Was tun bei Mobbing in der Schule?

Gewalt und Aggressionen an Schulen haben viele Gesichter. Dennoch sollten spektakuläre Einzelfälle nicht den Blick auf jene schulische Normalität verstellen, in der Lehrer, Schüler und Eltern versuchen, ein soziales Miteinander zu leben. 

Inhaltsverzeichnis

4 Säulen die Mobbing verhindern

Wer offenkundige und destruktive Brutalität leugnet, sie verkennt, übersieht oder wer nachgiebig ist, der begünstigt zerstörerische Aggressionen von Schülerinnen und Schülern. Leugnen und Wegschauen sind eine wichtige Rahmenbedingung dafür, warum an einigen Schulen destruktive Aggressionen auftreten. Ich beobachte das immer, wenn eine Schule im wahrsten Sinne des Wortes „brennt“ und mir dann gesagt wird, das alles käme aus „heiterem Himmel“. Aus „heiterem Himmel“ kommen Aggressionen nicht, man hat die Gewitterwolken am Horizont übersehen. Aggressionen haben in der Regel eine lange Vorlaufphase hinter sich.

Die Qualität der Gewalt hat sich verändert

Wer Gewalt und Brutalität ignoriert, schafft Raum, damit sie sich dort ungehemmt entfalten können. „Das war doch schon immer so“, ist also kein Argument. Vielmehr geht es darum, die veränderten Qualitäten wahrzunehmen. Noch vor 30 oder 50 Jahren haben sich Gewalt und Brutalität mitunter ganz anders dargestellt.

  • Unverkennbar ist, dass die gewaltbereite Minderheit größer geworden ist. Lag sie vor drei Jahrzehnten noch bei 2 Prozent aller Jugendlichen, so sind es – nach neuen Berechnungen – nun etwa 7 Prozent. War die zerstörerische Gewalt einst Jungensache, so machen nun schon 12- bis 14-jährige Mädchen durch verbale Aggressivität und Brutalität gegen Sachen auf sich aufmerksam.
  • Zudem ist die Gewalt vielfältiger, komplexer geworden. Sie reicht von sprachlichen Aggressionen (Spotten, Beschimpfen, Auslachen, erniedrigende Ausdrücke etc.) über Vandalismus (auf dem Schulhof und Schulweg, in den Klassenräumen und der Turnhalle, am Unterrichtsmaterial etc.), von Attacken auf Mitschüler über Gewalt gegen Lehrer, von Schulunlust, Schulverweigerung über Schulschwänzen, von Mobbing und Bullying über ein schlechtes schulisches Klima bis hin zur Null-Bock-Stimmung.
  • Hinzu kommt, dass oft allzu vorschnell alles in einen Topf geworfen und ein wüster, undifferenzierter, geschmackloser Gewaltbrei gekocht wird. Da wird aus dem harmlosen Necken, wie es unter Kindern üblich ist, schnell „Mobbing“, da wird aus dem Rangeln und Raufen, aus dem natürlichen körperbetonten Kräftemessen kurzschlüssig eine brutale Schlägerei. Nur wenn man die Kirche im Dorf lässt nicht mit modernistischen Überhöhungen um sich schmeißt, wird man den wirklich besorgniserregenden, problematischen Trends gerecht, mit denen die Gewalt an und in Schulen heute daherkommt.

Was ist Mobbing?

Ich benutze das Wort „Mobbing“, obgleich es korrekter wäre, von Bullying (von bully = Opfer) zu sprechen. Da sich aber Mobbing umgangssprachlich durchgesetzt hat, bleibe ich hier bei dieser Bezeichnung.

Mobbing ist Bestandteil eines aggressiven Verhaltens, das darauf ausgerichtet ist, jemand anderen gezielt zu schädigen. Beim Mobbing spielt der soziale Zusammenhang eine ganz zentrale Rolle. Mobbing findet meist in einer stabilen Gruppe statt, die sich durch ungleiche Machtverhältnisse auszeichnet. Der Täter oder die Täterin verfügt über physische Kräfte bzw. verbale Fähigkeiten, die sie in eine „Chef“ oder Bestimmer-Rolle bringen. Das Opfer kann sich dem Druck oder der Schädigung nicht entziehen, es öffnet sich anderen oft sehr spät, um die Übergriffe mitzuteilen. Von Mobbing redet man, wenn die Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum stattfinden und sich in immer neuen quälenden Varianten wiederholen.

Wie können Schule und Eltern Mobbing unterbinden bzw. verhindern?

Dazu sind Maßnahmen auf vier Ebenen nötig:

  1. Schaffen eines freundlichen und verantwortungsbewussten Schulklimas.

    Mobbing wird unterstützt (nicht erzeugt!) durch ein unfreundliches, unsoziales Schulklima. Mobbing findet oft in wenig einsehbaren Räumen, Gängen, Fluren und Ecken statt, wo Aufsicht fehlt oder keine Verhaltensregeln festgestellt sind.
  2. Fördern der sozialen und kommunikativen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler.

    Diese Fähigkeiten vermögen Mobbing nicht zu verhindern, aber sie können es begrenzen. Je offener das Miteinander ist, umso weniger gibt es Heimlichkeiten, die eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen von Mobbing sind. Anders ausgedrückt: Je mehr Geheimnisse in den zwischenmenschlichen Beziehungen an einer Schule existieren, umso eher können sich Gemeinheiten, Lügen, Machtmissbrauch, Erpressung, Nötigung und fehlender Respekt breitmachen.
  3. Die Täter müssen mit den Folgen ihres Tuns konfrontiert werden.

    Nur so können Sie ein Schuldbewusstsein aufbauen und ein moralisches Gewissen entwickeln. Dazu sind mit den Tätern von Seiten der Schule Einzelgespräche zu führen und ist auf Wiedergutmachung zu drängen. Die Einbeziehung der Eltern ist dabei unumgänglich – häufig leider allerdings unmöglich.
  4. Die Opfer müssen gestärkt werden.

    Beim Mobbing, wie bei anderen aggressiven Handlungen auch, vergisst man häufig die Opfer. Während man sich um die Täter kümmert, übersieht man die Geschädigten. Gerade beim Mobbing kommt es aber darauf an, dass das Opfer lernt, Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein auch körperlich überzeugend auszudrücken. Kinder bzw. Jugendliche sollten daher möglichst frühzeitig lernen, ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit deutlich nach außen zu senden – nach dem Motto: „Fass mich nicht an!“ Hilfe zur Selbsthilfe ist hier also notwendig, um den Opfern das sichere Gefühl zu vermitteln, sich in Zukunft eigenständig gegen Übergriffe behaupten zu können.

Mobbing verhindern: Das ist auch Aufgabe der Schule

Auch wenn die Ursachen für Gewalt an Schulen vielschichtig sind und Faktoren von außen (Familie, Medien) mit hineinspielen, so kann die Institution Schule selbst eine Menge zur Verbesserung des Betriebsklimas und der interpersonellen Beziehung tun.

1. Verbesserung der organisatorischen Maßnahmen

Auf struktureller Ebene kann durch gezielte organisatorische Maßnahmen der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag konkretisiert sowie zugleich das Verantwortungsbewusstsein und das Einfühlungsvermögen aller Beteiligten gestärkt werden. Solche Maßnahmen könnten zum Beispiel sein:

  • das Erarbeiten von konkreten sozialen Verhaltensregeln in den Schulklassen,
  • gezielte Präsenz von Lehrern in unbeobachteten Räumen,
  • Schulprojekte, Projektwochen etc.

2. Stärkung der pädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte

Es ist notwendig, den Lehrkräften mehr fundierte Hintergrundwissen über das aggressive Verhalten von Heranwachsenden zu vermitteln. Nur so erwerben die Lehrerinnen und Lehrer mehr Handlungssicherheit im Umgang mit schwierigen Kindern und Jugendlichen.

3. Schaffen eines sozialen und kommunikativen Miteinanders im Kollegium

Was man aus der Familientherapie längst weiß – nämlich dass sich machtorientierte, ungleiche Strukturen auf der Elternebene im Verhalten der Kinder spiegeln –, sollte auch Eingang in die Beratung von Lehrerinnen und Lehrern finden. Ich habe in meiner Arbeit so manches Mal erlebt: Die gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Schüler-Schüler-Ebene stellen oft ein Abbild des Machtgefälles auf der Lehrer-Lehrer Lehrer-Ebene dar. Das Kollegium ist Vorbild. Nimmt es diese Aufgabe nicht an, darf man sich nicht wundern, wenn es zwischen den Schülern zu keinem Miteinander kommt und Konkurrenz und Missgunst dominieren. Solange es an vielen Schulen – vor allem an den weiterführenden – noch die wichtigen und weniger wichtigen, gar unwichtigen Fächer sowie eine sich daraus ableitende subjektive Einschätzung des einzelnen Lehrers gibt, solange Missgunst und Neid, aber auch Denkweisen wie „Wer bekommt den besten Stundenplan?“, „Wer hat die beste Klasse?“ vorherrschen, werden präventive Maßnahmen unter den Schülern kaum nachhaltige Erfolge zeitigen.