Geschwisterstreit in der Pubertät: So gehen Sie am besten damit um

In vielen Fällen weicht das harmonische Bild von friedlich miteinander spielenden Geschwistern schon bald der Erkenntnis, dass sie eben auch Rivalen sind. Vor allem in der Pubertät sind solche Rivalitätskämpfe nicht selten und außerdem normal. 

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Streit zwischen Geschwistern

Je geringer der Altersunterschied zwischen den Geschwistern ist, umso eher konkurrieren sie in der Regel miteinander. Handelt es sich zusätzlich um gleichgeschlechtliche Geschwisterpaare, gibt es normalerweise noch mehr Geschwisterstreit. Haben Sie zwei Söhne, die beide in der Pubertät sind, dann sollten Sie viel entspannen und sich regelmäßig etwas Gutes tun.

Geschwisterstreit kommt gerade in der Pubertät häufig vor

Eltern sehen in der Geschwisterrivalität nicht selten einen Erziehungsfehler und führen die Streitereien der Kinder auf ihr eigenes Versagen zurück. Dabei sind die „Eifersüchteleien“ zwischen Geschwisterkindern in der Mehrheit aller Fälle normal. Jedes Kind will in der Geschwisterreihe seine Position einnehmen, seine Einzigartigkeit beweisen und darstellen. Ein Geschwisterstreit bei dem um die Rangordnung und die „Gunst“ der Eltern gekämpft wird, ist also normal. Das mag im Streit ein Trost für Sie sein – wenn auch vielleicht nur ein kleiner! Die Auseinandersetzungen zwischen Geschwisterkindern sind normal und zunächst nicht die Folgen eines Erziehungsfehlers.

Auf in den Geschwisterstreit!:

Der „entthronte“ Erstgeborene – der beleidigte Zweitgeborene

Es war der Individualpsychologe Alfred Adler, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts auf die Bedeutung der Geschwisterkonstellation hingewiesen und gleichzeitig deutlich gemacht hat, dass jede Position ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile hat. Das gilt insbesondere für das ältere Kind. Jedes erstgeborene Kind ist zunächst, wenn es auf diese Welt kommt, geschwisterlos, es fühlt sich einzigartig, von allen an- und ernstgenommen.

Dann kommt ein Geschwisterchen dazu. Es wird vom Sockel gestoßen, empfindet dies als „Entthronung“, als Herabwürdigung, ja geradezu als Geringschätzung seiner Persönlichkeit. Um die gewohnte Aufmerksamkeit zu erhalten, bleiben dem älteren Kind nun zwei Strategien: entweder es weist mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf sich hin, indem es das jüngere Kind – im wahrsten Sinne des Wortes – unterdrückt, um so den gebührenden Altersabstand herzustellen.

Oder es macht sich selber wieder klein, so klein wie das jüngere Kind, weil es an ihm beobachtet: Wenn man hilfebedürftig ist, erhält man schnell Zuwendung. Aber auch das jüngere Kind hat und spielt seine Rolle. Es ist das „Unterlegene“, eben das „Zweite“, das „Zu-kurz-Gekommene“. Immer darf das „Ältere“ mehr, hat das „Größere“ mehr Möglichkeiten.

Zum Geschwisterstreit gehören immer beide Geschwister!

Betrachten Sie den Geschwisterstreit Ihrer Kinder genauso, dann stellen Sie schnell fest, dass jedes Kind – sowohl das „Ältere“ als auch das „Jüngere“ – seinen Anteil an den Streitereien hat. Oder, um es in den Worten eines indischen Philosophen auszudrücken: „Zum Klatschen gehören zwei Hände.“

Kurt Tucholsky, der deutsche Dichter, formulierte dazu vor etwa 100 Jahren: „Geschwisterkinder sind wie Indianer. Entweder sie rauchen die Friedenspfeife, oder sie befinden sich auf dem Kriegspfad. Es gibt kein Dazwischen.“

Geschwister streiten mal mehr, mal weniger – je nach Entwicklungsphase

Und es kommt noch ein weiterer Aspekt beim Geschwisterstreit hinzu: Es existieren Entwicklungsphasen, in denen es zu besonders heftigem Streit zwischen Ihren Geschwisterkindern kommen kann, in denen selbst kleine Auseinandersetzungen und Rivalitäten schnell eskalieren. Das sind Phasen, in denen es Ihrem älteren Geschwisterkind besonders wichtig ist, als der „Große“, der mehr darf, wahrgenommen zu werden.

So können Sie folgende Beobachtung machen: Besucht ein Kind den Kindergarten, das Geschwisterkind durchlebt aber noch das Säuglingsalter, so fordert das „Ältere“ mehr Rechte ein. Geht ein Kind in die Schule, der Bruder und/oder die Schwester sind aber noch im Kindergartenalter, dann blickt das Schulkind geringschätzig auf die „Kleinen“ herab. Und Ähnliches gilt dann auch für den nächsten Abschnitt in der Entwicklung. Der oder die Pubertierende versucht sich vom Geschwisterkind möglicherweise mit viel Nachdruck und Überheblichkeit im Geschwisterstreit abzugrenzen.

Geschwisterkinder in der Pubertät

Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der die Geschwisterrivalität zusätzlich anheizen kann: Wenn sich die Geschwisterkinder in der Pubertät befinden, dann geht – im wahrsten Sinne des Wortes – „die Post ab“, dann ziehen düstere Geschwisterwolken am Horizont einer Familie auf. Das kann auch gelten – Rebecca und Thomas zeigen es –, wenn Mädchen und Jungen, Bruder und Schwester aufeinandertreffen.

Mädchen sind den Jungen häufig voraus:

Sie wissen mehr, sie reden schneller, können sich angemessener ausdrücken, sind emotional weiter – und spielen diese Überlegenheit auch mit pubertärer Zickigkeit aus. Doch sind Jungen nicht „arme Wesen“, sie können sich unnachahmlich und mit fieser Gemeinheit – Thomas beweist das – zur Wehr setzen. „Ich könnte beide manchmal“, so Rebeccas und Thomas’ Mutter lächelnd, „auf den Mond schießen.“ Sie schüttelt ihren Kopf. „Tue ich natürlich nicht. Aber gemeinsame Aktivitäten, die sind jetzt fast unmöglich!“ Da hat sie durchaus Recht!

Zeigen Sie auch mal die rote Karte

Hin und wieder kann es für Sie hilfreich und erleichternd sein, wenn Sie in der Pubertätsphase der Kinder auch getrennte Unternehmungen machen – die Mutter mit der Tochter, der Vater mit dem Sohn, die Eltern allein. Vor allem müssen Sie nicht jede Inszenierung, die Ihre pubertierenden Kinder am Tisch, beim Fernsehen oder sonstwo vorführen, über sich ergehen lassen. Wenn es Ihnen „reicht“, dann können Sie den „Streithammeln“ auch schon mal die „rote Karte“ zeigen, damit sie sich entfernen und Sie Ihre Ruhe haben. Bei allem Verständnis für das Verhalten Heranwachsender, Eltern brauchen nicht „alles und jedes“ zu akzeptieren, sie haben sogar Anspruch darauf, respektiert und geachtet zu werden!

Nicht jedes Kind ist gleich

Bleibt jedoch die Frage, die Eltern immer wieder stellen, wenn es um Geschwisterstreitigkeiten geht: „Wann soll ich denn eingreifen?“ Auf diese einfache Frage gibt es keine schnelle Antwort. Den Streitigkeiten der Geschwisterkinder zu begegnen, das setzt eine bestimmte Erziehungshaltung voraus, die auf den ersten Blick vielleicht paradox erscheint. Vater und Mutter wollen alle Kinder gleich erziehen, doch das ist schier unmöglich. Jedes Ihrer Kinder ist einzigartig, stellt eine besondere Persönlichkeit dar. Deshalb können Sie Ihre Kinder auch nicht gleich erziehen. Sie sollten vielmehr versuchen, mit Ihrer Erziehung Ihren Kindern jeweils gerecht zu werden. Und das bedeutet: Ihr ältestes Kind hat eine herausgehobene Position. Es will darin gewürdigt werden und es wehrt sich – mal mit lauten, mal mit leisen Tönen – gegen seine Entthronung. Darauf sollten Sie als Eltern achten. Und Ihr älteres Kind beobachtet Ihr elterliches Erziehungshandeln sehr genau: Sorgen mein Vater und meine Mutter dafür, dass der Abstand zu meinen jüngeren Geschwister gewahrt bleibt? Respektieren sie meine Sonderrolle des Älteren?

Mein Tipp: Gestehen Sie Ihrem älteren Kind mehr Rechte zu

Erlegen Sie Ihrem erstgeborenen Kind nicht nur mehr Pflichten auf („sei der Vernünftige, der Nachgebende“). Gestehen Sie ihm auch mehr Rechte zu (z.B. länger aufzubleiben, mehr Taschengeld, bei Freunden zu übernachten). Setzen Sie diese Rechte durch, auch wenn das beim jüngeren Kind zu Frustrationen führt („Der darf viel mehr!“). Mit Geschwisterrivalitäten pubertierender Kinder umzugehen, treibt Eltern die Schweißperlen auf die Stirn und lässt ihre Verzweiflung wachsen („Womit habe ich das verdient?“, „Was habe ich nur falsch gemacht?“). Damit umzugehen, ist eine Kunst, die Ihnen an manchen Tagen gelingt, an manchen aber auch nicht! Am besten, Sie nehmen es gelassen!