Lesemarathon

Immer wieder wird beklagt, dass unsere Kinder heute lieber vor der Glotze sitzen als sich mit einem Buch zu beschäftigen. Aber es geht auch anders! 

In der PISA-Studie von 2000 (und bestätigt durch die Ergebnisse späterer Jahre) zeigte sich, dass deutsche Kinder mit ihrer Lesekompetenz grade mal so im europäischen Durchschnitt liegen. Und fast ein Viertel der getesteten Jugendlichen konnte nur auf einem „elementaren Niveau“ lesen.



Deswegen finde ich die Bemühungen zur Leseförderung an unserer Grundschule wirklich gut. In Martins und Hannas Klasse fährt die Lehrerin zweigleisig. Es gibt eine feste Lesehausaufgabe von 5-mal 10 Minuten Lesen pro Woche, was wir Eltern durch unsere Unterschrift bestätigen müssen – denn auf freiwilliger Basis (für den Lesepass) haben gerade diejenigen Kinder, die es am nötigsten hätten, nicht genug gelesen. Und zusätzlich gibt es einen Lesepass, für den die Kinder zusätzlich freiwillig lesen können. Pro 10 Minuten Lesen (was gelesen wird, steht den Kindern frei – Hauptsache, es macht ihnen Spaß!) gibt es von den Eltern eine Unterschrift. Für 5 Unterschriften gibt es von der Lehrerin eine Perle für den „Lesewurm“.



Jedes Kind, das zusätzlich lesen möchte, bekommt so einen Lesewurm. Dieser hängt im Klassenzimmer an der Wand und besteht aus einer Schnur, auf die die „erlesenen“ Perlen aufgefädelt werden. Und pro Monat bekommen diejenigen drei Kinder, die den längsten Lesewurm haben, ein kleines Geschenk.



Zusätzlich geht die Klassenlehrerin von Martin und Hanna jeden Monat einmal mit der Klasse in die Bücherei und jedes Kind darf sich ein Buch ausleihen. Martin hatte sich im November einen ganz dicken „Schinken“ mit 344 Seiten ausgeliehen – eigentlich ein Buch für Kinder ab 10 Jahren, aber da er ein sehr eifriger Leser ist, erlaubte ihm die Lehrerin, sich so etwas auszuleihen.



Das Buch („Tom O´Donnell – Feuer in Atlantis“ von Marco Sonnleitner) war offenbar recht spannend, den Martin las fleißig darin. Trotzdem war er gestern erst auf Seite 280 und muss es doch morgen in die Schule mitnehmen, um es wieder abzugeben. Also las er gestern volle zwei Stunden und heute noch einmal. Dann kam er ganz erledigt zu mir und meinte: „Ich kann jetzt einfach nicht mehr lesen, aber morgen muss ich es abgeben und ich hätte so gerne gewusst, wie es ausgeht.“



Also las ich ihm die noch fehlenden Seiten von 317 bis 344 vor – meine Stimme war danach ein wenig lädiert… Aber meinem Sohn die Lesefreude erhalten zu haben, war es mir wert! Das Vorlesen war für beide Kinder (auch Hanna gesellte sich bald hinzu) so interessant, dass sie gerne auf ihr abendliches Fernsehprogramm verzichteten, nur um das Ende der Geschichte zu hören. Da soll noch einer sagen, dass Kinder sich nicht für Bücher begeistern können und sich lieber vom Fernsehen berieseln lassen!



Noch ein kleiner Nachsatz: Bücher wie „Tom O´Donnell“, die speziell für Jungen oder gleichermaßen für beide Geschlechter spannend sind, sind besonders wichtig, denn gerade Jungen sind „Lesemuffel“. Daraus ergibt sich die nächste Hürde für Jungen: Die meisten Verlage bringen pro Jahr deutlich mehr Bücher für Mädchen heraus als für Jungen! Und das Vorlesen ist auch ein recht „weiblicher“ Job (vorwiegend Mütter oder Erzieherinnen im Kindergarten!). Deshalb mein Aufruf an alle engagierten Papas: Lesen Sie Ihren Kindern – Mädchen wie Jungen – mehr vor!