Streit in der Pubertät: So lösen Sie Konflikte gemeinsam mit Ihrem Kind

„Eine Lösung ist eine Entscheidung, die den Konflikt in dieser Sache für die Zukunft ausschließt.“ Diese Worte des deutschen Dichters G. Strobel klingen überzeugend, doch der Weg dorthin ist oft sehr mühsam, und manchmal scheint er sogar aussichtslos. Dennoch sollte diese Vorgabe von Strobel das anvisierte Ziel jeder Auseinandersetzung mit Ihrem Kind sein. Wie Sie diesem Ziel näher kommen, erfahren Sie auf den folgenden Seiten. 

Inhaltsverzeichnis

Konfliktmanagement

Sicher haben auch Sie als Vater oder Mutter schon häufiger das Gefühl gehabt, dass es für den einen oder anderen Streitpunkt mit Ihrem pubertierenden Nachwuchs einfach keine Lösung gibt, die dem Konflikt wirklich ein Ende setzt. Zudem verhandeln Sie mit Ihrem Kind vermutlich nicht nur ein Thema. In der Pubertät sind es meistens viele Auseinandersetzungen gleichzeitig, die Ihr Nachwuchs über völlig unterschiedliche Dinge mit ihnen führt: Lernen für die Schule, Mithilfe im Haushalt, Taschengeld, Urlaubs- und Freizeitgestaltung, Kleidung und Aussehen, Ausgehzeiten etc. sind nur einige Themen, die bei vielen Familien in dieser Zeit auf der Tagesordnung stehen. Dennoch sollten Sie immer wieder versuchen, eine Lösung für den jeweiligen Konflikt zu finden, die für beide Seiten, also für Sie als Eltern und für Ihr Kind, vertretbar ist. Eine Win-Win-Lösung ist also das Ziel. Eine solche Lösung können Sie Ihrem Kind jedoch nicht „verordnen“, solche Lösungen müssen Sie gemeinsam mit ihm erarbeiten. Damit das gelingen kann, ist es aber wichtig, dass Sie (und Ihr Kind) zunächst Ihre innere Haltung und Einstellung im aktuellen Konflikt erkennen und überprüfen. Die folgenden drei Fragen sollen Ihnen dabei helfen:

Krieg oder Frieden: Sind Sie bereit zur Konfliktlösung?

„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!“, besagt ein bekanntes Sprichwort. Im Umkehrschluss heißt das aber, wenn Ihnen noch der Wille fehlt, das Kriegsbeil zu begraben, dann ist auch jeder Versuch dazu von vornherein zum Scheitern verurteilt. Überprüfen Sie also ehrlich Ihre Gemütslage, und fragen Sie sich, ob Sie schon bereit sind, mit Ihrem Kind

  • sachlich und freundlich zu diskutieren,
  • ihm aufmerksam zuzuhören sowie
  • Kompromisse einzugehen.

Ist das noch nicht der Fall, dann nehmen Sie sich noch so lange eine Auszeit, bis Sie in der Lage sind, nicht mehr nach hinten, sondern nach vorne zu schauen, bis Sie bereit sind, Ihren Blick nicht mehr auf „Schuld und Sühne“ zu richten, sondern auf eine mögliche Lösung des Konfliktes. Das Gleiche gilt natürlich auch für Ihr Kind: Ihm sollten Sie ebenfalls so lange Zeit zum „Abkühlen“ geben, bis es Bereitschaft zum Reden signalisiert. Besonders in der Pubertät gehören Stimmungsschwankungen zur Normalität bei Ihrem heranwachsenden Kind – dies sollten Sie berücksichtigen!

Welche Gefühle und Bedürfnisse stehen hinter Ihrem Verhalten?

Wenn Sie daraufhin allein sind, sich über Ihr Kind, über das Verhalten Ihres Partners und auch sonst über alle anderen Ungerechtigkeiten dieser Welt ärgern, dann nutzen Sie diese Zeit unbedingt auch, um Ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Versuchen Sie dabei Antworten auf die folgenden zwei Fragen zu finden:

1. Welche Gefühle stehen hinter meinem Verhalten?

(zum Beispiel Unsicherheit, Angst, Enttäuschung etc.)

2. Welche Bedürfnisse stehen hinter meinem Verhalten?

(zum Beispiel das Bedürfnis nach Nähe, nach Sicherheit, nach Ruhe etc.)

Diese Fragen sind deshalb so wichtig, weil eine Lösung des Konflikts in Ihrem Sinne nur dann möglich ist, wenn dabei Ihre Gefühle und Bedürfnisse berücksichtigt werden! Hier gilt das Gleiche nun auch wieder für Ihr Kind. Sicher müssen Sie bei dem späteren Gespräch mit Ihrem Kind Ihre Annahmen überprüfen, fragen Sie sich jedoch auch:

1. Welche Gefühle stehen hinter dem Verhalten meines Kindes?

(zum Beispiel: Frustration, Liebeskummer, Trauer)

2. Welche Bedürfnisse stehen hinter dem Verhalten meines Kindes?

(zum Beispiel das Bedürfnis nach Freiheit, nach Zuwendung, nach Erfolg)

Achtung, wichtig!
Eine wirkliche Lösung des Konflikts ist nur dann möglich, wenn sowohl Ihre als auch die Gefühle und Bedürfnisse Ihres Kindes als Teile der Lösung berücksichtigt werden.

Die Vorstellung vom „inneren Team“ oder welche meiner „inneren Stimmen“ gibt gerade den Ton an?

Die dritte Frage, die Sie sich auf dem Weg zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung stellen sollten, ist die nach der Rolle, die Sie im Konflikt mit Ihrem Kind einnehmen. Hinter dieser Frage steht das Konzept des „inneren Teams“ von Friedemann Schulz von Thun: Der Kommunikationswissenschaftler setzt auf die verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten, zwischen denen Menschen in einer Situation – also auch in einer Konfliktsituation – wählen können. Nach diesem Konzept verfügt jeder Mensch über viele verschiedene Rollen, in die er je nach Wunsch und Bedarf hineinschlüpfen“ kann – vorausgesetzt, er ist sich dieser Rollen bewusst!

Welche Bezeichnungen oder welche Namen Sie den einzelnen Teilnehmern Ihres „inneren Teams“ geben, ist nicht festgelegt, sie können von Ihnen also frei vorgenommen werden.

Die Vorstellung vom „inneren Team“

  • hilft, sich selbst in der einer bestimmten (Konflikt-)Situation zu reflektieren und so Handlungsalternativen zu erkennen,
  • entlastet, da diese Vorstellung davon ausgeht, dass jeder Mensch über ausreichend Ressourcen für Handlungsalternativen verfügt.

Wenn Sie selbst Ihr „inneres Team“ überprüfen und eventuell neu zusammenstellen wollen, können Sie dabei folgendermaßen vorgehen:

  1. Überprüfen Sie, welche „innere(n) Stimme(n)“ oder Rolle(n) im aktuellen Konflikt vorrangig den Ton angeben.
  2. Fragen Sie sich, ob Sie mit diesen Rollen einverstanden und erfolgreich sind.
  3. Wenn Sie in eine neue Rolle schlüpfen möchten, dann schauen Sie zunächst, welche Rollen Ihnen zur Verfügung stehen und in welcher Rolle Sie sich am wohlsten fühlen würden. Aber Achtung: Bleiben Sie authentisch! Sie müssen nicht jede mögliche Rolle bedienen. Wenn Sie zum Beispiel nicht „die Erklärerin“ sein möchten, dann sollten Sie dies auch nicht versuchen.

Das ist das Ziel: Streben Sie eine Win-Win-Lösung an!

Sind alle wichtigen Fragen vorab geklärt, dann gilt es jetzt, nach einer tragbaren Lösung des Konfliktes zu suchen. Das ist oft gar nicht so einfach, denn eine solche Lösung ist erst dann gefunden, wenn beide Konfliktpartner mit dieser Lösung ehrlich einverstanden sind, wenn also eine Win-Win-Lösung gefunden ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass Sie und Ihr Kind gemeinsam nach einer Lösung suchen. Tun Sie das nicht, besteht die Gefahr, dass entweder Sie oder Ihr Kind ungewollte Kompromisse machen müssen und so als Verlierer aus dem Konflikt hervorgehen. Im schlechtesten Fall sind auch beide, Sie und Ihr Kind, Verlierer des Konflikts. Das geschieht zum Beispiel dann, wenn entweder gar keine Lösung gefunden wird oder eine solche, die eigentlich keinem weiterhilft und zudem die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind nachhaltig schädigt.

Eine echte Win-Win-Lösung führt hingegen dazu, dass

  • der Selbstwert der beteiligten Personen positiv bleibt oder positiv bestärkt wird,
  • die Beziehung der beteiligten Personen positiv bleibt oder positiv bestärkt wird und
  • das sachliche Ziel der Kommunikation erreicht wird.
Eine positive Kommunikation in diesem Sinne setzt demnach voraus, dass Sie und Ihr Kind sowohl die eigenen als auch die Gefühle und Bedürfnisse des jeweils anderen kennen und akzeptieren!

Ein „Fahrplan“ zur gemeinsamen Konfliktlösung

Mit dem folgenden „Fahrplan“ können Sie sich nun gemeinsam mit Ihrem Kind Schritt für Schritt auf den Weg zu einer geeigneten Win-Win-Lösung begeben:

Schritt 1: Das Problem analysieren

Was genau ist das Problem? Welche Gefühle wurden verletzt? Wer hat welche Bedürfnisse?

Schritt 2: Lösungsvorschläge sammeln

Sammeln Sie zunächst alle Vorschläge, ohne zu bewerten.

Schritt 3: Lösungsvorschläge besprechen und einschätzen

Jetzt können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind die Vor- und Nachteile der einzelnen Vorschläge besprechen.

Schritt 4: Gemeinsam eine Lösung oder mehrere Lösungen auswählen

Sie und Ihr Kind müssen beide ehrlich mit den gewählten Lösungen einverstanden sein. Sind Kompromisse notwendig, müssen sie von beiden mit Überzeugung getragen werden.

Schritt 5: Festlegen eines Start- und eines Kontrollzeitpunkts

Wann geht es los? Wann wird der Erfolg kontrolliert? Die Kontrolle, ob die gewählte Lösung auch für alle die richtige ist, sollte nicht zu früh stattfinden. Wie gut oder schlecht eine Lösung ist, zeigt sich vielleicht erst nach einiger Zeit!

Schritt 6: Gemeinsam den gewählten Lösungsweg überprüfen

Ist er gut: super, dann weiter so! Bei Schwierigkeiten müssen Sie mit Ihrem Kind nach neuen Lösungen suchen.