Bereitschaftsfamilien geben Lebensglück
Nicht alle Kinder haben das Glück wohlbehalten und zwischenfallsfrei aufzuwachsen. Wenn es durch verschiedenste Umstände dazu kommt, dass ein Kind nicht mehr bei seinen Eltern bleiben kann, muss eine sogenannte Bereitschaftsbetreuung einspringen.
Bereitschaftspflegefamilien in Bonn und Umgebung gesucht
Der Raum strahlt Geborgenheit aus. Die Nachmittagssonne scheint herein und beleuchtet bunte Blumenbilder an den Fenstern – gegenüber ein blaues Sofa, ein farbenfroher Teppich, ein rotes Schaukelpferd. Und die Regale sind gefüllt mit Spielzeug und Kinderbüchern. Hier darf gelacht, geweint, alles von der Seele geredet werden. In diesem Raum treffen sich Kinder und Eltern, die zurzeit voneinander getrennt leben.
Betreuung keine Sekunde bereut
Claudine Dolibois ist zu einer Besprechung in den Familienraum der Caritas in der Fritz-Tillmann-Straße gekommen. Sie gehört zu einer von derzeit sechs Familien, die im Auftrag des Bonner Jugendamtes und des „Netzwerkes Kinderbetreuung in Familien“ kurzfristig Jungen und Mädchen bei sich zu Hause aufnehmen. Das Netzwerk ist eine Arbeitsgemeinschaft von sechs gemeinnützigen Trägern der freien Kinder- und Jugendpflege. In enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt werden Kinder in die so genannte Familiäre Bereitschaftsbetreuung vermittelt, die nur vorübergehend oder auch dauerhaft in ihrer eigenen Familie keine Lebensperspektive haben. Claudine nimmt solche Kinder auf.
Wichtigste Lektion: Abschied lernen
Sie macht das schon seit 2006 – und – sie hat es keine Sekunde bereut. Ihre Augen strahlen, wenn sie von ihren Schützlingen berichtet. Neun waren es bislang. Und zu einigen von ihnen besteht sogar noch Kontakt. „Natürlich gibt es auch schwierige Momente“, erzählt sie. Aber unterm Strich könne sie sich keine schönere Aufgabe vorstellen. Claudine ist gelernte Erzieherin. Die Arbeit im Kindergarten musste sie aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Ihre eigenen Kinder waren schon groß und längst aus dem Haus. Also bewarb sie sich beim Bonner Netzwerk, absolvierte einen Qualifizierungskurs und bekam kurz darauf ihr erstes Pflegekind.
Am Anfang sei ihr das Loslassen besonders schwer gefallen, erinnert sich Claudine. Denn die Bereitschaftsbetreuung ist begrenzt – höchstens sechs Monate sollen es sein. Dann entscheidet in der Regel das Gericht, wo das Kind in Zukunft leben soll. „Da fällt der Abschied oft schwer“, sagt Claudine, „denn auch in einem halben Jahr entstehen Bindungen zu den Mädchen oder Jungen, die man in seiner Obhut hat.“ Sie habe lernen müssen, ihre Traurigkeit, die eigenen Gefühle und Interessen in den Hintergrund zu stellen. Einmal habe sie einen Säugling bekommen, ein Frühchen, neun Wochen zu früh geboren. Nach der medizinischen Betreuung im Krankenhaus kam es zu ihr und blieb fünf Monate.
Der Bedarf an Familien ist groß
In diesem Fall war die Trennung für Claudine besonders hart. Aber sie weiß das Kind in guten Händen: Zu den Pflegeeltern, die das Frühchen inzwischen dauerhaft aufgenommen haben, besteht immer noch eine Verbindung. Sie hört also ab und zu, wie es dem Kleinen geht. Und das ist für sie eine große Freude. Die Regel sei der spätere Kontakt aber nicht, betont Lilly Kemmer-Garzke. Sie betreut gemeinsam mit Dörthe Ewald vom Deutschen Kinderschutzbund Ortsverband Bonn, der auch der Trägergemeinschaft des Netzwerks angehört, den Bereich der Familiären Bereitschaftsbetreuung im Netzwerk. Lilly Kemmer-Garzke und Dörthe Ewald sind im Netzwerk verantwortlich für die Qualifizierung, Beratung und Begleitung der Bereitschaftspflegefamilien. Manchmal lebten Kinder nach der Bereitschaftsbetreuung auch in anderen Städten – etwa wenn ein Richter entscheidet, dass die räumliche Entfernung vom Wohnort der leiblichen Eltern besser für das Kind ist.
Mehr Pflegefamilien benötigt
Grundsätzlich werden in die Familiäre Bereitschaftsbetreuung Kinder im Alter bis zu 10 Jahren aufgenommen. Im Moment sind aber viele Säuglinge und Kleinkinder darunter. „Der Bedarf an weiteren Pflegefamilien ist groß“, sagt Lilly Kemmer-Garzke. „Zurzeit sind es sechs Familien. Aber das sind zu wenige. Schon jetzt gibt es oft mehr Kinder als Pflegefamilien zur Verfügung stehen“, erklärt Kemmer-Garzke. „Bis Ende 2013 wollen wir die Zahl der Familien auf 12 verdoppeln.“ Wenn sich Pflegeeltern zur Verfügung stellen, müssen sie jederzeit damit rechnen, dass ihnen ein Kind zugeteilt wird. Denn direkt nach der Entscheidung des Jugendamtes braucht das Kind eine solide Bleibe mit verlässlichen, qualifizierten Bezugspersonen.
Ein bisschen Lebensfreude vermitteln
Während der Bereitschaftsbetreuung in Pflegefamilien treffen sich die Kinder etwa einmal pro Woche mit ihren leiblichen Eltern im Caritas-Familienraum in der Fritz-Tillmann-Straße. Denn die Beziehung zur Mutter oder zu Vater und Mutter soll in dieser Zeit in den meisten Fällen bestehen bleiben. Oft seien diese Treffen auch für die Pflegemütter nicht einfach, ergänzt Claudine. Einfühlungsvermögen, Ruhe und Gelassenheit stünden an oberster Stelle – und natürlich immer das Glück der Schützlinge.
Netzwerk bietet gegenseitige Unterstützung
„Wenn es mal nicht so gut läuft, hilft mir besonders das Gespräch mit den anderen Pflegefamilien“, sagt Claudine Dolibois. „Inzwischen haben wir sehr enge Verbindungen untereinander“. Gegenseitige Hilfe gehört dazu. Kinderwagen, Kleidung, Wickeltische werden weitergereicht. „Die Pflegeeltern unterstützten sich gegenseitig, wo es nur geht. Fast alle Familien sind von Anfang an dabei, und es tut allen Beteiligten gut, regelmäßig Erfahrungen auszutauschen. Den Lohn für die Mühe beschreibt Claudine Dolibois so: „Zum Schluss bleibt immer das schöne Gefühl, Kindern in einer besonders schwierigen Lebensphase vielleicht ein kleines bisschen Lebensfreude und Zuneigung schenken zu können.“
Das ist das Netzwerk Kinderbetreuung in Familien Bonn |
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Das Netzwerk Kinderbetreuung in Familien Bonn ist eine Arbeitsgemeinschaft von sechs gemeinnützigen Trägern der freien Kinder- und Jugendpflege in Bonn. Lilly Kemmer-Garzke Dörthe Ewald Mehr Infos: www.netzwerk-kinderbetreuung-bonn.de |