Wie viel Lernen ist in der Pubertät sinnvoll?

Spätestens wenn die Noten schlechter werden, fragen sich viele Eltern, ob ihr Teenager zusätzlich zum Lernen in der Schule nicht auch zu Hause noch mehr büffeln sollte – und vor allem wie viel Lernen sinnvoll ist? Dennoch gibt es gerade in der Pubertät keine einfache Antwort darauf. Mit dem folgenden Artikel wollen wir Ihnen einige gedankliche Anregungen vorstellen, wo ein vernünftiges Maß an zusätzlichem Lernen beginnt. 

Inhaltsverzeichnis

Motiviert lernen

Die Frage „Wie viel Lernen ist für Ihr heranwachsendes Kind neben der Schule sinnvoll?“ können ab einem bestimmten Alter Ihres Kindes nicht mehr Sie als Eltern beantworten: Ihr Kind muss darauf selbst eine Antwort finden. Wie diese Antwort ausfällt, hängt unmittelbar mit seiner persönlichen Motivation und seinem schulischen Ehrgeiz zusammen. Reicht Ihrem Kind die sichere 4 in Englisch aus, dann wird es aus eigenem Antrieb wohl kaum mehr üben, um sich hier zu verbessern. War die 3 in Mathe aber unter der „persönlichen Würde“, kann Ihr Kind zu gleicher Zeit plötzlich eine Menge Energie freisetzen, um in Mathe wieder die „standesgemäße“ 1 zu bekommen. „Verordnen“ Sie also Ihrem Kind einfach zusätzliche Übungszeiten, kann es passieren, dass Ihr Kind heftig rebelliert oder aber die gewünschte Übungszeit relativ untätig absitzt. Sicher können Sie äußere Anreize setzen, zum Beispiel durch Belohnungen. Die „innere Einsicht“ Ihres Kindes, mehr zu üben, können Sie aber am ehesten durch sachliche Gespräche über seine persönlichen, schulischen und eventuellen beruflichen Ziele herbeiführen. Trotzdem gilt: Motivation erzwingen können Sie nicht!

Unabhängig von der Lernmotivation Ihres Kindes sollten Sie sich bei der Beantwortung dieser Frage aber zunächst noch einmal vor Augen führen, welche Art von Schule Ihr Kind besucht.

Die Wahl der Schule entscheidet über das Lernpensum in der Pubertät!

Je nach Schulform und Schultyp ist die Erwartungshaltung bezüglich des zusätzlichen Lernaufwandes Ihres Kindes sehr unterschiedlich: Die meisten Ganztagsschulen bemühen sich, dass Hausaufgaben (sofern sie überhaupt erteilt werden) sowie Lern- und Übungsaufgaben im Rahmen der dafür vorgesehenen Zeiten in der Schule erledigt werden können. Freilich klappt das nicht immer. Doch hier sollten Sie genauer hinschauen, woran das liegen könnte:

  • Oft nutzen pubertierende Schüler die vorgegebenen Arbeitszeiten nicht konsequent, sodass sie dann doch zu Hause noch einen Großteil der Aufgaben erledigen müssen.
  • Vielleicht sind die angesetzten Lernzeiten aber auch zu kurz, um viele Aufgaben erledigen zu können.
  • Eventuell ist die Lernumgebung auch zu unruhig, sodass sich Ihr Kind in der Schule nicht richtig konzentrieren kann.

Bevor Sie es nun täglich zum zusätzlichen Lernen „verpflichten“, sollten Sie zunächst – am besten gemeinsam mit Ihrem Kind – Ursachenanalyse betreiben und anschließend das Gespräch mit den entsprechenden Lehrern suchen. Ihre Rückmeldung ist in diesem Fall wichtig, denn einer Ganztagsschule ist in der Regel sehr daran gelegen, das selbstständige Lernen in der Schule zu optimieren.

Das "klassische“ Gymnasium übt auf Pubertierende weniger Druck beim Lernen aus!

Nicht ohne Grund kehren einige Bundesländer auf Druck der Eltern wieder von G8 zu G9 zurück. Der vermehrte Nachmittagsunterricht in der Mittelstufe, bis zu drei Fremdsprachen, dazu viele Tests und Klassenarbeiten etc. überfordern nicht nur die meisten Jugendlichen in der Pubertät, sondern führen auch dazu, dass sich nachmittags, abends und am Wochenende das ganze Familienleben oft nur noch um die Schule dreht. Trotzdem: Dass Mittelstufenschüler zusätzlich zu Hause ihre Haus- und andere Lernaufgaben erledigen, wird von diesen Schulen selbstverständlich erwartet. Doch auch hier ist hinsichtlich Lernaufwand und Arbeitsumfang ein kritischer Blick angebracht:

  • Zur Orientierung: Schüler der Klassen 5 und 6 sollten nicht mehr als 90 Minuten, Schüler der Klassen 7 bis 10 nicht mehr als 120 Minuten Hausaufgaben für einen einzelnen Tag machen. An Tagen mit Nachmittagsunterricht sollten keine Aufgaben für den darauffolgenden Tag erteilt werden. Von Freitag auf Montag dürfen Hausaufgaben gegeben werden, wenn Freitag kein Nachmittagsunterricht und am Samstag keine Schule ist.
  • Überschreitet Ihr Kind regelmäßig diese Zeiten, und muss es dann zusätzlich auch noch viel z. B. für Tests, Referate etc. arbeiten, dann ist das eindeutig zu viel. Überlegen Sie – zusammen mit Ihrem Kind – woran das liegen könnte: Trödelt Ihr Kind, hat es Konzentrationsprobleme (z. B. weil es oft zu laut ist), passt es im Unterricht nicht auf?
  • Trifft das alles nicht zu, erkundigen Sie sich bei anderen Eltern der Klasse, ob deren Kinder ähnlich lange Hausaufgaben machen. Ist das der Fall, sollten Sie unbedingt ein Gespräch mit den zuständigen Lehrern suchen. Oft sind zu viele Hausaufgaben nicht „böse“ gemeint, die Kollegen können aber manchmal untereinander nicht abschätzen, wer wie viel aufgegeben hat bzw. wie lange Schüler für die einzelnen Aufgaben brauchen. Ihre ehrliche Rückmeldung – am besten von vielen Eltern der Klasse – ist hier also wichtig.
  • Ähnliches gilt für das zusätzliche Lernen: Der wesentliche Teil der Lerninhalte eines Fachs sollte in der Schule und nicht zu Hause erarbeitet werden. Spüren Sie hier ein Ungleichgewicht, suchen Sie das Gespräch mit anderen Eltern und den Lehrern.

Zwischen diesen beiden extremen Beispielen – Ganztagsschule und verkürztes Gymnasium – gibt es natürlich viele Varianten. Wenn Sie unsicher sind, welchen zusätzlichen Lernaufwand die Schule von Ihrem Kind erwartet, erkundigen Sie sich am besten direkt bei den Lehrern.

Warum muss Ihr Teenager zusätzlich lernen?

Falls es um zusätzlichen Zeitaufwand und Lernumfang geht, ist es nicht ganz unwichtig, wenn Sie sich auch diese Frage stellen. Die Antwort darauf kann eine einsichtige Erklärung dafür liefern, warum Ihr Kind während der Pubertät vielleicht (zurzeit) mehr neben der Schule lernen muss, z. B.:

1. Ihr Kind hat in einem oder zwei Fächern größere Lücken, die nun geschlossen werden müssen? Das kann schon mal passieren und ist während der Pubertät bei den meisten Schülern auch nichts Ungewöhnliches. Wichtig ist, dass dann gerade in den Sprachen, Mathe, Physik etc. tatsächlich wieder der Anschluss gefunden wird, damit die Lücken nicht zu groß werden. Nun hilft alles nichts: Tief Luft holen und durch – es kommen bald wieder besser Zeiten!

2. Ihr Kind hat in vielen Fächern Schwierigkeiten, die ohne dauerhaftes zusätzliches Lernen noch größer werden? Kann Ihr Kind nur mit viel Fleiß und Mühe den Anforderungen der Schule gerecht werden, sollten Sie sich gemeinsam nach einer schulischen Alternative umsehen. Kein Kind, kein pubertierender Jugendlicher kann motiviert lernen, wenn überwiegend Frusterlebnisse zu erwarten sind.

3. In nächster Zeit stehen viele Tests und Arbeiten kurz nacheinander an? Bevorzugt liegen solche Stoßzeiten vor Weihnachten oder anderen Ferien. Meistens wissen die Schüler schon länger, was bald auf sie zukommt, ignorieren das aber oft „erfolgreich“. Man könnte im Vorfeld ja schon mal Hefte und Arbeitsmaterialien checken, man könnte das eine oder andere im Unterricht noch mal nachfragen, man könnte… Und dann plötzlich sind stabile Nerven, eine gute Zeitplanung, sowie „eiserne“ Disziplin und Durchhaltevermögen gefragt. Auch das ist normal: Manchmal läuft in der Schule eben alles langsamer und dann wieder nur per Vollgas. Manche Schüler haben mit diesem Tempowechsel mehr Schwierigkeiten, andere weniger.