Was ist von Nervenkeksen nach Hildegard von Bingen zu halten?

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Mein 4-jähriger Sohn Thomas ist ein sehr unruhiges Kind. Er kann sich beim Spielen und besonders im Kindergarten nie lange auf eine Sache konzentrieren. Nun habe ich gelesen, dass Nervenkekse nach Hildegard von Bingen die Konzentration erhöhen und auch ausgeglichener machen sollen. Macht es Sinn, diese Nervenkekse einmal auszuprobieren, oder ist da nichts dran? Haben Sie dafür ein Rezept?

von Fabienne S. aus Ulm

Antwort von: Dr. med. Andrea Schmelz

Liebe Fabienne,

die Nervenkekse werden aus Dinkelvollkornmehl unter Zugabe von Zimt, Muskat (15 Gramm auf 500 Gramm Mehl) und Nelken sowie weiteren Kekszutaten gebacken. Ob sie wirklich die Konzentration verbessern, die Intelligenz fördern und auch gemütsaufhellend wirken, kann ich mangels eigener Erfahrung nicht beurteilen. Ich möchte Ihnen jedoch von Nervenkeksen unbedingt abraten, da bei nicht nachgewiesener Wirksamkeit erhebliche Nebenwirkungen nicht auszuschließen sind! Muskat gehört zu den Gewürzen, die natürlicherweise Estragol und Methyleugenol enthalten. Diese genannten Inhaltsstoffe zeigten in mehreren Versuchsreihen krebsauslösende und erbgutverändernde Wirkungen. Da bislang keine gesundheitlich unbedenkliche tägliche Aufnahmemenge festgelegt werden konnte, rät das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz aus Vorsorgegründen, vom regelmäßigen Verzehr abzusehen. Insofern ist der empfohlene tägliche Verzehr dieser Kekse (auch wenn es nur – wie als Dosierung angegeben – drei bis fünf Stück sind) für Kinder nicht empfehlenswert. Darüber hinaus ist Muskatnuss in höheren Dosen für Kinder hochgiftig. Ein 8-jähriger Junge fiel nach dem Verzehr von zwei Muskatnüssen ins Koma und verstarb binnen 24 Stunden. Da Kekse aber nicht als Medizin angesehen werden, sondern zum Knabbern einladen, besteht immer die Gefahr einer versehentlichen Vergiftung. Eine Prise Muskatnuss am Essen ist aber auch für Kinder ungefährlich, zumal Muskatnuss üblicherweise ja nicht täglich verwendet wird. Erste Vergiftungssymptome der auch als Rauschmittel missbrauchten Muskatnuss sind Halluzinationen und Trance, ausgelöst durch die Inhaltsstoffe Myristicin, Elemicin und Safrol. Diese ähneln bekannten Psychodrogen wie Meskalin (Peyotl-Kaktus) bzw. sind strukturverwandt mit MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin = Ecstasy). Möglicherweise liegt bei Thomas eine Aufmerksamkeitsdefizit- Störung (ADS) vor – das sollte abgeklärt werden. Umfassende Informationen dazu erhalten Sie demnächst in unserer Spezial- Ausgabe „Hyperaktivität“.

Ihnen und Ihrem Sohn Thomas alles Gute!

IhreAndrea Schmelz