Hilfe, mein Kind lügt! Wie Sie damit umgehen und richtig reagieren

Wenn ein kleines Kind lügt und offensichtliche Lügen erzählt, nimmt ihm das niemand übel. Bei Schulkindern sieht das schon anders aus, und die Ursachen für Lügen können unterschiedlicher Natur sein. Lesen Sie hier, warum Kinder lügen und wie Sie darauf richtig reagieren. 

Inhaltsverzeichnis

Warum Kinder lügen

Ungefähr mit Eintritt der Schulreife, also mit sechs bis sieben Jahren, können Kinder unterscheiden, wann Lügen in Ordnung und wann sie unangemessen sind. Eine familiäre Atmosphäre des Vertrauens ist dabei die wichtigste Grundlage für Offenheit und Ehrlichkeit und verhindert, dass Ihr Kind lügt. Wenn sich Ihr Kind vorbehaltlos geliebt fühlt, dann kann es auch Fehler eingestehen und hat keine Ursache für Lügen. Das gilt ebenso für den Umgang mit Freunden und Lehrkräften. Lügt Ihr Kind immer wieder, geschieht das meist ganz bewusst. Es kann also ganz verschiedene Ursachen haben, warum Kinder lügen. Angst vor Strafe oder der Wunsch nach Anerkennung stehen beim Lügen an erster Stelle.

Kinder wollen ehrlich sein

Die Wahrheit ist Kindern wichtig, trotzdem kommen sie immer wieder in Situationen, wo sie lügen. Grund dafür ist, dass sie meistens über die Folgen des Lügens nicht nachdenken und nur die direkte Reaktion sehen: Wenn ich die schlechte Note verheimliche, bekomme ich keinen Ärger. Langfristig ist dieses Verhalten keine Lösung des Problems. Doch das Verständnis von Ehrlichkeit und den Umgang mit der Wahrheit müssen Kinder erst einmal lernen.

So lernt Ihr Kind ehrlich zu sein

Je öfter Kinder positive Reaktionen auf ihre eigene Ehrlichkeit und Offenheit und nicht auf ihr Lügen erleben, desto eher hören sie mit dem Lügen auf. Tatsache ist: Ältere Kinder fühlen sich in der Regel sehr unwohl beim Lügen. Sie haben schnell ein schlechtes Gewissen und möchten statt dem Lügen lieber ehrlich sein. Voraussetzung ist eine Atmosphäre des Vertrauens in der Familie. Kinder brauchen das Gefühl, ohne Vorbehalt geliebt zu werden – besonders wenn ihnen etwas misslungen ist oder sie etwas ausgefressen haben. So haben sie keine Ursache für Lügen und sind ehrlicher. 

5 Ursachen für Lügen

1. Lügen aus Angst vor Strafe

Obwohl es in den meisten Familien heutzutage für kleine Vergehen wie einen zerbrochenen Teller, verschwiegene Hausaufgaben oder unerlaubtes Fernsehen kaum noch Strafen gibt, trauen sich trotzdem viele Kinder nicht, ihre Tat zuzugeben und Lügen deshalb. Weil sie sich der elterlichen Reaktion nicht sicher sind, verheimlichen sie durch Lügen lieber ihre Tat oder schieben die Schuld, aus Angst vor Konsequenzen, auf andere. Diese Furcht, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen, haben sie nicht nur zu Hause, sondern auch bei Freunden und Bekannten und lügen deshalb auch dort. Ihre Lügen sind jedoch meist schnell durchschaubar, denn die Kinder verlieren leicht den Überblick und verstricken sich in ein Geflecht aus Lügen, aus dem sie bald keinen Ausweg mehr finden.

Das können Sie tun:

Helfen Sie Ihrem Kind, die Wahrheit zuzugeben, indem Sie Verständnis zeigen und es nicht gleich bestrafen, so können Sie das Lügen in Zukunft verhindern. Reagieren Sie anders, als Ihr Kind erwartet, und nehmen Sie ihm vor künftigen Fehlern die Angst. Geht es nicht ohne Strafe, so sind logische Konsequenzen für Kinder am besten nachzuvollziehen und wirken dem Lügen entgegen. Lassen Sie sich das Hausaufgabenheft täglich zeigen, reduzieren Sie für eine Weile die Fernsehzeit oder behalten Sie für den zerbrochenen Teller ein wenig Taschengeld ein.

2. Lügen aus Angeberei und dem Wunsch nach Anerkennung

Ein wenig Fantasie ist ganz in Ordnung, aber wenn Kinder ständig übertreiben und die wildesten Märchen erzählen, sollten sie aufhorchen. Häufig ist ein schwaches Selbstbewusstsein der Grund für die erfundenen Geschichten. Wenn die Mama zum Shoppen nach New York verfrachtet wird, der Papa angeblich einen Rolls Royce fährt oder als Haustier ein Löwe herhalten muss, buhlen Kinder meistens um die Anerkennung anderer. Diese Hirngespinste werden jedoch schnell durchschaut, und das Kind gibt sich umso mehr der Lächerlichkeit preis.

Das können Sie tun:

Heben Sie die Stärken und Talente Ihres Kindes häufiger hervor und verhelfen Sie ihm zu Erfolgserlebnissen. Das gelingt gut durch ein Hobby, in dem Ihr Kind seine Fähigkeiten zeigen kann und Erfolgserlebnisse hat. Fühlt ein Kind sich stark und selbstbewusst, braucht es auch keine Lügengeschichten mehr zu erfinden.

3. Lügen aus Überforderung

Für einige Kinder sind die Anforderungen des Alltags und der Schule zu hoch, sodass sie sich in Traumwelten und Ausreden flüchten. Sie behaupten dann, ihre Aufgaben bereits erledigt zu haben, das Zimmer schon aufgeräumt und die Katze schon gefüttert zu haben, obwohl nichts davon stimmt. Lieber liegen sie verträumt auf dem Bett, hören Musik oder kleben am Fernseher fest, als sich um ihre „anstrengenden“ Aufgaben zu kümmern. Häufig benutzen sie auch Lügen, um Konflikten oder Streitereien aus dem Weg zu gehen. Solche Kinder lügen nicht bewusst oder aus böser Absicht, sondern wählen aus Überforderung den leichteren Weg. Sie sind ohne Hilfe einfach nicht in der Lage, sich mit der Wahrheit auseinander zu setzen.

Das können Sie tun:

Fragen Sie sensibel und verständnisvoll nach, warum Ihr Kind bestimmte Aufgaben nicht erledigt und lieber zu einer Lüge greift. Braucht es Ihre Hilfe oder einfach mehr Zeit für sich? Geben Sie Ihrem Kind mehr Freiraum und beschränken Sie die Anforderungen auf das Nötigste. Es braucht längere Ruhephasen als andere und mehr Zeit für seine Entwicklung zur Selbstständigkeit – dann sollte das Lügen aufhören.

4. Lügen aus Höflichkeit und Rücksichtnahme (Notlügen)

Notlügen wenden alle Menschen nahezu täglich an, und Kinder bekommen das natürlich mit. Umso wichtiger ist es, dass sie begreifen, wann eine Unwahrheit aus Höflichkeit angebracht ist und wann nicht. Signalisiert Ihr Sohn also Freude über das Geschenk seines Großvaters, obwohl er Eisenbahnen überhaupt nicht interessant findet, sollten Sie mit ihm über seine Notlüge sprechen. Zeigen Sie ihm, dass die Lüge durchschaut und akzeptiert ist.

Das können Sie tun:

Lassen Sie Ihr Kind bei Notlügen gewähren, denn in seinem späteren Leben braucht es diese auch. Da ist es gut, wenn es früh damit umzugehen lernt.

5. Lügen aus Scham

Schamlügen sind fast schon Heldenlügen, denn ihnen liegt die Absicht zu Grunde, den Belogenen nicht enttäuschen zu wollen. Die Kinder wollen ihre Eltern schützen und daher keine Fehler eingestehen. Ihr eigenes Versagen, zum Beispiel in der Schule, ist für sie so eine große Belastung, dass sie ihren Eltern diese Scham nicht antun wollen und lieber schwindeln. Das passiert bei schlechten Noten in Klassenarbeiten, einer misslungenen Bastelhausaufgabe, bei der Mama geholfen hat, oder auch wenn Elternabende verschwiegen werden, weil es um ihr Fehlverhalten in der Klasse gehen könnte.

Das können Sie tun:

Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass Fehler normal sind und bei allen Menschen vorkommen. Suchen Sie anschauliche Beispiele: Papa hat früher immer verschwiegen, dass sein Vater auf der Mülldeponie beschäftigt war, weil er sich geschämt hat. Später stellte sich heraus, dass die Klasse die Arbeit so interessant fand, dass ein Klassenausflug dorthin organisiert wurde.

10 Tipps für den richtigen Umgang mit Lügen

  1. Eltern haben Vorbildfunktion. Überlegen Sie, wie Ihr eigenes Verhalten in Bezug auf das Lügen aussieht. Bemühen Sie sich um Ehrlichkeit und Offenheit und lügen Sie Ihr Kind nicht an.  Das gilt auch bei peinlichen Fragen und schmerzhaften Wahrheiten.
  2. Helfen Sie Ihrem Kind, Alternativen zur Lüge zu finden. Wie kann es in einer ähnlichen Situation ohne Lüge bestehen?
  3. Bestrafen Sie Lügen nicht zu hart. Zieht das Verhalten Ihres Kindes Konsequenzen nach sich, begründen Sie diese.
  4. Beschämen Sie Ihr Kind nicht durch das strikte Einfordern von Schuldgeständnissen. Geben Sie ihm die Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren.
  5. Leugnet Ihr Kind einen offensichtlichen Punkt hartnäckig, lassen Sie sich erzählen, vor was Ihr Kind sich fürchtet, wenn die Sache ans Licht käme. Diese Angst können Sie ihm dann durch entsprechende Unterstützung nehmen.
  6. Behandeln Sie Ihr Kind gerecht und stellen Sie ihm keine Falle. Es ist immer geschickter, das Thema direkt anzusprechen.
  7. Ist die Situation für Ihr Kind völlig verfahren, schaffen Sie die Sache gemeinsam aus der Welt. Ihr Kind lernt so Lösungswege kennen und dass es mit der Wahrheit weiter kommt als mit einer Lüge.
  8. Blamieren Sie Ihr Kind nicht vor anderen, indem Sie seine Lüge bloßstellen. Klären Sie die Situation unter vier Augen.
  9. Belohnen und loben Sie Ihr Kind häufiger, wenn es mutig die Wahrheit sagt.
  10. Haben Sie selbst einmal geschwindelt, müssen Sie Ihrem Kind erklären, warum. Es soll verstehen, dass Lügen vorkommen können, aber nicht in Ordnung sind.

Moralisch weiterentwickelt

Eine Studie aus Wien untersuchte 1920 das Verhalten von Kindern beim Lügen. Demnach hielt ein Viertel der Kinder Lügen zur Verheimlichung von Schäden für gerechtfertigt. Das hat sich im Laufe der Zeit stark verändert: Das Unrechtsbewusstsein ist gewachsen. Insgesamt gibt es die Tendenz, dass die heutigen Kinder bessere und moralischere Gründe dafür anführen, wann eine Lüge vertretbar ist. Früher standen bei den Lügen das Vertuschen von Naschhaftigkeit (unerlaubt Süßigkeiten nehmen) und die Nichterfüllung häuslicher Pflichten an erster Stelle – diese Gründe sind mittlerweile fast bedeutungslos. Trotzdem lügen Kinder heute noch genauso viel oder wenig wie vor 80 Jahren.

Dauerlügen

Lügt Ihr Kind immer wieder, versuchen Sie der Sache mit Hilfe von Freunden oder auch Fachleuten auf den Grund zu gehen. Wiederholtes Lügen in erheblichem Umfang offenbart ein tiefes Misstrauen des Kindes in seine Umwelt. Manche Kinder lügen, um sich vor Schmerzen zu schützen (bei Gewalt) oder um das Vertrauen der Belogenen zu testen. Wird die „schlimme“ Lüge geglaubt, dann traut sich das Kind, auch die Wahrheit zu erzählen.

Mein Tipp
Lügen sollten Sie nicht dramatisieren, denn in gewissem Umfang ist Schummeln normal, weil alle es hin und wieder tun. Tun Sie deshalb Ihrem Kind gegenüber nicht, als wäre es das Schlimmste auf der Welt. So erreichen Sie mit der Zeit, dass Ihr Kind Ihnen vertraut und auch in schwierigen Situationen mit der Wahrheit herausrückt. Dieser Lernprozess kann bis in die Pubertät hinein anhalten.