen guten Therapeuten für Ihr Kind finden. 

Inhaltsverzeichnis

Die Grundlagen der Osteopathie

Im Jahr 1864 sterben drei Kinder des amerikanischen Arztes Andrew Taylor Still an Rückenmarkshautentzündung. Der verzweifelte Vater kann ihnen nicht helfen und verliert seinen Glauben an die Medizin. Still beginnt, nach neuen Behandlungsansätzen zu suchen: Er erforscht das Zusammenspiel der Knochen sowie die Mechanik von Muskeln und Sehnen. Außerdem führt er Blutuntersuchungen durch und erkennt, wie wichtig funktionierende Gefäßsysteme sind. Dabei stellt Still fest, dass den kranken Menschen der sanfte Druck seiner untersuchenden Hände gut tut – die Osteopathie ist geboren.

Die Osteopathie ist eine ganzheitliche Heilmethode, die die Überzeugung vertritt, dass im Körper alles mit allem zusammenhängt. Es ist wie bei einem Uhrwerk mit vielen Rädchen, die alle miteinander verzahnt sind: Ist auch nur ein winziges Rädchen defekt, geht die Uhr verkehrt oder überhaupt nicht mehr. Dabei gleicht es einer wahren Detektivarbeit, das kaputte Rädchen im Mechanismus zu finden und den Schaden zu beheben.

Vielleicht kennen Sie Ähnliches aus eigener Erfahrung: Sie haben etwa einen verstauchten Knöchel und schonen diesen, indem Sie hinken. Dabei belasten Sie vermehrt das andere Bein, und auch das Becken gerät in eine Schieflage. Durch das Hinken bewegen Sie sich mit einer unnatürlichen Drehung über die Hüfte fort, die sich bis in die Halswirbelsäule fortsetzt. Diese muss sich nämlich in die Gegenrichtung drehen, um das körperliche Gleichgewicht zu halten. Wird dabei ein Nerv beeinträchtigt, können daraus eventuell Kopfschmerzen entstehen, die selbst dann noch anhalten, wenn der Knöchel längst wieder in Ordnung ist.

Zur Ermittlung der wahren Ursache der Beschwerden untersucht der Therapeut daher immer den ganzen Körper, da die Ursache der Beschwerden weit entfernt von dem Ort liegen kann, an dem das Problem dann sichtbar wird. Ziel des Therapeuten bei Osteopathie ist es, die Ursache körperlicher Probleme zu finden und aufzulösen.

Die Grundlagen der Craniosacrale-Therapie

Die Craniosacrale-Therapie ist quasi die „kleine Schwester“ der Osteopathie. Sie entstand in den 20er Jahren. Ihre Grundlagen gehen auf den amerikanischen Osteopathen Dr.William Garner Sutherland zurück. In den 70er Jahren wurde sie von dem Chirurgen und Osteopathen Dr. John E. Upledger weiterentwickelt.

Wie der Name schon sagt, liegt der Schwerpunkt der Craniosacrale- Therapie auf dem Bereich zwischen Schädel (Cranium) und Kreuzbein (Sacrum). Dahinter steht die Theorie, dass das Gehirnwasser (Liquor), das Gehirn und Rückenmark umgibt, zwischen diesen beiden Polen zirkuliert und dabei 8- bis 12-mal in der Minute rhythmisch pulsieren soll. Dieser „craniosacrale“ Rhythmus soll sich wellenförmig über den ganzen Körper ausbreiten. Bestehen Störungen wie etwa Fehlhaltungen (z. B. Schiefhals bei Babys), kommt es auch zu einer Störung des craniosacralen Rhythmus, die der Therapeut mit seinen Händen ertasten kann. Ziel jeder craniosacralen Behandlung ist es, den normalen Rhythmus wieder herzustellen und den Körper ins Gleichgewicht zu bringen.

Wie läuft die Behandlung bei Kindern ab?

Sowohl die Osteopathie als auch die Craniosacrale-Therapie sind ideal für Kinder geeignet. Die Behandlung ist meist sanft und immer schmerzfrei. Oft schlafen Babys während der Behandlung sogar ein. Die Therapie ist nebenwirkungsfrei und kommt ohne Medikamente aus.

Osteopathen behandeln den ganzen Körper einschließlich aller Organe, während sich Craniosacral-Therapeuten auf Kopf, Hals und Wirbelsäule konzentrieren. Ansonsten unterscheidet sich die Art der Behandlung jedoch nicht. Therapeuten beider Richtungen arbeiten sowohl zur Diagnostik von Störungen als auch zu deren Behandlung ausschließlich mit ihren Händen. Oft sind die heilenden Berührungen so sanft, dass der kleine Patient sie gar nicht bemerkt. Gelegentlich sind auch kräftigere Griffe nötig, um Haut und Gewebe an bestimmten Körperstellen seitlich zu verschieben.

Osteopathie und Craniosacrale-Therapie eignen sich nicht zur notfallmäßigen Behandlung bedrohlicher Erkrankungen! Beide Therapiemethoden setzen sowohl beim Behandler als auch beim Patienten und seinen Eltern eine Portion Geduld voraus. Der Therapeut erspürt mit seinen Händen diejenigen Stellen, die verkrampft, verschoben, verletzt, verhärtet, vernarbt oder anderweitig beeinträchtigt sind. An diesen Stellen bringt er seine Hände in Position und gibt dem Körper des Patienten eine Anregung zur Selbstheilung, indem er ihn durch gezielte Berührungen dazu bringt, Fehlhaltungen aufzugeben und stattdessen eine neue, gesündere Haltung einzunehmen.

Die gegebenen Impulse veranlassen den Körper, sich neu auszurichten. Da dies eine gewisse Zeit erfordert, erfolgen die Behandlungen oft im Abstand von einem Monat. Je nach Krankheitsbild reichen meist fünf bis zehn Sitzungen aus.

Welche Methode bei welchen Beschwerden?

Osteopathen sind grundsätzlich in der Lage, alle craniosacralen Techniken anzuwenden, während sich Craniosacrale- Therapeuten auf Kopf und Wirbelsäule beschränken. Die Craniosacrale-Therapie kann ein Einstieg in die Behandlung sein, bei Problemen im Bereich von Kopf und Wirbelsäule reicht sie aber meist aus. Hierzu zählen z. B.

  • anhaltendes Schreien (so genannte Schreibabys) insbesondere nach Geburt mit der Zange oder Saugglocke, wobei die Vorstellung beim Osteopathen/Craniosacrale- Therapeuten bei Zangen- oder Saugglocke-Geburten grundsätzlich empfehlenswert ist!
  • Schielen
  • Schädeldeformitäten bei Säuglingen
  • Konzentrationsstörungen
  • KISS-Syndrom (Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung, ein bei Babys auftretendes Krankheitsbild mit Schiefhaltung des Kopfes und anderen Bewegungsauffälligkeiten, das jedoch nicht von allen Ärzten anerkannt wird)
  • Atem-, Saug- und Schluckprobleme
  • Hüftdysplasie (erblich bedingte, meist bei Mädchen auftretende Unterentwicklung der Hüftpfanne)

Alle aufgezählten Probleme können ebenso gut durch Osteopathie behandelt werden. Diese ist außerdem immer dann die Therapie der Wahl, wenn zusätzlich Organe betroffen sind. Behandelt werden können z. B.

  • Dreimonatskoliken
  • Speien, Erbrechen im Schwall
  • Schiefhals
  • Asymmetrien
  • Atmungsprobleme bei Frühgeborenen
  • Geburtsverletzungen aller Art
  • Hodenhochstand

Doch nicht nur Babys sind beim Osteopathen oder Craniosacrale- Therapeuten gut aufgehoben. Auch Klein- und Schulkinder können sehr erfolgreich behandelt werden. Bei chronischen oder chronisch wiederkehrenden Erkrankungen (z. B. Mittelohrentzündungen oder Bronchitiden), aber auch bei allergischen Beschwerden, Kopfschmerzen, Haltungsfehlern, Epilepsie, Verhaltensstörungen oder Hyperaktivität können allein oder in Kombination mit anderen Therapiemethoden gute Erfolge erzielt werden.

So finden Sie einen guten Therapeuten

Weder der Begriff „Osteopath“ noch der Begriff „Craniosacrale- Therapeut“ sagen etwas über die tatsächliche Qualität des Behandlers aus, da beide nicht geschützt sind. Der Ausbildungsstand und die Erfahrung des Therapeuten können daher recht unterschiedlich sein. Bei den Osteopathen gibt es folgende aussagekräftige Qualifikationen:

  • Diplom-Osteopath (D.O.): Dieser Titel wird nach einer 5-jährigen berufsbegleitenden Ausbildung verliehen, die nur absolviert werden kann, wenn man bereits Arzt, Heilpraktiker oder Physiotherapeut ist. Ärzte und Heilpraktiker können selbstständig behandeln, während Krankengymnasten nur auf Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers osteopathisch arbeiten dürfen.
  • Mitglied im Register der Osteopathen Deutschlands (M.R.O.): In dieses Register werden nur hauptberuflich arbeitende Therapeuten mit anerkannter Ausbildung aufgenommen.

Wenn Sie einen Osteopathen in Ihrer Nähe suchen, hilft Ihnen der Verband der Osteopathen Deutschland e.V. (VOD e.V.)

Untere Albrechtstr. 15

D-65185 Wiesbaden

Telefon 0611/9103661

Fax 0611/9103662

Internet: www.osteopathie.de

Die Ausbildung zum Craniosacral-Therapeuten ist nicht geregelt. Manche Behandler haben eine Ausbildung bei praktizierenden Therapeuten absolviert, andere eventuell nur einen Wochenendkurs belegt. Fragen Sie unbedingt nach, wo der Therapeut seine Berufsausbildung gemacht hat und ob er über langjährige Erfahrung verfügt. Er sollte sinnvollerweise einen Heilberuf wie Heilpraktiker oder Krankengymnast erlernt haben.

Hilfe bei der Suche nach einem seriösen Craniosacrale- Therapeuten in Ihrer Nähe erhalten Sie bei den beiden folgenden Verbänden:

  • Deutscher Craniosacral Verband

    Pabostr. 21

    D-85296 Rohrbach

    Telefon 08442/95 84 75

    Fax 08442/9 55 98 50

    Das Büro ist dienstags von 10.00 bis 12.00 Uhr

    und donnerstags von 16.00 bis 18.00 Uhr besetzt.

    Internet: www.cranioverband.de
  • Gesellschaft für ganzheitliche Gesundheitsberatung e.V.

    Schule für integrative Körper- und Psychotherapie

    Kirchenstr. 1

    D-85540 Haar

    Telefon & Fax 089/4 60 62 62

    Das Büro ist dienstags und donnerstags jeweils von 10.00 bis 11.30 Uhr besetzt.

    Internet: www.craniosacrale-traumatherapie.de

Gesetzliche Kassen übernehmen die Kosten nicht

Bisher gibt es weder für die Osteopathie noch für die Craniosacral-Therapie wissenschaftliche Beweise, die deren Wirksamkeit durch Studien abgesichert belegen können. Daher übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten in der Regel nicht. Bei privaten Versicherungen werden diese manuellen Verfahren meist erstattet, jedoch ist das auch vom jeweiligen Vertrag abhängig. Für eine osteopathische Behandlung Ihres Kindes müssen Sie mit Kosten von 60 bis 80 rechnen, in Großstädten teilweise sogar noch etwas mehr. Eine Craniosacrale-Therapie schlägt mit etwa 40 bis 60 zu Buche.

Zum Weiterlesen: „Osteopathie: So hilft sie Ihrem Kind“ von Christoph Newiger und Birgit Beinborn (Trias Verlag 2000; 159 Seiten; 17,95 €). Zum Thema Craniosacral-Therapie gibt es kein spezielles Buch über die Behandlung von Kindern. Einen guten Einstieg bietet Ihnen „Auf den inneren Arzt hören“ von John E. Upledger (Hugendubel 2004; 191 Seiten; 19,95 €).