Gesunder Körper & Geist: Wie Bewegung und Sport das Lernen verbessern

Dass Bewegung gesund ist, Geist und Körper fit hält, und zwar von klein auf bis ins hohe Alter, ist kein Geheimnis mehr. Umso trauriger ist es, dass in der Pubertät, wenn körperliche Herausforderungen in vielerlei Hinsicht gerade gut wären, viele Heranwachsende ihre sportlichen Aktivitäten reduzieren oder ganz aufgeben. Sicher fordert die Schule nun mehr Zeit, doch ohne ausreichende Bewegung fällt in der Regel auch das Lernen schwerer.  

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Positive Effekte gezielt fördern!

Gleich vorneweg muss gesagt werden: „Motorische Förderung kann zu mehr Erfolg in der Schule führen. Ob motorische Förderung auch kognitive Funktionen wie zum Beispiel die Intelligenz beeinflusst, ist zwar beobachtet worden, ist aber nicht sicher nachzuweisen“ (Dr. Dieter Breithecker, Leiter der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V.).

Diese Aussage macht deutlich, dass sich Bewegungsförderung zwar positiv auf das schulische Lernen auswirken kann – viele Studien zu diesem Thema legen diesen Zusammenhang nahe –, ein direkter Wirkungszusammenhang ist aber wissenschaftlich bislang nicht nachweisbar. So ist zum Beispiel zu erklären, dass Kinder mit Bewegungseinschränkungen oder einer Körperbehinderung trotzdem eine hohe Intelligenz haben können bzw. Menschen mit besonderen sportlichen Fähigkeiten nicht automatisch sonderlich schlau sein müssen.

Bewegung gehört zur normalen Entwicklung eines Menschen dazu, und diese Erkenntnis ist auch der Ausgangspunkt für die Interpretation der wissenschaftlichen Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernen erforschen. Offensichtlich ist es gerade in jungen Jahren wichtig, dass Kinder ausreichend Möglichkeiten vorfinden, ihre Welt handelnd – also durch Bewegungen – zu erfahren. Je älter das Kind wird, umso mehr setzt es sich zusätzlich kognitiv – also denkend – mit seiner Umgebung auseinander. Doch wie genau kann nun Ihr heranwachsendes Kind von regelmäßiger Bewegung und Sport für das Lernen in der Schule profitieren?

Bewegung legt viele Grundlagen für das schulische Lernen

Zunächst noch ein paar Zeilen zur Bedeutung der frühen Bewegungsförderung. Das Wissen darüber kann Ihnen dabei helfen, eventuelle Schwierigkeiten Ihres heranwachsenden Kindes besser einschätzen zu können.

  • Durch das Spiel mit verschiedenen Gegenständen lernen Kinder unterschiedliche Formen kennen. Das Lernen von Buchstaben beispielsweise, also von zweidimensionalen Objekten, gelingt so leichter.
  • Durch die Bewegung im Raum sammeln Kinder Erfahrungen, die ihnen später das räumliche Vorstellungsvermögen erleichtern, z. B. bei abstrakten Rechenoperationen.
  • Bewegungen unterstützen die Entwicklung des Gefühls für Geschwindigkeit, Zeit und Rhythmus. Kontinuierliche Abfolgen, z.B. von Buchstaben, Wörtern oder Zahlen beim Sprechen, Lesen und Zählen werden so besser verstanden.
  • Durch Bewegungen nehmen Kinder ihre Welt „sinnlich“ war. Verantwortlich dafür ist das Sinnessystem. Seine Funktionstüchtigkeit ist die Grundlage für das geistige und motorische Lernen. Die bekanntesten Sinne sind Hören, Sehen, Riechen, Schmecken sowie der Tastsinn. Jede Sinn, vor allem der Tastsinn, übermittelt eine Vielzahl von Reizen (z. B. über Druck, Temperatur, Schmerz etc.), die aber nicht alle gleichermaßen bewusst werden. Um sich gegen eine solche sinnliche „Reizüberflutung“ zu schützen, lernt ein Mensch mit der Zeit, bestimmte Reize zu unterdrücken. Wenn dies jedoch nicht gelingt, kann das mit Schwierigkeiten verbunden sein. Ein Kind, das beispielsweise besonders empfindlich auf Lautstärke, Lichtreize oder Berührungen reagiert, kann sich nur schwer auf die eigentlich wichtige Lernaufgabe konzentrieren. Übermäßiger Konsum moderner Medien kann dazu beitragen, dass vor allem der Hör- und der Sehsinn überstimuliert werden.
  • Durch Bewegung werden die kinästhetische Wahrnehmung (Lage, Bewegung und Veränderung im Raum) und der Gleichgewichtssinn trainiert. Diese beiden weniger bekannten Sinne sind etwa dafür verantwortlich, dass Ihr Kind kontrollierte und koordinierte Bewegungen ausführen kann (wie z. B. unverkrampftes Schreiben) und es in der Lage ist, still zu sitzen. Ist z. B. der Gleichgewichtssinn nicht ausreichend entwickelt, hat das Kind in der Regel eine geringe Muskelspannung und wird so schnell müde – auch aufrechtes Sitzen fällt ihm schwer. Benötigen Kinder viel Energie für solche körperlichen Herausforderungen, kann es sein, dass ihnen die Kraft fehlt, sich zusätzlich ausreichend auf ihre Lernaufgaben zu konzentrieren.

Lesen, Schreiben und Rechnen sind also komplexe Vorgänge, bei denen ein Kind sowohl geistige als auch eine Vielzahl motorischer Leistungen fein aufeinander abstimmen muss. Je mehr Bewegungserfahrungen Kinder sammeln können, umso wahrscheinlicher ist es, dass dieser Prozess gut gelingt und auch älteren Kindern bzw. Jugendlichen das Lernen erleichtert. Zusätzlich bringen regelmäßige Bewegung und Sport gerade auch für ältere Schüler im Pubertätsalter eine Menge weiterer Vorteile mit, die das Lernen und Arbeiten für die Schule begünstigen:

Sport fördert die Selbstwahrnehmung und das Selbstvertrauen

Die deutlichste Veränderung in der Pubertät ist die körperliche (vom Kind zum Erwachsenen). Viele Jugendliche, ob Jungen oder Mädchen, schwanken in dieser Zeit zwischen Bewunderung und Hass für den eigenen Körper. Manchen Jugendlichen sieht man direkt an, dass sie sich in ihrem Körper gerade nicht sehr wohl fühlen, andere inszenieren ihren Körper durch extreme Kleidung oder Frisuren und tragen ihn zur Schau.

Sport ist in dieser Zeit für Ihr Kind eine gute Möglichkeit, seinen erwachsen werdenden Körper kennen zu lernen bzw. im Blick zu behalten. Hinzu kommt, dass gerade Jungen während der Pubertät vermehrt Muskelmasse bilden und ihr Körper dann geradezu nach physischer Aktivität verlangt. Unterdrückt Ihr Kind dieses Bedürfnis nicht (z. B. durch übermäßigen Medienkonsum), sondern betätigt es sich sportlich, gewinnt es eine immer bessere „Vorstellung“ von seinem Körper und wird versuchen, seine körperlichen Grenzen auszuloten und zu erweitern. Auf diese Weise wächst mit dem Vertrauen in den eigenen Körper auch das Vertrauen in das eigene Selbst.

Da gerade in diesem Alter die körperliche Entwicklung eng mit der geistig-seelischen Reifung verbunden ist, ist dieses „Vertrauen in das eigene Selbst“ auch für die Entwicklung einer stabilen und selbstbewussten Schülerpersönlichkeit sehr wichtig. Das Gleiche gilt selbstverständlich für die Mädchen. Ihr Körper bildet in der Pubertät (leider), oft sichtbare Fettpölsterchen, die Hüfte wird breiter, die Brust wächst, und die Regel setzt ein. Auch hier kann Sport Ihrer Tochter helfen, dem eigenen veränderten Körper vertraut zu bleiben, ihn anzunehmen und schließlich bis an seine Grenzen zu fordern. Außerdem: Je besser das Körpergefühl Ihres Kindes entwickelt ist, das heißt je mehr seine Wahrnehmung für den eigenen Körper geschärft ist, umso besser kann es später auch selbstständig Verantwortung für seinen Körper übernehmen, z. B. sich angemessen und gesund ernähren oder ausreichend schlafen etc.

Ist Ihr Kind ein „Bewegungsmuffel“?

Dann nehmen Sie Ihre Vorbildfunktion wahr!

Wenn niemand in Ihrer Familie aktiv Sport treibt oder sich auch nicht besonders für Sport interessiert, dann kann es sehr schwer sein, Ihr Kind ausgerechnet in der Pubertät für eine Sportart bzw. zum regelmäßigen Bewegen zu begeistern. Hier sind Sie als Eltern ganz klar gefordert! Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sport und körperliche Aktivitäten zu einem normalen Alltag dazugehören. Ganz selbstverständlich – also ohne den erhobenen Zeigefinger – sollten Kinder am besten von klein auf mitbekommen,

  • dass so oft wie möglich das Fahrrad statt des Autos oder Treppen statt des Fahrstuhls etc. benutzt werden,
  • dass freie Zeiten am Wochenende zusammen aktiv, z. B. im Schwimmbad, auf dem Fußballplatz, im Wald, bei der Gartenarbeit, auf dem Fahrrad etc. verbracht werden,
  • dass Sie, die Eltern, gerne und regelmäßig Sport treiben – als Ausgleich zum Beruf oder auch wettkampfmäßig,
  • dass Sie sich für den Sport Ihres Kindes sowie für andere sportliche Ereignisse interessieren und sich vor Ort oder in den Medien darüber informieren.

Bewegungspausen fördern Stressabbau, Konzentration und Motivation

Wenn Ihr Kind Sport treibt bzw. sich regelmäßig bewegt, verschafft es sich automatisch einen gesunden Ausgleich zum schulischen Lernen. Denn Bewegung kann verschiedene hormonelle und immunologische Vorgänge im Körper so beeinflussen, dass sie auch zum Stressabbau beitragen. Dieser Effekt tritt auch ein, wenn Ihr Kind während des Lernens beispielsweise:

  • immer wieder kurze Bewegungspausen einlegt, also z. B. eine halbe Stunde joggen oder schnell spazieren geht,
  • eine Zeit lang auf einen Basketballkorb wirft,
  • einige Runden mit dem Skateboard dreht, etc.

Bereits in solchen kurzen Pausen passiert nämlich Folgendes:

Durch die Bewegung verbessert sich die Sauerstoff- und Zuckerversorgung des Gehirns. Die Leistungsfähigkeit Ihres Kindes verbessert sich, weil die Verarbeitung von Informationen im Gedächtnis nun besser gelingt. Durch die Bewegung gibt Ihr Kind zusätzlich seinem natürlichen Bewegungsdrang nach. 

Wird dieses Bedürfnis nicht befriedigt, kann Ihr Kind unruhig oder müde werden, es lässt sich leichter ablenken und hat wenig Lust auf Lernen. Je länger der Bewegungsmangel anhält und je mehr Ihr Kind darunter leidet, umso weniger kann es sich auf seine aktuelle Lernaufgabe konzentrieren. Umgekehrt bedeutet das aber, dass ausreichend Bewegung bzw. Bewegungspausen die Konzentration und das Wohlbefinden Ihres Kindes deutlich positiv beeinflussen können. Beides, die verbesserte Leistungsfähigkeit des Gehirns und die verbesserte Konzentrationsfähigkeit tragen dazu bei, dass Ihr Kind lieber, also motivierter lernt.

Diese Zusammenhänge treffen nicht nur auf Kinder und Jugendliche, sondern auch auf Erwachsene zu. Denn auch bei erwachsenen Menschen kann körperliches Wohlbefinden durch ausreichend Bewegung zu mehr Konzentration, Motivation und Leistungsfähigkeit führen.

Sport fördert das Selbstbewusstsein bei Misserfolgen in der Schule

Vorausgesetzt, Ihr Kind hat „seine“ Sportart gefunden und ist dort erfolgreich, wird es von diesen Erfolgen auch nachhaltig für sein Selbstbewusstsein zehren können. Ihr Kind spürt, was es kann, und erfährt, dass der Preis für Anstrengung und Durchhaltevermögen gute Leistungen und Anerkennung sind. Das spornt an und motiviert Ihr Kind, sich auch weiteren, vielleicht noch höheren Herausforderungen zu stellen. Solche Erfahrungen stärken die Persönlichkeit Ihres Kindes, denn Ihr Kind erlebt unmittelbar, was es selbst, aus eigener Kraft, bewirken kann. Solche positiven Verstärker sind vor allem dann für Ihr Kind wichtig, wenn es in der Schule gerade nicht so gut läuft.

Ein befreundeter Erlebnispädagoge erzählte uns einmal, dass er immer dann mit seinem Vater zum Klettern gegangen ist, wenn er in der Schule mal wieder eine Niederlage verdauen musste. Beim Klettern am Berg konnte er sich selbst und seinem Vater dann zeigen, was er wirklich konnte, und so sein Selbstbewusstsein wieder aufbauen. Dieses Hobby hat der damalige „Schulversager“ später zu seinem Beruf gemacht und geht heute mit schwierigen Jugendlichen zum Klettern.

Sport fördert die Aufmerksamkeit

Wenn Ihr Kind regelmäßig Sport treibt, lernt es – egal bei welcher Sportart –, sich auf den Punkt genau zu konzentrieren. Steht es beim Fußball im Tor, rächt sich jede kleine Unaufmerksamkeit sofort. Schwimmt es einen Wettkampf, muss es all sein koordinatives Vermögen, seine Ausdauer und seine Kraft für genau diese kurze Zeit mobilisieren. Und spielt es ein Tennismatch, dann muss es nach einem verlorenen Punkt seine Aufmerksamkeit immer wieder neu sammeln. Diese Fähigkeit, sich im entscheidenden Moment konzentrieren zu können, kommt Ihrem Kind auch beim Lernen für die Schule und bei Prüfungen zugute.

Sport fördert Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, (Lern-)Probleme zu lösen

Beim Sport kann Ihr Kind hervorragend den Umgang mit Misserfolgen trainieren. Eine schlechte Laufzeit, ein verpatzter Aufschlag, ein verlorenes Turnier – sicher ist das kein Weltuntergang. Doch je nachdem, mit wie viel Leidenschaft Ihr Kind seinen Sport betreibt, kann es eine solche sportliche Niederlage schlimmer empfinden als eine 5 in Mathe. Entscheidend ist, wie Ihr Kind mit solchen Misserfolgserlebnissen umgeht. Im Sport ist selten der Gegner schuld, vielmehr kommt es darauf an, an der eigenen Leistung zu arbeiten. Dem geht eine Fehleranalyse voraus: Was ist mir gut gelungen? Wo habe ich bzw. mein Team noch Schwächen? Wie kann/können ich/wir an diesen Schwächen arbeiten? Also nicht aufgeben, den Kopf in den Sand stecken und andere verantwortlich machen für die eigene Pleite, sondern Durchhaltevermögen beweisen, Fehler analysieren und ein effizienteres Trainingsprogramm erarbeiten. Wenn Ihr Kind lernt, auf diese Weise auch mit seinen anderen, nichtsportlichen Niederlagen umzugehen, befindet es sich auf einem guten Weg zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen (Schüler-) Persönlichkeit.

Sport fördert das soziale Lernen

Ob bei einer Einzelsportart wie etwa Schwimmen, Judo oder Tennis oder bei einer Mannschaftssportart wie z. B. Fußball, Basketball oder Hockey: Nur wer sich als Teil der Mannschaft versteht, wird sich bei seinem Sport auch richtig wohl fühlen. Sicher zeigt sich bei den Mannschaftssportarten offensichtlicher, wer ein wirklicher „Teamplayer“ ist, aber auch bei den Einzelsportlern gibt es genug Gelegenheiten, das unter Beweis zu stellen. Wenn Ihr Kind Sport mit gleichaltrigen Jugendlichen treibt, lernt es, fair zu sein, Kompromisse einzugehen, mal zurückzustecken oder sich auch mal durchzusetzen.