Frust bei Kindern: Strategien für eine höhere Frustrationstoleranz

Die Frustrationstoleranz ist eine zentrale Fähigkeit, mit der sich Ihr Kind immer wieder neu motivieren kann und gute Leistungen erbringt. Lesen Sie im folgenden Beitrag, mit welchen Strategien Sie die Frustrationstoleranz Ihres Kindes erhöhen können. 

Inhaltsverzeichnis

Strategien gegen Frust bei Kindern

Beim Wettrennen der Letzte werden, ein Brettspiel verlieren, im Unterricht etwas nicht verstehen oder beim Loseziehen nur Nieten bekommen: Nicht jedes Kind kann diese Erfahrungen gut wegstecken und baut Frust auf. Besonders dann nicht, wenn solche Situationen im Erziehungsalltag kaum auftreten, also so gut wie nie geübt werden. Dabei ist die Frustrationstoleranz eine zentrale Fähigkeit, mit der sich Ihr Kind immer wieder neu motivieren kann und gute Leistungen erbringt.

So erkennen Sie eine niedrige Frustrationstoleranz bei Ihrem Kind

Bevor ein Kind, zum Beispiel einfach aus einer Klassenarbeit geht, gibt es bereits viele Anzeichen für eine niedrige Frustrationstoleranz. In zahlreichen Situationen im Alltag und in der Schule zeigen Kinder, wie sie mit Misserfolgen, Langeweile oder Frust umgehen. In der folgenden Tabelle haben wir typische Verhaltensweisen für eine hohe und eine niedrige Frustrationstoleranz aufgelistet. Falls Sie Ihr Kind bei der niedrigen Toleranz wiederfinden, erfahren Sie anschließend, wie es lernt, mit Misserfolgen künftig besser umzugehen und seine Frustrationstoleranz zu erhöhen.

Test: Hat Ihr Kind eine hohe oder eine niedrige Frustrationstoleranz?

SituationHohe FrustrationstoleranzNiedrige Frustrationstoleranz
Während Sie telefonieren, möchte Ihr Kind Ihnen etwas sagen. Ihr Kind kündigt seinen Gesprächsbedarf an und wartet dann geduldig, bis Sie Ihr Telefonat beendet haben. Ihr Kind springt ungeduldig neben dem Telefon herum und stört immer wieder Ihr Gespräch. Es stört Sie vehement. 
Ihr Kind spielt mit seinen Freunden oder Geschwistern und macht einen Vorschlag. Sein Spielvorschlag wird nicht angenommen. Ihr Kind steckt seine Enttäuschung weg und spielt trotzdem mit den Anderen weiter. Es hebt sich seinen Spielvorschlag für später auf. Ihr Kind ist enttäuscht und verliert die Lust. Es verlässt schlecht gelaunt die Gruppe, weil sein Vorschlag nicht angenommen wurde. 
Ihr Kind hat für eine Klassenarbeit gelernt, trotzdem aber nur eine mittelmäßige Note bekommen. Ihr Kind ist enttäuscht und nimmt sich vor, für die nächste Arbeit noch etwas mehr zu lernen. Es steckt den Misserfolg schnell weg. Ihr Kind fühlt sich ungerecht behandelt und hadert mit der Note. Seine Motivation noch mehr zu lernen, ist gleich null. 
Sie kaufen gemeinsam ein, und Ihr Kind möchte ein bestimmtes Spielzeug, das es im Geschäft gesehen hat. Sie sagen Nein. Ihr Kind weiß, dass es nicht alles sofort gekauft bekommt. Es akzeptiert die Entscheidung – wenn auch missmutig – und hilft weiter beim Einkaufen. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.Ihr Kind ist der Meinung, dass ihm dieses Spielzeug zusteht, weil es ja schon mit Ihnen einkaufen geht. Es motzt noch eine ganze Weile und boykottiert den Einkauf.
Ihr Kind versteht seine Hausaufgaben nicht. Ihr Kind bemüht sich um Unterstützung. Es fragt einen Erwachsenen oder ruft einen Freund an. Dann erledigt es die Hausaufgaben.  Ihr Kind klappt das Heft zu. Es hat keine Lust, sich um Hilfe zu bemühen oder sich in das Thema intensiver einzuarbeiten. 
Ihr Kind hat an einem sportlichen Wettkampf teilgenommen, aber leider nicht gewonnen. Ihr Kind ist traurig, weil es verloren hat. Es fällt ihm aber nicht schwer, mit seinen Gedanken zum nächsten Wettkampf zu wandern, den es unbedingt wieder gewinnen möchte. Ihr Kind verliert die Lust an der Sportart. Es möchte nicht mehr zum Training gehen und aus dem Verein austreten. 

Auswertung:

Wenn Sie bei Ihrem Kind in mindestens vier der sechs Beispiele eine hohe Frustrationstoleranz erkennen, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Liegt Ihr Kind darunter, sind die hier vorgestellten Strategien ein Weg, seine Toleranzgrenze langsam zu erhöhen.

Bei den sechs typischen Beispielen aus der Freizeit, der Schule und dem Familienalltag (siehe Tabelle) wird deutlich, wie sich mangelnde Frustrationstoleranz auswirkt. Selbstverständlich sind Kinder nicht immer gleich souverän. An manchen Tagen nutzt auch eine hohe Frustrationstoleranz nichts, und der kindliche Trotz setzt sich durch. Dennoch sollte das Verhalten Ihres Kindes weitgehend in der Spalte „hohe Frustrationstoleranz“ zu finden sein. 

4 Strategien zur Erhöhung der Frustrationstoleranz Ihres Kindes

Strategie 1: Nicht immer sofort springen, wenn Ihr Kind etwas haben möchte 

Kinder mit einer niedrigeren Frustrationstoleranz sind in der Regel sehr ungeduldig. Sie können nicht warten und möchten, dass ihre Wünsche immer sofort erfüllt werden. Sie haben nicht gelernt, auf etwas zu warten. Um Ärger und Stress zu vermeiden, geben viele Eltern diesem Bedürfnis viel zu schnell nach. Doch das ist der falsche Weg – er schadet mehr, als dass er nutzt und führt nur dazu, dass Ihr Kind schneller gefrustet ist. Lassen Sie Ihr Kind in Zukunft ruhig bewusst manchmal etwas warten. Erklären Sie ihm, warum Sie seinen Wunsch nicht sofort erfüllen können, und bleiben Sie konsequent. Es reicht, wenn Sie eine solche Situation ein- bis zweimal pro Woche bewusst herbeiführen.

Das könnte zum Beispiel sein:

  • Ihr Kind bekommt beim Spielen Hunger und ruft nach einer Zwischenmahlzeit.

    Sie sagen: „Ich räume noch die Spülmaschine ein und schäle dir dann einen Apfel.
  • Ihr Kind sucht ein bestimmtes Spielzeug und benötigt Ihre Hilfe, um es zu finden.

    Sie sagen: „Ich schreibe jetzt noch meine E-Mails zu Ende, und dann helfe ich dir in 15 Minuten.
  • Ihr Kind möchte Ihnen etwas erzählen, aber sie sind gerade mit etwas Anderem beschäftigt.

    Sie sagen: „Lass mich noch die Oma anrufen, sonst vergesse ich das. Danach habe ich Zeit für dich!

Strategie 2: Lassen Sie Ihr Kind bei Misserfolgen ruhig eine Weile trauern

Viele Eltern können es kaum aushalten, wenn Ihr Kind trauert, weil ihm etwas nicht gelungen ist. Sie möchten diese Situation so schnell wie möglich überwinden und versuchen, ihr Kind abzulenken. Anstatt zu sagen „Das ist wirklich dumm gelaufen und ich verstehe, dass du dich ärgerst oder traurig bist“, schenken Sie Ihrem Kind zum Trost beispielsweise etwas außer der Reihe. Doch Misserfolge gehören zum Leben stets dazu, und früher oder später muss ein Kind auch lernen, sie allein auszuhalten. 

Seien Sie stark, und halten Sie sich in den folgenden Situationen künftig etwas zurück:

  • Ihr Kind ist auf einem Geburtstag nicht eingeladen worden.

    Sagen Sie: „Das ist nicht schön, aber du lädst ja auch nicht alle Kinder ein, die du kennst.
  • Ihr Kind hat auf dem Schulweg etwas verloren, an dem es sehr hing.

    Sagen Sie: „Schade, das ist traurig. Ich habe auch schon Dinge verloren, an denen ich sehr hing.
  • Ihr Kind fühlt sich von der Lehrkraft schnell ungerecht behandelt.

    Sie sagen: „Blöd, aber die hatte vielleicht einfach einen schlechten Tag.
  • Ihr Kind hat eine schlechte Note geschrieben.

    Sie sagen: „Denk nicht mehr an die Note, sondern lass uns lieber für die nächste Arbeit üben.

Strategie 3: Erfüllen Sie Ihrem Kind nicht gleich jeden Wunsch

Auch wenn es finanziell möglich ist, sollten Kinder lernen, dass sie nicht alles bekommen, was ihnen gefällt. Viele Kinder müssen sich gar nicht mehr dafür anstrengen, ein besonderes Spielzeug oder Buch zu bekommen. Für sie ist es selbstverständlich, dass die Eltern oder die Großeltern alles tun, um es glücklich zu machen. Dabei ist ein Geschenk viel wertvoller, wenn ein Kind lange darauf wartet oder sich dafür besonders anstrengen muss. 

Probieren Sie doch einmal die folgenden Möglichkeiten aus:

Kleinere Wünsche soll Ihr Kind sich von seinem Taschengeld erfüllen. Geben Sie ihm das Taschengeld wöchentlich und weisen sie es immer wieder darauf hin, wie viel ihm zur Verfügung steht. Sie können sich dabei an den aktuellen Taschengeld-Richtlinien orientieren.

Empfohlene durchschnittliche Taschengeldhöhe
AlterBetrag
unter 6 Jahre2,00 €
6 bis 7 Jahre2,00 bis 2,50 €
8 bis 9 Jahre2,50 bis 3,00 €
10 Jahre3,50 bis 4,00 €
11 Jahre4,00 bis 4,50 €
12 Jahre4,50 bis 5,00 €

Größere Wünsche werden nur zum Geburtstag, zu besonderen Anlässen oder zu Weihnachten erfüllt. Ihr Kind soll lernen, dafür zu sparen und auf die Wunscherfüllung zu warten.

Strategie 4: Lassen Sie Ihr Kind Fehler machen

Wenn Eltern ihren Kindern immer alles abnehmen, um ihnen jeden Misserfolg zu ersparen, lernt ein Kind nicht, auch solche unliebsamen Situationen auszuhalten oder zu meistern. Das gilt sowohl für schulische als auch für familiäre Anlässe.

Hier kann Ihr Kind ruhig Fehler machen:

  • Hausaufgaben sind Kindersache. Lassen Sie Ihr Kind auf jeden Fall weitgehend allein arbeiten, und nehmen Sie in Kauf, dass sich Fehler einschleichen. Bei der Hausaufgabenkontrolle in der Schule wird Ihr Kind darauf aufmerksam gemacht.
  • Beim Helfen im Haushalt gelingt Ihrem Kind sicher nicht gleich alles perfekt. Halten Sie es aus, wenn beim Kochen ein Ei herunterfällt, die Milch anbrennt oder die Nudeln hart bleiben. Hier lernt Ihr Kind, dass es beim nächsten Versuch etwas anders machen sollte.
  • Streit mit Freunden oder Geschwistern sollte Ihr Kind so oft wie möglich alleine regeln. Greifen Sie auf keinen Fall immer sofort ein, außer wenn die Situation eskaliert. Nur wenn Ihr Kind merkt, wie es sich mit seinem Verhalten von der Gruppe selbst ausschließt, kann es in einer späteren Situation anders reagieren.

So gehen Sie mit Jähzorn um

Bei nicht wenigen Kindern drückt sich eine geringe Frustrationstoleranz auch in Jähzorn aus. Sie bekommen schon bei geringen Anlässen heftige Wutanfälle und sind zunächst keinem Argument mehr zugänglich. In der akuten Situation sollten Sie Ihr Kind dann von den anderen trennen, damit es sich wieder beruhigen kann. Anschließend, wenn Ihr Kind sich beruhigt hat, ist es wichtig, über die Situation ausführlich zu sprechen. Fragen Sie Ihr Kind unbedingt, was die Ursache für sein Verhalten gewesen ist. Oft stellt sich heraus, dass Kinder etwas in sich hineingefressen haben oder Erwachsene etwas Wichtiges übersehen haben. Ist die Ursache erst mal erkannt, kann das Problem an der Wurzel gepackt werden.

Die Teppichkonferenz: Reden ist immer wichtig

Auch wenn Sie mit den aufgeführten Strategien die Frustrationstoleranz Ihres Kindes erhöhen, müssen Sie doch in akuten Situationen immer wieder reagieren. Wichtig ist dabei, dass Sie ein Gesprächsangebot machen, wenn die Wut verraucht ist. Die Teppichkonferenz bietet dafür eine gute Möglichkeit. Sie sollte zum Familienleben dazugehören und bei Konfliktsituationen stets angewendet werden. So gewöhnt sich Ihr Kind daran, sein Verhalten zu hinterfragen und nach Auswegen zu suchen. Das kann zwischen Kind und Erwachsenem genauso hilfreich sein wie bei Kindern untereinander. Ein Erwachsener Schiedsrichter ist dabei hilfreich.

Und so geht’s!

Vereinbaren Sie eine Uhrzeit und eine Dauer (15 Minuten dürften in der Regel ausreichen), und treffen Sie sich in der Mitte eines Teppichs. Setzen Sie sich im Schneidersitz gegenüber. Nun dürfen sowohl Ihr Kind als auch Sie jeweils fünf Minuten lang ungestört schildern, wie es zu dem Konflikt kam und wie sich die Beteiligten dabei gefühlt haben. Die letzten fünf Minuten sind den Lösungsvorschlägen vorbehalten.

Mein Tipp: Führen Sie ein Frust-Tagebuch

Das Erhöhen der Frustrationstoleranz bei einem Kind geht nicht von heute auf morgen. Um die Entwicklung zu verdeutlichen, kann es sehr hilfreich sein, ein Frust-Tagebuch zu führen. Notieren Sie schwierige Situationen in Stichworten, und halten Sie fest, welche Lösungsvorschläge in der Teppichkonferenz entwickelt worden sind und wie das Problem letztlich gelöst worden ist.