Verflixtes Abschreiben!

Vor ein paar Tagen kam meine Tochter Hanna ganz aufgelöst von der Schule heim und erzählte mir weinend, dass niemand in der Schule ihr glauben würde, dass sie wegen ihrer Legasthenie so viele Fehler beim Abschreiben mache. Da musste ich natürlich handeln! 

Denn Hanna schreibt trotz ihrer Rechtschreibschwäche noch sehr gerne, denkt sich oft Geschichten aus und formuliert bei Aufsätzen immer sehr ausführlich (im Gegensatz zu meinem Sohn, der alles möglichst knapp ausdrückt, damit er nicht so viel schreiben muss). Ich musste also auf jeden Fall verhindern, dass ihr in der Schule die Freude beim Schreiben abhanden kommt.



Ich bekam dann heraus, dass die Klassenlehrerin zu ihr gesagt hatte, sie würde „Fantasiewörter“ abschreiben und nicht was wirklich an der Tafel stünde. Leider fügte die Lehrerin noch hinzu, dass Hanna für die vielen Fehler beim Abschreiben die Legasthenie nur vorschieben würde und dass sie doch nur Leichtsinnsfehler mache (sich also nicht ordentlich anstrenge). Das gab Hanna den Rest!



Tatsache ist nämlich, dass zwar manche Kinder mit Legasthenie fast oder sogar völlig fehlerfrei abschreiben können, viele aber auch große Schwierigkeiten beim reinen Abschreiben von Texten haben, dabei Unmengen an Fehlern machen und zudem noch deutlich langsamer sind als „normale“ Kinder. Insofern muss sich Hanna bereits sehr anstrengen, um von der Tafel abzuschreibende Texte überhaupt in der vorgegebenen Zeit zu schaffen.



An diesem Nachmittag wühlte ich mich durchs Internet, um die typischen Symptome der Legasthenie von verschiedenen Quellen zusammenzutragen, und holte mir auch Rat bei meiner Kollegin von „Lernen und Fördern mit Spaß“, Frau Reimann-Höhn. Und mit dieser „Munition“ bewaffnet ging ich am nächsten Tag in die Sprechstunde der Klassenlehrerin.



Glücklicherweise kann man mit ihr gut reden und es hat sich ausgezahlt, dass ich schon von Anfang an immer mal wieder in die Sprechstunde gegangen bin, um mich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen, auch wenn es keine Probleme gab. So erfuhr ich auch, wie die Lehrerin zu ihrer Einschätzung, Hanna könnte fehlerfrei abschreiben, wenn sie nur wollte, kam. Denn im Englischunterricht macht sie beim Abschreiben keine Fehler, nur in deutschen Texten.



Ich vermute, dass sie im Englischen wirklich Buchstabe für Buchstabe abmalt (und dann ist es auch richtig), während sie im Deutschen versucht, sich das gelesene Wort zu merken und niederzuschreiben – und dann kriegt sie in längeren Wörtern problemlos drei Fehler unter. Wie dem auch sei, nach unserem Gespräch hat sich Hannas Lehrerin ganz offiziell bei Hanna entschuldigt. Das war das Erste, was sie mir nach der Schule freudestrahlend erzählte. Da war die Welt für sie wieder in Ordnung!