Hochbegabung testen? Das sollten Sie unbedingt wissen!

Hochbegabte Kindern sind für Eltern und Lehrer schwer zu erkennen. Besonders intelligente Babys kommen auch nicht auf die Welt und können bereits rechnen oder schreiben. Erfahren Sie, wie Sie Anzeichen erkennen und wann sich ein Test lohnt.  

Inhaltsverzeichnis

Nicht immer ist es AD(H)S

Leon ist vom Unterricht gelangweilt und beginnt nach einigen Wochen, laut Selbstgespräche zu führen, Sarina ist in der Schule dermaßen unterfordert, dass sie aggressiv wird und ihre Enttäuschung zu Hause rauslässt. Beide Kinder sind einfach frustriert, doch weder Eltern noch Lehrer deuten das richtig. Das Verhalten der Kinder wird immer auffälliger. Endlich suchen die Eltern eine Erziehungsberatungsstelle auf und lassen ihren Nachwuchs testen. Eigentlich besteht bei beiden Verdacht auf AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom), aber die Tests offenbaren Erstaunliches.

Sowohl Leon als auch Sarina sind hochbegabt und fühlen sich in der Schule total unterfordert. Ihr auffälliges Verhalten hat nichts mit AD(H)S zu tun, obwohl sich die Diagnosen nicht immer ausschließen. Sarina, die sich nicht traut, im Unterricht ihre Enttäuschung und Langeweile zu zeigen, reagiert sich zu Hause ab. Sie verweigert die Hausaufgaben, tobt und flippt bei Kleinigkeiten aus. Leon hingegen unterhält sich selber im Unterricht, indem er Geschichten erfindet. Erst spricht er nur leise zu sich selbst, mit der Zeit redet er laut vor sich hin. Die Klasse hat er dabei ausgeblendet. Beide Kinder haben individuelle Wege gesucht, um ihrer unerfreulichen Lernsituation zu entkommen. Das hatte bisher niemand erkannt.

Ich bin hochbegabt?

Genau da liegt natürlich auch das Problem. Hochbegabte Kinder wissen nicht, dass sie intellektuell mehr können als andere. Sie empfinden sich als Außenseiter und merken irgendwann, dass sie etwas von den Anderen unterscheidet. Manche stellen sich dann dumm, um nicht ausgegrenzt zu werden. Andere wollen sich nicht anpassen und werden aggressiv oder auffällig. Nur durch die Akzeptanz ihrer außergewöhnlichen Begabung durch Eltern und Schule und durch eine individuelle Förderung ihrer Fähigkeiten können sie ihre Begabung entfalten und genießen. Mit der folgenden Checkliste können Sie erkennen, ob es bei Ihrem Kind Hinweise auf eine vorliegende Hochbegabung gibt.

Checkliste: Ist Ihr Kind hochbegabt? 
1.Hat Ihr Kind nach der Geburt sehr schnell den Augenkontakt gesucht? Normalerweise geschieht das erst nach einigen Wochen. 
2.Hat Ihr Kind ein ungewöhnliches Schlafverhalten? Einige Hochbegabte schlafen sehr wenig, andere extrem viel. 
3.Hat Ihr Kind den Kindergartenbesuch (vordergründig grundlos) oft verweigert? 
4.Hat Ihr Kind eine Entwicklungsphase übersprungen, zum Beispiel das Krabbeln oder die Babysprache? 
5.Hat Ihr Kind vergleichsweise früh gesprochen (schon im ersten Lebensjahr) oder ungewöhnlich schnell (im zweiten Lebensjahr) in ganzen Sätzen grammatikalisch weitgehend richtig gesprochen? 
6.Hat Ihr Kind ein außerordentlich gutes Gedächtnis, und überrascht es Sie immer wieder mit seinen detaillierten Erinnerungen? 
7.Hat Ihr Kind schon sehr früh, etwa im dritten Lebensjahr, Interesse an Buchstaben und Zahlen gezeigt und diese gelernt bzw. sich selbst beigebracht? 
8.Ist Ihnen aufgefallen, dass Ihr Kind eine sehr detaillierte Beobachtungsgabe hat? 
9.Ist Ihr Kind sehr kreativ und fantasievoll? Hatte oder hat es vielleicht einen imaginären Freund? 
10.Hat Ihr Kind eher Schwierigkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu befreunden? Hat es hauptsächlich ältere Freunde? 
11.Hat Ihr Kind Schwierigkeiten, sich in eine Gruppe von Gleichaltrigen zu integrieren, ist es ein so genannter „Besserwisser“? 
12.Ist Ihr Kind in der Schule sehr verträumt, bekommt es aber überraschenderweise trotzdem noch einiges vom Unterricht mit? 
13.Ist Ihr Kind in der Schule aggressiv, oder gibt es auch mal gerne den Klassenclown? 
14.Kommt Ihr Kind zunehmend genervt und wütend aus der Schule? 
15.Wird Ihr Kind, oft ein Signal bei hochbegabten Mädchen, immer stiller und zieht es sich vom Unterricht und den Klassenkameraden zurück?

Auswertung:

Nicht alle Merkmale weisen immer auf eine Hochbegabung hin, und nicht alle Hochbegabten zeigen unbedingt die klassischen Verhaltensweisen. Dazu kommt, dass jedes Kind anders ist und seine individuelle Persönlichkeit auch Einfluss auf seine Begabung hat. Trotzdem deutet eine Häufung von Ja-Antworten in dieser Checkliste darauf hin, dass ein Kind hochbegabt sein könnte. Wenn Sie mehr als acht von den 15 Fragen mit „ja“ beantwortet haben, besteht die Möglichkeit, dass Ihr Kind hochbegabt ist. Lesen Sie weiter, was das für es bedeuten kann.

Test auf Hochbegabung: Ja oder Nein?

Wenn Ihr Kind im Kindergarten oder in der Schule gute Leistungen erbringt, sozial unauffällig ist und keine Verhaltensauffälligkeiten zeigt, besteht kein Grund zu einem Test auf Hochbegabung. Möglicherweise gehört Ihr Kind dann zu den Hochbegabten, die weitgehend entspannt und störungsfrei mit ihrer Begabung umgehen können. Wenn Sie allerdings die letzen vier Fragen unserer Checkliste mit „ja“ beantwortet haben, ergeben sich im Kindergarten, in der Schule oder im Lern- und Sozialverhalten Ihres Kindes immer wieder schwierige Situationen. Die Ursachen dafür sollten Sie klären, am besten durch einen offiziellen Test bei Fachleuten. Die folgenden Voraussetzungen sollten dabei erfüllt sein:

  • Ihr Kind sollte mindestens vier, besser fünf Jahre alt sein.
  • Ihr Kind sollte keine Angst haben, wenn es für etwa eine halbe Stunde alleine bei einer fremden Testperson bleibt.
  • Ihr Kind muss die Testperson akzeptieren, sich also auf den Menschen einlassen.
  • Ihr Kind muss in der Lage sein, mindestens eine halbe Stunde lang stillzusitzen und sich zu konzentrieren.

Hier können Sie Ihr Kind testen lassen

Sowohl die Tagesform Ihres Kindes als auch die Testatmosphäre können auf das Ergebnis Einfluss haben. Sprechen Sie es also unbedingt an, wenn Ihr Kind ungewöhnlich still oder aufgedreht ist, sich krank fühlt oder sich anders verhält als sonst. Der Test kann dann verschoben oder eventuell wiederholt werden. Den Intelligenztest können Sie von den folgenden Stellen durchführen lassen:

Mein Tipp
Hochbegabung löst oft Unbehagen und Neid bei Anderen aus. Daher schweigen viele Eltern von hochbegabten Kindern so lange wie möglich. Besser ist es, das Thema und auch die damit vorhandenen Schwierigkeiten offen anzusprechen. Diese werden von Nichtbetroffenen häufig nicht gesehen. 
  • in Erziehungsberatungsstellen,
  • im Staatlichen Schulamt bzw. bei den Schulpsychologinnen

    und Schulpsychologen,
  • in Sozialpädiatrischen Zentren,
  • bei Psychologinnen und Psychologen in freier Praxis,
  • bei Psychiaterinnen und Psychiatern,
  • bei besonders qualifizierten pädagogischen Praxen,
  • in speziellen Beratungsstellen für Hochbegabte.

Was sagt der IQ-Test aus?

So unterschiedlich Kinder sind, so verschieden sind auch die Ausprägungen von Hochbegabung. Ermittelt werden die Begabungsschwerpunkte (sprachlich, logisch und je nach Test auch weitere), die Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie das bereits erworbene Wissen. Ab einem IQ von 130 wird der Begriff hochbegabt verwendet. Der Mittelwert der Intelligenzmessung liegt bei einem IQ von 100, es gibt also viele Kinder, die im erhöhten IQ-Bereich von 101 bis 129 liegen. Auch diese Kinder sind schon außergewöhnlich begabt, gelten aber noch nicht als hochbegabt. Trotzdem kann auch ein Kind mit einem IQ von 120 unterfordert sein und sich in der Schule oder mit Freunden so langweilen, dass es ein auffälliges Verhalten zeigt. Beim auswertenden Gespräch eines IQ-Tests muss das bedacht werden.

Mein Kind ist hochbegabt – und nun?

Ein positiver Test, also ein festgestellter IQ ab 130, stellt oft das ganze Familienleben auf den Kopf. Endlich ist klar, warum das Kind so wissensdurstig, auffällig und irgendwie anders ist. Das schafft Erleichterung, wirft aber auch neue Fragen auf. Viele Eltern müssen erst lernen, diese Hochbegabung als Bereicherung zu empfinden (und nicht als Last). Ein hochbegabtes Kind ist alles, nur nicht langweilig. Es fordert mit seinen Fragen und interessanten Sichtweisen Eltern und Lehrer heraus.

4 Tipps zum Umgang mit einer Hochbegabung

Sprechen Sie unbedingt mit den Lehrern, damit Ihr Kind entsprechend gefördert wird. Es gibt inzwischen viele Schulen, die besonders auf die Förderung Hochbegabter eingerichtet sind (vgl. das Schulprofil).

  1. Informieren Sie sich sowie Ihre Freunde/Verwandte über die Hochbegabung und die damit verbundenen Veränderungen, soweit sie davon betroffen sind.
  2. Bieten Sie Ihrem Kind Betätigungsfelder, die es fordern. Das kann eine schwierige Fremdsprache oder ein neues Instrument sein.
  3. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind viele Sozialkontakte hat und sich in Gruppen einfügen lernt, zum Beispiel beim Sport.
  4. Sonderbehandlungen sind nicht gut für Hochbegabte, denn sie müssen lernen, mit ihrer Begabung in einer Welt Normalbegabter zurechtzukommen.

Hochbegabt aber Legastheniker – geht das?

Die Kombination einer Hochbegabung mit einer Teilleistungsschwäche ist möglich. So kann beispielsweise ein mathematisch/logisch hochbegabtes Kind durchaus Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Lauten haben (hört Unterschiede nicht zwischen beispielsweise b/d, o/u, g/k usw.) und daher viele Wörter falsch schreiben. Solche Kinder haben dann keine Probleme, eine komplizierte Textaufgabe zu lösen, verpassen aber dem Lösungssatz in jedem zweiten Wort einen Rechtschreibfehler. Hochbegabte Kinder mit einer Teilleistungsschwäche können ihre Schwierigkeiten oft sehr gut kompensieren, so dass diese viel zu spät erkannt werden. Die Intelligenz macht’s möglich!