Frustrationstoleranz: So lernt Ihr Kind, Stress und Enttäuschungen auszuhalten
Erziehung und Entwicklung
Vielleicht halten Sie alle Probleme von Ihrem Kind fern? Oder gehen selber Schwierigkeiten am liebsten aus dem Weg? Kein Wunder, wenn Ihr Kind dann ähnlich reagiert. Aber nicht nur das vorbildhafte Verhalten, sondern auch die ganz realen Erlebnisse in der Schule, im Freundeskreis oder in der Familie formen die Frustrationstoleranz. Um zu zeigen, wie wichtig Frustrationstoleranz ist, lassen Sie mich kurz ein Beispiel aus meiner Praxis schildern.
Es geht um Frederic, der vor rund einem Jahr in die fünfte Klasse eines Gymnasiums gekommen ist. Frederic war ein guter Grundschüler und hatte keine Probleme, die Gymnasialempfehlung zu bekommen. Aufgrund eines Umzugs der Eltern fand sich Frederic jedoch nicht in einer Klasse mit seinen Freunden wieder, sondern hatte urplötzlich nur noch fremde Kinder um sich herum. Erschwerend kam hinzu, dass Frederic in eine recht leistungsstarke Klasse wechselte. War er bisher immer einer der Besten gewesen, so erreichte er nun das Klassenziel nur mit Mühe. Frederic verstand die Welt nicht mehr, seine Noten wurden stetig schlechter! Mit dieser Situation kam er nicht zurecht, denn er hatte bisher nie gelernt, mit Misserfolgen umzugehen. Anstrengungen, um sein Ziel zu erreichen, konnte er nicht auf sich nehmen.
Wie verhalten Sie sich in einer solchen Situation richtig?
Frederic und seine Eltern haben gut reagiert. Ehe die Situation für Frederic unerträglich wurde, haben seine Eltern in meiner Beratungspraxis pädagogische Unterstützung gesucht. Im Gespräch mit Eltern und Sohn konnte die Abwärtsspirale aus Enttäuschung, Frust, Misserfolg und sinkendem Selbstvertrauen gestoppt werden. Dabei wurde auch klar, dass Frederic bisher kaum einmal eine Herausforderung meistern musste. Als Einzelkind und „Kronprinz“ der überaus glücklichen und liebevollen Eltern wurde ihm jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Erst in einer Situation, auf die die Eltern keinen Einfluss mehr hatten, wurde Frederics geringe Frustrationstoleranz zum Problem. In kleinen Schritten konnten wir sie gemeinsam steigern, sodass Frederic heute auch ein bisschen Gegenwind gut aushalten kann. Er hat gelernt, bei Misserfolgen nicht gleich aufzugeben und mit mehr Durchhaltevermögen auf ein Ziel hinzuarbeiten.
Was sind die Gründe für eine geringe Frustrationstoleranz?
Die meisten Kinder müssen heute kaum auf etwas verzichten. Sie haben ausreichend Spielzeug, sind gut gekleidet, können einem oder mehreren Hobbys nachgehen und verfügen über reichlich Taschengeld. Sie müssen sich kaum anstrengen oder lange warten, um etwas zu bekommen. Bis zum Schulalter leben viele Kinder in paradiesischen Zuständen, weil ihre Eltern sie stärken und stützen, wo und wann immer es geht. Doch manchmal ist diese Erziehungsstrategie zuviel des Guten – nämlich immer dann, wenn sich der Alltag in fast allen Belangen nach dem Kind richtet.