Wie viel Kontrolle ist beim Lernen sinnvoll?

Vor allem die engagierten Eltern sind es gewöhnt, auch in schulischen Belangen für ihre Kinder mitzudenken. Eine gewisse Kontrolle – ob die Hausaufgaben gemacht sind, ob auch alle Vokabeln für den nächsten Test „sitzen“, ob das Referat pünktlich fertig ist – geht in der Regel (fast) immer mit diesem Engagement einher. Sicher, je weniger Schwierigkeiten der Nachwuchs macht, umso geringer wird mit der Zeit das Bedürfnis der Eltern nach Kontrolle. Umgekehrt ist es aber gerade bei Pubertierenden oft keine gute Idee, wenn Eltern auf einen sich anbahnenden schulischen Abwärtstrend mit verschärfter Kontrolle reagieren.  

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Jugendliche empfinden solche elterliche Kontrolle oft als bloße Bevormundung und blockieren dann oft erst recht. Lesen Sie daher im Folgenden, was Sie zum Thema „Kontrolle und Lernen“ bei Ihrem pubertierenden Kind bedenken sollten.

Spätestens wenn Ihr Kind in der Pubertät ist, sollte der Zeitpunkt gekommen sein, an dem Sie sich als Eltern nicht mehr verantwortlich für die Fehler, Schwierigkeiten und Dummheiten Ihres Kindes fühlen sollten. Das gilt genauso für schulische wie außerschulische Belange.

Erziehungsziel: Selbststeuerung statt Fremdsteuerung

Mit der Pubertät sollte Ihr Kind lernen, dass es selbst verantwortlich für sein Handeln ist. Es muss alltäglich erfahren, dass es im Negativen wie im Positiven die Konsequenzen seines Tuns selbst trägt und nicht andere dafür verantwortlich machen darf bzw. darauf wartet, dass andere seine Probleme lösen. Die Schule ist dafür ein hervorragender „Trainingsplatz“! Je besser Ihrem Kind das gelingt, je selbstständiger und handlungsfähigeres auch in schwierigen Situationen wird, umso weniger Energie und Kontrolle ist dann von Ihrer Seite nötig. Selbststeuerung statt Fremdsteuerung ist also das(Erziehungs-)Ziel, das Sie schrittweise anstreben sollten, um nach und nach Vertrauen an die Stelle von Kontrolle setzen zu können. Dass dies ein anstrengender Lernprozess ist, der auch noch vielen Erwachsenen schwerfällt, zeigen die beiden möglichen Verhaltensweisen, die wir Menschen bei Schwierigkeiten meistens an den Tag legen. Vielleicht erkennen Sie diese Verhaltensweisen auch bei Ihrem Kind wieder:

1. In die Opferrolle schlüpfen: Aufgeben und Verantwortung abgeben

Die Schuld für das eigene Versagen wird schnell bei anderen Personen oder den äußeren Umständen gesucht. Schuld an der schlechten Mathearbeit Ihres Kindes ist dann zum Beispiel der Lehrer, weil er Aufgaben gestellt hat, die so vorher noch nie besprochen wurden, schuld ist auch der Lärm auf dem Schulhof während der Pause, der Kaugummi kauende Sitznachbar Ihres Kindes oder sogar Sie, weil Sie mit Ihrem Kind falsch gelernt haben. Es kann durchaus „verlockend“ sein, sich zum Opfer zu machen, denn als Opfer kann bzw. muss Ihr Kind ja nichts an seiner Situation ändern und wird vielleicht sogar noch bedauert. Doch mit dieser Haltung wird Ihr Kind seine schulischen Ziele nicht erreichen.

2. Selbst aktiv werden: Handeln und Verantwortung übernehmen

Diese zweite Möglichkeit ist zunächst unbequemer, weil sie bedeutet, dass Ihr Kind seine Fehler und Schwierigkeiten erst annehmen muss, um anschließend praktikable Lösungen finden zu können. Damit ihm dies gelingt, sollte es frühzeitig lernen, Verantwortung für die eigenen Probleme zu übernehmen. Also nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern aktiv werden und überlegen, welche Maßnahmen helfen können, damit die nächste Mathearbeit besser läuft und dann konsequent diese Maßnahmen umsetzen.

Unterstützen Sie Ihr Kind auf seinem Weg zu mehr Selbstkontrolle und Eigenverantwortung

Wenn Sie die folgenden zwei Regeln beherzigen, dann sind Sie Ihrem Kind eine große Hilfe auf diesem Weg zum eigenverantwortlichen Handeln. Außerdem vermeiden Sie Streit. Das Prinzip, auf dem diese beiden Regeln basieren, ist einfach und gilt nicht nur bei schulischen Problemen: Sie verringern Ihre Kontrolle umso mehr, je mehr Sie Ihrem Kind vertrauen können. Bedenken Sie dabei aber auch, dass Ihr Kind nur Selbstkontrolle und Eigenverantwortung lernt, wenn Sie als Eltern mutig genug sind, es nun nicht vor jedem Misserfolg zu bewahren.

Regel 1: Energie von außen = Kontrolle von außen

Solange die Energie, der Antrieb, der Grund – also die Motivation – zum Lernen von Ihnen, den Eltern, kommt, so lange werden Sie auch Ihr Kind beim Lernen kontrollieren. Bereitet sich Ihr Kind zum Beispiel nur auf die bevorstehende Englischarbeit vor, weil Sie ihm dies mit Nachdruck sagen, dann werden Sie auch genauer kontrollieren, ob es tatsächlich alle Vokabeln gelernt und die Grammatik verstanden hat. Nicht Ihr Kind bringt Energie auf, um seine Situation zu verbessern, sondern Sie tun das. Die Energie und die Kontrolle, beides kommt von außen und Sie „steuern“ Ihr Kind.

Regel 2: Energie von innen = Kontrolle von innen

Selbststeuerung oder eigenverantwortliches Handeln bedeutet, dass Ihr Kind nicht darauf wartet, dass Sie oder irgendjemand anderes seine Probleme löst, sondern dass es selbst aktiv wird. Ihr Kind ist dann in der Lage, genug eigene Energie oder Motivation aufzubringen, um zum Beispiel rechtzeitig mit dem Lernen für die kommende Französischarbeit zu beginnen, sich bei Fragen Hilfe zu holen, eine Vokabelkartei für schwierige Wörter anzulegen etc. Wenn Sie darauf vertrauen können, dass Ihr Kind sich in dieser Weise selbst kontrolliert, dann müssen Sie Ihr Kind immer weniger oder bald gar nicht mehr kontrollieren. Ihr Kind hat es also selbst in der Hand: Je aktiver und verlässlicher es selbst wird, umso weniger müssen Sie es kontrollieren!