Leistungsbremsen in der Pubertät erkennen

Selbst zur Pubertät gehört nicht zwingend dazu, dass Schüler „null Bock“ auf Schule und Lernen haben. Vielmehr entscheidend für die Leistungsbereitschaft von Kindern und Jugendlichen sind die Bedingungen, unter denen das Lernen zu Hause und in der Schule stattfindet. Was Sie als Eltern zu solchen „optimalen Bedingungen“ beisteuern können, lesen Sie hier. 

Inhaltsverzeichnis

So verhelfen Sie Ihrem Kind zu mehr Leistungsbereitschaft

Ihr Teenager ist bereit, Leistung zu zeigen, …

  • wenn eine Aussicht auf Erfolg vorhanden ist, also für Ihr Kind überhaupt eine realistische Möglichkeit besteht, (möglichst aus eigenen Kräften) erfolgreich sein zu können,
  • wenn Ihr Kind Anerkennung für seine Leistung erwarten kann, aber auch weiß, dass es schon während seiner Bemühungen positiv begleitet wird durch faire Kritik und Ermutigung, Zuversicht, Wertschätzung, Lob etc.,
  • wenn Ihr Kind spürt, dass es durch seine Leistungen zunehmend Selbstvertrauen gewinnt und sein Selbstwertgefühl stärkt, sodass es sich gerne weiteren Herausforderungen stellt. Diese Grundbedingungen klingen zunächst simpel, doch sie in der Realität herbeizuführen sowie dauerhaft zu Hause und in der Schule aufrechtzuerhalten, ist nicht leicht.

Leistungsbremsen in der Pubertät entgegenwirken

Teenager haben es oft mit einigen typisch deutschen Leistungsbremsen zu tun, die die Freude der Schüler am Lernen und Arbeiten zusätzlich behindern:

1. Viele Teenager haben Angst, als Streber zu gelten

Wer in Deutschland gerne in die Schule geht, viel weiß und gute Noten hat, muss früh eine starke Persönlichkeit entwickeln und lernen, seine Ohren auf „Durchzug“ zu stellen. Spätestens in der Mittelstufe nämlich werden die meisten dieser leistungsstarken Schüler von ihren Mitschülern zu Strebern degradiert. Der Pädagoge, ehemalige Schulleiter und Autor Adolf Timm zitiert die Ergebnisse einer Umfrage von 2007, die klar zum Ausdruck bringen, dass gute Leistungen unter deutschen Mittelstufenschülern nicht „erlaubt“ sind.

Insgesamt 80 Prozent der befragten Schüler erklärten, dass sie andere Mitschüler schon als Streber bezeichnet haben. 25 Prozent der Mittelstufenschüler berichteten, dass sie selbst schon häufiger als Streber beschimpft worden seien, und etwa ein Drittel dieser Schüler tritt aus Angst vor diesem Vorwurf deutlich auf die Leistungsbremse. Warum deutsche Schüler gerade schulische Leistungen so wenig honorieren bzw. diese ablehnen, ist nicht eindeutig erklärbar. Andere Leistungen, z. B. im Sport oder in der Musik werden hingegen auch unter Schülern wertgeschätzt und lobend anerkannt. Ein guter Fußballer, eine begabte Tennisspielerin, ein herausragender Gitarrist oder Sänger genießt, auch unter Schülern in der Regel hohes Ansehen.

Vermutlich hat die Ablehnung von guten schulischen Leistungen damit zu tun, dass deutsche Schüler (durchaus im Unterschied zu Schülern aus anderen Ländern) Lernen noch nicht als ihre eigene Sache begriffen haben. Lernen, Leistung zeigen, sich anstrengen müssen scheint für die meisten Schüler eher eine Forderung von Lehrern, Eltern, Gesellschaft etc. zu sein, die sie „gezwungenermaßen“ erfüllen müssen, die mit ihren eigenen Zielen aber nichts zu tun haben. Fleißigen und guten Schülern wird daher unterstellt, dass sie, so zitiert Timm, „mit dem Feind kollaborieren“.

2. Die Betonung der Schwächen in der Pubertät

Kinder, pubertierende Jugendliche und auch wir Erwachsene: Niemand möchte ständig daran erinnert werden, was er nicht kann. Doch in der deutschen Bildungslandschaft scheint ausgerechnet das eine „Spezialität“ zu sein. „Schwächenfixierung“ nennen Bildungsforscher diesen „besonderen“ Blick der deutschen Lehrer auf die Leistungen ihrer Schüler. Mit Rotstift markiert, mit einer schlechten Note geahndet: Fehler und Misserfolge bekommen so schon früh eine große Bedeutung.

Den Stärken der Schüler, den kleinen und großen Verbesserungen wird in den meisten Schulen eine vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit zuteil. So hören Eltern weniger leistungsstarker Schüler bei Elternsprechtagen überwiegend, was ihr Kind noch nicht kann. Aber auch Eltern passabler Schüler müssen manchmal extra nachfragen, um die schulischen Stärken ihres Kindes zu erfahren. Doch nicht nur Lehrer, auch viele Eltern haben diesen verschärften Blick auf die Defizite ihrer Kinder entwickelt.

Der Pädagoge Adolf Timm berichtet in diesem Zusammenhang von einem Fußballspiel zwischen amerikanischen und deutschen Jugendlichen. Während die amerikanischen Eltern ihre Kinder mit Zurufen wie „Gut gemacht!“ und „Toller Schuss!“ motivierten, ergingen sich die deutschen Väter vorwiegend in negativen Kommentaren wie „Pass doch besser auf“ bzw. „Du musst früher abspielen“ oder Kritik am Schiedsrichter.

Wie schnell wir Eltern uns auf eine eher negative Sichtweise unserer Kinder einlassen, zeigt der Bericht einer Mutter, die uns erzählte, dass ihr zehnjähriger Sohn zwar durchgehend gute bis sehr gute fachliche Leistungen zeige, sein Arbeits- und mitunter auch Sozialverhalten aber häufig nicht in Ordnung sei. Die Lehrerin würde ihren Sohn täglich, die Eltern wöchentlich per Brief und Telefon davon unterrichten. Dieser Fokus auf die nicht gemachten Hausaufgaben und Probleme unter den Klassenkameraden hätte mittlerweile dazu geführt, so die Mutter, dass sie ihren Sohn als faules und unsoziales Kind wahrnehmen würde.

3. Der unfreundliche Umgangston

Passend zur deutschen „Schwächenfixierung“ passt auch der offensichtlich typisch deutsche negative Umgangston, mit dem wir unsere Kinder und Schüler auf ihre Defizite aufmerksam machen. „Niemand soll beschämt werden!“ lautet eine der Maximen finnischer Schulen, zitiert Timm.

Dass in deutschen Schulen Schüler hingegen viel zu oft beschämt werden, erläutert er anhand einer Untersuchung des Bildungsforschers Prof. Jürgen Baumert. Dieser hatte seinen schweizerischen Studenten Videoaufnahmen aus dem deutschen Mathematikunterricht gezeigt. Die Studenten waren entsetzt von dem respektlosen, abwertenden und kränkenden Umgangston.

Baumert resümiert, dass Bemerkungen wie „Schon wieder dieser Fehler!“ oder „Habe ich das nicht schon viermal gesagt?“ vermutlich noch harmlos seinen gegenüber dem, was sonst in deutschen Klassenzimmern manchmal zu hören sei. Dass Kinder und Jugendliche auf solche abwertende Bemerkungen nicht mit verstärktem Leistungswillen, sondern im Gegenteil mit Rückzug oder aggressivem Verhalten reagieren, ist nur allzu verständlich.

Die oben genannten drei Negativ-Beispiele für „typisch deutsches“ Verhalten zeigen deutlich, dass das Leistungsvermögen eines Kindes bzw. Jugendlichen eben nicht allein von seiner Intelligenz und Begabung abhängt. Das Umfeld ist vielmehr entscheidend: die Lehrer, die Freunde und auch das häusliche Umfeld, also Sie als Eltern.