Nudging: So lenken Sie Ihr Kind mit kluger Hand

Vielleicht haben Sie noch nie von Nudging gehört, ganz sicher hat diese Methode aber auch bei Ihnen schon gewirkt. Es geht dabei um eine sanfte Manipulation, die positives Verhalten erzeugen soll. In der Politik und in der Wirtschaft ist Nudging ganz groß im Kommen, aber auch im Alltag mit Kindern kann es vieles erleichtern. Im folgenden Beitrag habe ich einige Beispiele für Sie zusammengestellt, die zum Weiterdenken anregen. Ich bin gespannt, was Ihnen noch alles zum Thema einfällt. 

Inhaltsverzeichnis

Starke Eltern – starkes Kind

Nudging wird dafür verwendet, Menschen einen Anreiz zu geben, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Es geht darum, ihnen die Entscheidung zur besseren Lösung leichter zu machen. Beispielsweise gesünderes Essen zu bevorzugen, sich mehr zu bewegen oder bewusster Energie zu sparen. Wenn Kinder immer zuerst Obst und Gemüse angeboten bekommen, werden sie von diesem Nahrungsmittel langfristig mehr verzehren als von den fettigen, kalorienhaltigen Gerichten. Wenn im Kaufhaus farbige Linien unterschiedliche Laufwege zu bestimmten Warengruppen markieren, werden die meisten Menschen sie benutzen. Es wird aber niemandem verboten, einen anderen Weg zu nehmen oder sich die fettige Pizza einzuverleiben. Nudging besticht durch die Freiwilligkeit.

Mit diesen 6 Nudging-Methoden lenken Sie Ihr Kind sanft

1. Positive Aspekte hervorheben:

So verbessern Sie schlechte Laune

Wenn Sie Ihr Kind davon abhalten möchten, wegen einer schlechten Note, eines blöden Streits mit einem Freund oder einer anstehenden Klassenarbeit durchzuhängen, dann probieren Sie es doch mal mit Nudging. Je nachdem, wie Sie auf die Krisensituation reagieren, verändert sich auch die Laune Ihres Kindes. Wenn Sie es vom Jammern abhalten möchten, sollten Sie nicht danach fragen, wo es wehtut, sondern die positiven Aspekte hervorheben. Erinnern Sie Ihr Kind an eine gute Note, an die positiven Eigenschaften seines Freundes oder die intellektuelle Herausforderung durch die Klassenarbeit.

Beispiel: „Auch wenn Sara heute nicht nett war – erinnerst du dich noch, wie sie dich letzte Woche gegen Mia verteidigt hat?“

2. Schmeicheln: Setzen Sie Komplimente sinnvoll ein

Wenn Sie möchten, dass Ihr Kind etwas für Sie tut, können Sie es natürlich ganz klassisch einfach darum bitten. Vielleicht müssen Sie noch eine dringende Aufgabe erledigen und benötigen dafür unbedingt eine Stunde Ruhe. Die einfache Aufforderung, Sie für 60 Minuten ungestört arbeiten zu lassen, funktioniert oft nicht. Geschickter ist es, Ihr Kind mit einem Kompliment sanft zu manipulieren. Komplimente schalten den reflexiven Teil des Gegenübers aus. Das funktioniert schon bei Kindern, und auch Erwachsene können sich einem Kompliment im Sinne von „Nur du kannst das“ kaum entziehen.

Beispiel: „Ich bin so froh, dass du vernünftig bist und verstehst, wie wichtig diese Arbeit ist. Dein Freund Henry würde das wahrscheinlich nicht schaffen, aber ich bin sicher, du kannst dich eine Stunde lang allein beschäftigen.“

3. Unwissend stellen: Lassen Sie Ihr Kind erklären

Ganz sicher lernen Sie manchmal mit Ihrem Kind für eine Arbeit. Vielleicht geht es um das Einmaleins, um Vokabeln oder um Rechtschreibregeln. Die Rollen sind dabei klar verteilt: Das Kind lernt, und der Erwachsene erklärt. Wenn Sie diese Rollenverteilung umdrehen, ist Ihr Kind in der Pflicht. Sich „dumm“ zu stellen, funktioniert in vielen Alltagssituationen und auch beim Lernen. Lassen Sie sich die Regeln von Ihrem Kind erklären – nichts hilft ihm besser dabei, sich dieses Wissen lange zu merken. Beachten Sie hierbei jedoch, dass Ihr Kind das Erklärte auch wirklich richtig wiedergibt. Bemerken Sie einen Lernfehler bei ihm, können Sie gemeinsam die richtige Lösung erarbeiten. Beispiel: „Wie ging noch mal die Berechnung des Flächeninhalts? Ich hab’s vergessen. Kannst du es mir erklären?“

4. Kontrastprinzip: Verhandeln Sie neu nach Zurückweisung (Feilschen)

Ein weiterer Trick des Nudging besteht darin, zunächst mehr zu fordern, als Sie eigentlich von Ihrem Kind erwarten. Sie möchten, dass Ihr Kind jeden Tag zehn Minuten liest? Fordern Sie von ihm zunächst einmal 30 Minuten ein, und diskutieren Sie diesen zeitlichen Rahmen. Nach und nach lassen Sie sich dann runterhandeln, bis Sie bei den eigentlich angepeilten zehn Minuten angekommen sind. Ihr Kind hat nun das Gefühl, aus der Verhandlung als Sieger hervorgegangen zu sein. Erst eine große Bitte zu stellen und sich dann mit weniger zu begnügen, nennt man das Kontrastprinzip.

Beispiel: „Na gut, du hast gewonnen. Eigentlich wollte ich ja, dass du jeden Abend 30 Minuten liest. Aber wenn du mir versprichst, dass du wirklich immer zehn Minuten liest, dann gebe ich mich damit zufrieden.“

5. Emotionale Ansteckung: Infizieren Sie Ihr Kind

Gehen Sie mit gutem Beispiel voran, wenn Sie von Ihrem Kind ein bestimmtes Verhalten erwarten. Sie werden Ihre Tochter nicht für Mathematik begeistern können, wenn Sie selbst immer wieder erzählen, dass Rechnen nicht Ihr Ding ist. Ringen Sie sich zu einer Umdeutung durch, und versuchen Sie die positiven Aspekte der Mathematik hervorzuheben.

Beispiel: „Mathe hat mir dabei geholfen, von anderen nicht über den Tisch gezogen zu werden und Preise zu vergleichen.“

6. Impulse lenken: Überlisten Sie das limbische System

Kinder sind besonders impulsiv und müssen erst lernen, langfristige Ziele zu verfolgen. Eine offene Keksdose oder der herumliegende Controller für den PC versprechen schnelle Belohnung und animieren dazu, andere Ziele schnell aus den Augen zu verlieren. Minimieren Sie die gefährlichen Reize. Süßigkeiten, Computerspiele und das Smartphone sollten nicht offen herumliegen.

Beispiel: „Den Controller habe ich auch nicht gesehen, aber wie ist eigentlich dein neues Buch? Ist es spannend?“

Ernährung als Kernbereich des Nudging

Die gesunde Ernährung von Schülerinnen und Schülern ist ein interessantes Versuchsgebiet für das Nudging. Ohne das übliche Nahrungsangebot in der Schulkantine einzuschränken, sollen bestimmte Präsentationsformen und Veränderungen dazu führen, dass sich immer mehr Kinder gesundheitsbewusst ernähren. Dazu gehört beispielsweise:

  • Vollkornreis wird als Standardbeilage gereicht. Auf Nachfrage steht normaler Reis zur Verfügung.
  • Das Ausgabepersonal macht auf gesunde Tagesangebote aufmerksam.
  • Auch die Reihenfolge des Buffets kann das Ernährungsverhalten positiv beeinflussen. Die Speisenkomponenten zu Beginn werden häufiger gewählt als die am Ende einer Ausgabe.
  • Gesundheitsfördernde Alternativen stehen im Speiseplan und auf der Tageskarte vorne.
  • Die gesündere Wahl wird in der Ausgabelinie als Erstes angeboten.
  • Gesundheitsförderliche Angebote werden besonders ansprechend präsentiert.
  • Eine Salattheke wird so platziert, dass Schülerinnen und Schüler sie nicht ignorieren können, sondern der Laufweg an ihr vorbeiführt.
  • Eine größere Auswahl an Gemüse erhöht auch die verzehrte Menge.
  • Gesunde Alternativen werden kostengünstiger angeboten.
  • Vollkornbrötchen werden in lustigen Formen angeboten; Obst- und Gemüsespeisen werden witzige Namen gegeben.
  • Obst und Gemüse werden in geschnittenen und kindgerechten Portionen angeboten. Auch ungewöhnliche Formen machen Lust aufs Probieren.

Versuchen Sie doch, einige dieser Tipps auch zu Hause umzusetzen, und beobachten Sie, wie sich das Ess- und/oder das Lernverhalten Ihres Kindes positiv beeinflussen lassen.