Verbote bei Teenagern: Wann platzt die Bombe?

Wenn Ihr Kind bereits in der Pubertät ist und langsam erwachsen wird, ist es für Sie als Eltern nicht immer leicht zu entscheiden, ob ein Verbot die richtige pädagogische Maßnahme ist bzw. ob Sie Ihrem (fast) erwachsenen Kind überhaupt etwas verbieten können.  

Inhaltsverzeichnis

Wie lange können Sie Dinge verbieten?

Verbote können Strafen sein, müssen es aber nicht! Das möchte ich Ihnen anhand von drei Fallbeispielen aus meiner Beratungspraxis zeigen: Bei den ersten beiden Beispielen geht es demnach auch nicht um Strafen, sondern um Verbote, die die Mütter aus Sorge, um ihren Nachwuchs zu schützen oder auch aus rechtlichen Gründen aussprechen. Das dritte Beispiel zeigt anschaulich, wie wenig Wirkung Verbote als Strafe zeigen. 

Fallbeispiel 1: Ausgehen bis spät abends 

Ihre Tochter, so berichtet Beate Müller, Mutter von drei Töchtern im Alter von elf, 13 und 17 Jahren, würden schnell durchdrehen, „wenn ich mal Nein sage, ihnen etwas verbiete“. Vor allem die Älteste, Sophie, würde sofort „durchdrehen, fluchen, rumschreien, wenn es nicht nach ihrem Willen geht“. Die wäre vor zwei Wochen gekommen, habe gefragt, ob sie in die Stadt, nach Hamburg, reinfahren könne. Natürlich habe sie „Ja“ gesagt, in der Annahme, sie käme zu einer „normalen Uhrzeit, so spätestens um acht Uhr abends zurück. Es war unter der Woche. Und Sophie musste am nächsten Tag früh in die Schule“. Da wäre ihre Tochter durchgedreht, weil sie bis zwölf Uhr nachts bleiben wolle („Das Kino geht so lange!“). Sie wäre ruhig geblieben, habe ihr erklärt, sie könne ja einen „Kinofilm früher besuchen“. Doch das hätte ihre Tochter nicht gewollt:

„Die hat auf ihrem Standpunkt beharrt, ich auf meinem!“ Sie atmet tief aus: „Schließlich habe ich eine Verantwortung.“ Und dann gebe es noch ein „Jugendschutzgesetz“. Sie finde es ja nicht so gut, Gesetze als Argumentationshilfe anzuführen, lieber habe sie es, Sophie würde vernünftigen Überlegungen folgen, „aber wenn’s nicht geht, dann ist auch mal Schluss mit lustig! Dann ist Ende der Diskussion!“. So habe sich die Auseinandersetzung unendlich lange hingezogen, bis „ich die Faxen dicke hatte, aufgestanden bin, meine Tochter angeschaut und mich klar ausgedrückt habe: ‚Du bist um acht Uhr zu Hause!‘“. Sie habe sich noch gedacht: „Oh Gott, Beate, das war jetzt unpädagogisch, völlig daneben!“

Sophie wäre aufgesprungen und habe mit den Worten „Du wirst schon sehen, was du davon hast! Du siehst mich nie wieder!“ aus dem Zimmer gerannt. So wäre ihre Sophie eben, „da hat sie was von mir“, lächelt Beate Müller, sie raste schnell aus und kriege sich nicht mehr ein. Die Mutter überlegt: „Aber ich finde, irgendwie reagiert sie ja auch normal. Ich will keine angepasste Tochter, die jedes Verbot schluckt und die schnell nachgibt.“

Sie stockt kurz: „Aber ich kann doch nicht jedem Wunsch nachgeben. Ich habe doch auch eine Verantwortung für mein Kind, egal wie alt es ist.“ Sie macht eine Pause: „Zumindest wenn es noch zu Hause wohnt!“

Fallbeispiel 2: Übernachten mit dem Freund

Fallbeispiel 2: Übernachten mit dem Freund

„Richtig, genau richtig“, fällt ihr Marlene Hubert ins Wort, als sie das hört. Sie verstehe ja den Freiheitsdrang ihrer 15-jährigen Katharina: „Aber manchmal überzieht die!“ Sie verstehe es, wenn „man total verknallt ist“. Aber dann wäre „der Verstand eben auch schnell im Eimer.“

Ihre Katharina wäre neulich gekommen und habe gefragt, „ob Boris bei mir übernachten kann“. Sie wäre erschrocken gewesen: „Gut, ich mag Boris, ein richtig netter Kerl.“ Er sei zwei Jahre älter als ihre Tochter und mache „einen sehr verantwortungsbewussten Eindruck!“ Und sie wären ja nun schon ein Jahr zusammen. Aber Katharina wäre ja „noch nicht ganz sechzehn. Erst im nächsten Monat ist es so weit“. Spontan habe ich geantwortet: „Nein, das möchte ich nicht!“

Dann wäre das Fegefeuer über sie hereingebrochen. Katharina wäre ausgeflippt, habe sie mit „übelsten Worten“ angeschrien. „Du musst mich doch auch verstehen“, habe sie den Faden wieder aufgenommen. „Ich meine es doch gut mit dir. Und ich finde das alles zu früh!“ Da wäre ihre Tochter aufgesprungen: „Was denkst du eigentlich?“, habe sie gebrüllt. „Denkst du, ich will mit Boris ficken?“ Und mit verächtlichem Unterton habe sie noch hinzugefügt: „Ficken kann ich auch auf dem Nachhauseweg im Busch, so wie du es mit Papa gemacht hast!“

Sie wäre dann aufgesprungen, in das Schlafzimmer gerannt und habe „hemmungslos geheult“. Als sie nach einer halben Stunde ins Wohnzimmer zurückgekommen wäre, „da saß meine Tochter immer noch da, mit verheulten Augen und schluchzte: ‚Du versaust mein ganzes Leben. Warst du denn nie verliebt?‘“. Sie wäre dann auf ihre Tochter zugegangen, habe sie in den Arm genommen: „Katharina hat sich das gefallen lassen. Sie hat sich an mich geschmiegt. Und ich habe ihr gesagt: ‚Ich denke, wir finden eine Lösung!‘“

Fallbeispiel 3: Zu hoher Medienkonsum

Fallbeispiel 3: Zu hoher Medienkonsum

Er habe da ein anderes Problem, erklärt Peter Harder, als er die Geschichten gehört hat. „Bei mir kracht es ständig wegen des Fernseh- und Computerkonsums meines 15-jährigen Sohnes Ole.“ Der hänge ständig vor dem Bildschirm, zieht sich alles „rein, ganz nach dem Motto: Genug ist nicht genug“. Es gäbe da schon „Absprachen, so etwa 90 Minuten pro Tag“. Ole wäre damit einverstanden, vor allem auch mit dem Grundsatz: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, also erst die Schulaufgaben, die häuslichen Pflichten, Mülleimer runterbringen, Geschirrspüler ausräumen, Tisch abdecken, dann Computer und Fernsehen.“ Aber er würde sich nicht an die zeitlichen Vorgaben halten, er habe „immer neue Ausreden, Ausflüchte“.

Die Stimme des Vaters bekommt einen genervten Klang: „Und irgendwann geht einem das so etwas von auf den Senkel. Dann reißt einem der Geduldsfaden!“ Er schüttelt seinen Kopf: „Wer nicht hören will, muss eben fühlen!“ Neulich habe er seinem Sohn den „Fernseher aus seinem Zimmer geholt, den Internetzugang gekappt, das Handy weggenommen“. Der Vater lächelt gequält: „Ich habe ihm eine medienfreie Zeit spendiert. Für eine Woche!“ Und sein Sohn habe das „klaglos akzeptiert“. Er wisse nicht, ob „er woanders am Computer oder vor dem Fernseher saß, war mir auch egal!

Der brauchte seine Lektion“. Aber gelernt habe sein Sohn nichts daraus: „Alles ging so weiter wie bisher!“ Dann habe er nach einiger Zeit „das Strafmaß auf zwei Wochen erhöht“. Aber geholfen hat das nicht wirklich, denn kaum habe sein Sohn wieder Zugang zu „diesem Teufelszeug“ gehabt, ging „das Theater wieder von vorne los“. Als er den Medienentzug auf vier Wochen ausdehnen wollte, habe sein Sohn ganz ruhig gemeint: „Papa, du hast die schwächeren Nerven. Überleg’ dir mal was Klügeres!“ Da wäre er ins Grübeln gekommen und habe das Gespräch mit seinem Sohn gesucht: „Und wir haben eine Lösung gefunden!“

Pubertät: 2 Fronten treffen aufeinander

Pubertät: 2 Fronten treffen aufeinander

Die Beispiele oben zeigen an typischen Konfliktsituationen:

Wenn Eltern erziehen und zugleich die Beziehung zu ihren heranwachsenden Kindern aufrechterhalten wollen, dann treffen zwei ganz verschiedene Welten aufeinander:

  • Ihr Kind will Freiheit und Abenteuer!

    Auf der einen Seite ist da Ihr pubertierendes Kind, das sich in die Welt aufmacht, sich die Freiheit nimmt, Grenzen zu überschreiten, sie einreißt, unbekanntes Terrain erkundet und sich dabei wenig um Regeln oder Absprachen kümmert. Pubertierende wollen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse – nicht irgendwann, sondern sofort und auf der Stelle. Wer das nicht versteht – und das sind ja meistens die Eltern –, versteht die Heranwachsenden nicht. Solche Erwachsene sind uncool, uneinsichtig, „versauen“ einem die Zukunft.
  • Sie haben eine Erziehungsverantwortung!

    Und auf der anderen Seite sind dann Sie, Vater oder Mutter, Erwachsene, die in einer Erziehungsverantwortung stehen. Sie nehmen schnell wahr bzw. wissen, dass Sie, wenn Sie dieser Verantwortung nachkommen, schnell – aus der Sicht Ihres Kindes – „peinlich“ werden.
  • Sie haben einen Erfahrungsvorsprung!

    Als Eltern haben Sie einfach auch Erfahrungsvorsprünge, die für Ihr heranwachsendes Kind wichtig sind, weil sie Halt und Orientierung geben. Ihre Erfahrungsvorsprünge werden allerdings dann in der Kommunikation mit Ihrem Kind zu einem Problem, wenn Sie sich als Besserwisser aufspielen.
  • Sie sind an rechtliche Vorgaben gebunden!

    Ihr elterliches Erziehungshandeln kann nicht losgelöst von rechtlichen Überlegungen betrachtet werden. Das Jugendschutzgesetz regelt das nächtliche Ausgehen (und Nach-Haus-Kommen) ebenso wie den Umgang mit Alkohol. Als Eltern sind Sie daran gebunden und müssen auf die Vorgaben bestehen. Das bedeutet aber: Heranwachsende sehen den Sinn solcher rechtlichen Regelungen nur selten ein und empfinden Eltern, die darauf bestehen, als „Polizisten“, die kein Verständnis für sie haben, weil sie ihnen jeden Spaß nehmen. Solche rechtlichen Vorgaben, genauso wie weitere Normen und Werte, geben jedoch den Rahmen vor, der ein verträgliches Miteinander erst garantiert. Wenn Ihr Kind sich nun die Freiheit nimmt, gegen diese rechtlichen Vorgaben, Normen und Werte zu verstoßen bzw. sie zu ignorieren, dann muss es auch die Konsequenzen, die sich aus diesen Regelverstößen ergeben, aushalten. Diese Konsequenzen können unterschiedlich aussehen: Sie reichen von natürlichen Folgen über Wiedergutmachung bis hin zu Verboten.