Die erste Liebe des Teenagers verändert die Mutter-Kind-Beziehung

Die erste Liebe des Kindes ist nicht nur für den Teenager selbst ein aufregendes Erlebnis. Auch bei den Eltern wird dadurch vieles verändert. Zu der Freude der Eltern gesellen sich aber auch oft Sorgen und Trauer hinzu. Lesen Sie hier, welche Gefühle und Fragen die erste Beziehung des Kindes oft auslösen und wie Sie am besten damit umgehen können. 

Inhaltsverzeichnis

Loslassen und Freiraum geben

Leon (16) ist wie ausgewechselt, seitdem er seine Freundin hat. Er hat sich in der Schule verbessert und ist stimmungsmäßig besser drauf. Sie scheint einen echt guten Einfluss auf ihn zu haben. Auf der anderen Seite merke ich natürlich, dass wir Eltern jetzt weniger wichtig sind. Sie ist jetzt die Nr. 1, das spüren wir ganz deutlich. Mein Mann findet das total ok, aber ich bin manchmal richtig traurig darüber.“ Frau P. beißt sich auf die Lippen, Tränen stehen in ihren Augen. Fragend sieht sie mich an: „Aber das ist doch peinlich, oder? Eigentlich sollte ich mich doch darüber freuen, dass es Leon so gut geht? Mein Mann kann nicht nachvollziehen, wie es mir geht, und ich verstehe das selber nicht.

Eigentlich ist das Paar P. wegen Beziehungsproblemen zu mir in die Praxis gekommen. Heute schien aber das Thema „Leon und seine erste Freundin“ wichtig zu sein. Frau P. ist sichtlich angeschlagen, sie hat das diffuse Gefühl, Leon zu verlieren. Gleichzeitig schämt sich aber auch für ihre Gefühle, da sie weiß, dass sie ihren Sohn loslassen muss. Da ihr Mann kein Verständnis für ihr Empfinden aufbringen kann, geriet das Paar darüber sogar in Streit.

Dabei hat Frau P. gar keinen Grund, sich ihrer Gefühle zu schämen. Lange und intensiv hatte sie sich um Leon gekümmert, und lange war sie seine wichtigste Ansprechpartnerin und Bezugsperson gewesen. Dass sich das (vermeintlich) plötzlich verändert hat, nagt an ihrem Selbstwertgefühl. Auch beschäftigt Frau P. sich mit der Frage, wie es in ihrer Ehe aussieht. Konfrontiert durch das Verliebtsein des Sohnes merkt sie ganz deutlich, dass sie im Kontakt zu ihrem Mann einiges vermisst, was sie in der Anfangszeit so aufregend fand, zum Beispiel, dass ihr Mann und sie oft tanzen gingen. 

Kummer, Freude, viele Fragen: Was die erste Liebe ihres Kindes bei Eltern oft auslöst

Vielen Müttern geht es ähnlich wie Frau P., wenn ihr Sohn zum ersten Mal eine Freundin hat. Sie fühlen sich in die zweite Reihe gestellt. Dazu gesellen sich oft noch Fragen in Bezug auf das eigene Leben, denn das „junge Glück“ stellt die eigene Ehe/Partnerschaft ordentlich auf den Prüfstand. Typische Themen, die durch die erste Liebe des Kindes aufgewühlt werden, sind z.B.

  • Wie geht es jetzt mit mir weiter, wenn mein Kind mich nicht mehr so viel braucht? Werde ich jetzt unwichtig für es?
  • Wie kann ich die entstehende Leere jetzt füllen? Brauche ich ein neues Hobby, neue Freunde?
  • Wie steht es um meine aktuelle Partnerschaft? Werde ich noch begehrt? Hat sich der Reiz der Anfangszeit schon lange verflüchtigt und wir leben nur noch nebeneinander her?
  • Wie gehe ich damit um, dass die Freundin meines Sohnes jung und attraktiv ist und ich langsam älter werde?

Wie Sie als Eltern dem Freund/der Freundin Ihres Kindes begegnen sollten

Begegnen Sie dem Freund/der Freundin offen und höflich. Fragen Sie ihn/sie nicht gleich aus, schon gar nicht nach statusrelevanten Themen wie Beruf der Eltern oder finanziellen Möglichkeiten. Wichtig ist, dass Sie erst einmal Kontakt aufnehmen und sich interessiert an der jeweiligen Person zeigen.

Viele Mütter gehen mit der Freundin des Sohnes unbewusst in Konkurrenz. Das äußert sich darin, dass sie das Mädchen besonders kritisch beäugen, mit den eigenen Ansprüchen abgleichen oder sogar schlecht machen. Das ist für den Sohn problematisch, er gerät in Gewissenskonflikte. Für Mädchen gilt umgekehrt dasselbe: Wenn der Vater den Freund ablehnt, ist das auch für die Tochter eine schwierige Situation. Denn in der Regel erhoffen sich Teenager, dass ihre Eltern die Menschen akzeptieren, die sie selber mögen.

Allerdings sollten Eltern schon ihre ehrliche Meinung sagen, wenn sie dem Freund/der Freundin skeptisch gegenüberstehen. Dabei spielt die Haltung und Wortwahl allerdings eine wichtige Rolle. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob jemand sagt: „Die Lena ist doch viel zu dumm für dich!“ oder „Auf den ersten Blick passt ihr gar nicht so gut zusammen. Mich würde unheimlich interessieren, was du an ihr so magst!

Loslassen und Freiraum geben. Oder: Warum Frau P. alles richtig macht

Frau P. versucht, ihre schmerzlichen Gefühle von Abschied und Verlust anzunehmen. Sie weiß intuitiv: Erst wenn sie diese verarbeitet, kann sie Leon loslassen. Und Leon braucht jetzt ihren Segen, der da heißt: „Du darfst erwachsen werden und glücklich sein, wie und mit wem auch immer.

In der Beratung arbeiteten wir noch daran, dass Herr P. seine Frau besser verstehen konnte. Er entdeckte, dass sein Unverständnis ein Abwehrverhalten aus unbewusster Eifersucht war: Er hatte in der Vergangenheit durchaus öfter mal das Gefühl gehabt, dass seine Frau Leon mehr liebte als ihn. Nun konnten sie miteinander über ihre Wünsche und Gefühle sprechen, was zu einer Stärkung ihrer Partnerschaft führte. Am Ende der Sitzung versprach Herr P. seiner Frau, sie demnächst zum Tanzen auszuführen.