Durchatmen für Teenager: Druck beim Lernen herausnehmen

Kaum kommen Jugendliche in die Pubertät, stehen sie plötzlich unter einem enormen Druck. Hinzu kommen steigende Anforderungen im Leistungsbereich, denn mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule verdichtet sich auch der Lernstoff. Nachvollziehbar, dass die Jugendlichen unter einem enormen Druck stehen können. Was ihnen jetzt hilft, lesen Sie hier. 

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Schritt für Schritt Druck rausnehmen

Vor einigen Jahren habe ich eine Familie betreut, deren drei pubertierende Söhne plötzlich massive Schulprobleme hatten. Bei allen dreien war zu befürchten, dass sie das Gymnasium nicht schaffen würden. Für die Eltern eine Katastrophe, hatten sie doch selber studiert und sich diesen Bildungsstand auch für ihre Kinder gewünscht. Nach drei miserablen Zeugnissen gab es in der Familie nur noch ein Thema: Schule. Die Atmosphäre im Alltag verschlechterte sich zusehends und auch die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern litt darunter. Vor kurzem habe ich die Familie erneut getroffen. Ein Sohn hat gerade das Abitur gemacht und die anderen beiden, Zwillinge, haben es nach Umwegen über die Realschule bis in die Oberstufe des Gymnasiums geschafft. Was war geschehen?

Weniger Druck bringt oft mehr Leistung

Den besorgten und gestressten Eltern war es gelungen, das Thema Lernen und Schule etwas entspannter zu sehen. Zunächst fühlten sie sich schuldig, weil sie glaubten, den Bildungsweg ihrer Kinder damit zu gefährden. Da alle ihre Anstrengungen (Nachhilfe, Sportverbot, Handyverbot) jedoch nicht dazu führten, dass sich die Leistungen der Söhne verbesserten, versucht sie schweren Herzens einen anderen Weg. Sie reduzierten Druck, boten den Schulwechsel an und finanzierten dem ältesten einen Auslandsaufenthalt. Einige Jahre später wird deutlich, dass diese Entscheidung genau richtig war. Die Jungen wirken selbstbewusst und kompetent, sie wissen, was sie wollen. Glückwunsch an die mutigen Eltern, die gelernt haben, im richtigen Moment loszulassen, ohne ihren Söhnen die emotionale Unterstützung zu entziehen.

Jugendliche reagieren oft extrem auf Druck und Schulprobleme

Der Leistungsdruck, der auf Schülerinnen und Schülern liegt, geht häufig von den unausgesprochenen Erwartungen der Familien aus. Alle Kinder, auch Jugendliche, möchten, dass ihre Eltern stolz auf sie sind. Mit ihren feinen Antennen merken sie genau, wann dieser Stolz gefährdet ist. Doch anstatt das Thema offen anzusprechen oder sich wieder mehr anzustrengen, suchen sie andere Wege. Pubertierende fühlen sich besser, wenn sie vermeintlich erwachsene Dinge tun. Sie beginnen mit leichten Drogen (Nikotin, Alkohol, Cannabis) zu experimentieren, begehen waghalsige Abenteuer oder verlieren sich in einer intensiven Verliebtheit. All das macht keine besseren Noten, im Gegenteil.

Zu viel Druck? Diese Symptome sollten Sie aufhorchen lassen

Wenn Sie sich fragen, ob Ihr Teenager unter dem Alltagsdruck leidet, sollten Sie bei ihm nach den folgenden Symptomen Ausschau halten.

  • Häufige Kopf- und Bauchschmerzen
  • Traurigkeit und Depression, Rückzug
  • Essstörungen (besonders bei Mädchen Bulimie oder Anorexie)
  • Tics, z.B. unkontrolliertes Schnalzen oder Schnipsen
  • Verhaltensauffälligkeiten (Aggressionen, Clown)
  • Zwänge, z.B. häufiges Zählen oder Händewaschen

Natürlich ist nicht jeder Jugendliche gleich, und besonders Pubertierende können ihre Sorgen und Ängste sehr gut verstecken. Wenn Sie das Gefühl haben, nicht mehr zu Ihrem Kind vordringen zu können, kann es sinnvoll sein einen Außenstehenden einzubinden. Manchmal haben Pubertierende ein gutes Verhältnis zu Onkel oder Tante oder zu den Großeltern. Hier können sie viel leichter über ihre Sorgen sprechen und sich vertrauensvoll öffnen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, sollten Sie diese Verbindung nutzen.

Sinnvolle Freizeitbeschäftigungen bieten Erfolgserlebnisse und reduzieren den Druck

Wenn es in der Schule richtig schlecht läuft, fehlen den Jugendlichen Erfolgserlebnisse, um ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Mit einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung können die Misserfolge in der Schule ausgeglichen werden. So wird die Persönlichkeit stabilisiert und der unsichere und verunsicherte Teenager fühlt sich (wieder) als wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Das wirkt sich häufig auch auf die Schule positiv aus. Anspruchsvolle Freizeitbeschäftigungen, bei denen das soziale Engagement im Vordergrund steht, sind zum Beispiel:

  • Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr
  • Mitglied bei den Pfadfindern
  • Jugendtrainer im Verein
  • Mitglied bei sozialen Projekten wie der Tafel
  • Helfer im Tierheim

Schritt für Schritt Druck rausnehmen – so geht’s!

Die Reduzierung von Druck ist meist der erste Schritt zur Besserung. Jugendliche müssen die Chance haben herauszufinden, wo ihre Stärken und ihre Schwächen sind. Sie brauchen das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun und sich entwickeln zu können. Die Schule deckt diese Bedürfnisse nicht ab. Doch es gibt andere Möglichkeiten, einige habe ich im Folgenden beispielhaft aufgeführt. Natürlich funktionieren nicht alle Tipps bei allen Jugendlichen gleich gut. Aber der gesamte Erziehungsprozess besteht immer wieder aus Versuch und Irrtum, in der Pubertät gilt das ganz besonders.

Schritt 1: Das Problem beim Namen nennen

„Karl, deine schlechten Noten machen mir große Sorgen. Ich möchte gerne, dass wir gemeinsam einen Weg finden, mit den Anforderungen der Schule umzugehen. Wir möchten dich nicht zum Abitur prügeln. Du bekommst von uns die Chance, einen guten Bildungsabschluss zu machen, und wenn du die Schulform wechseln willst, ist das okay. Wenn das Gymnasium für dich zu anstrengend ist, werden wir das akzeptieren.“

Schritt 2: Unterstützung anbieten

„Ich sehe, dass du in der Schule im Moment überfordert bist. Möglicherweise liegt das an der Pubertät, vielleicht ist das Gymnasium aber auch nicht die richtige Schulform für dich. Hast du eine Idee, wie wir dich unterstützen können? Wir sind gerne bereit, gemeinsam mit dir noch einen Versuch zu starten. Allerdings möchten wir, dass du etwas vorschlägst, Nachhilfe, Coaching, Schulwechsel, Lerncamp. Deine Entscheidung werden wir akzeptieren und nicht infrage stellen.“

Schritt 3: Den Alltag unterbrechen

„Leonie, wir haben das Gefühl, dass es dir in der Schule zurzeit überhaupt nicht gut geht. Vielleicht hilft dir ein Ortswechsel. Wir haben überlegt, ob du in den Sommerferien Spaß an einem Ortswechsel (Auslandsbesuch, Besuch deiner Tante, Sprachreise etc.) hättest. Dort triffst du möglicherweise andere Jugendliche, die ähnliche Schwierigkeiten haben. Du kannst dich austauschen und bekommst wieder mehr Spaß am Lernen. Nach den Ferien können wir dann gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht.“

Schritt 4: Entscheidungen müssen akzeptiert werden

Natürlich wird nicht jeder Teenager nach einem Auslandsaufenthalt ein super Abi hinlegen. Manche Jugendliche entdecken ihre Liebe zum Handwerk, zu Musik oder zum Sport. Vielleicht machen sie dann zunächst einmal einen Realschulabschluss und eine Ausbildung. Später ist es überhaupt kein Problem, den Schulabschluss zu erweitern und doch noch zu studieren. In fast allen Fällen verbessert sich aber die Selbstwahrnehmung der Jugendlichen. Sie trauen sich mehr zu, schöpfen Energie und Kraft aus der Erfahrung und gestalten ihre Zukunft aktiver. Wichtig ist dabei, dass die Eltern die Entscheidung akzeptieren und mittragen. Ein „Habe ich es dir nicht gesagt!“ ist wenig hilfreich.

Karl und Leonie aus unserem Beispiel

Karl: „In der 8. Klasse wusste ich überhaupt nicht, wo‘s hingehen sollte. Meine Noten wurden immer schlechter, ich hatte überhaupt keine Lust mehr zu lernen. Ich habe dann fast die ganzen Sommerferien bei meinem Onkel und seiner Frau verbracht. Es hat mir sehr gut getan, mal etwas Abstand von meinen Eltern zu bekommen. Bei meinem Onkel, der Anwalt ist, durfte ich in der Kanzlei ein Praktikum machen. Das war richtig spannend. Jetzt überlege ich eventuell was mit Jura zu machen.“

Leonie: „Gymnasium oder Realschule, diese Frage konnte ich mir einfach nicht beantworten. Ich wollte das Abi machen, fühlte mich aber gleichzeitig völlig überfordert. Meine Eltern haben dann einen längeren Austausch mit einem französischen Mädchen organisiert. Frankreich und die Sprache haben mir sehr gut gefallen, ich bin auch viel selbstbewusster geworden. Jetzt probiere ich es noch mal mit dem Gymnasium, weil ich später gerne in Frankreich studieren würde.“

Schuldgefühle bringen Sie nicht weiter

Die Pubertät ist für Eltern und Kinder eine schwierige Zeit, in der alles neu sortiert werden muss. In diesem mehrjährigen Prozess sind Fehler normal. Wenn Sie merken, dass der Druck für Ihren Teenager zu hoch wird, sollten Sie reagieren. Auch wenn die erste Reaktion möglicherweise keine Verbesserung bringt, ist der Versuch schon lobenswert. Resignieren Sie nicht, sondern starten Sie einen zweiten und dritten Versuch, den Druck beim Lernen zu reduzieren und begleiten Sie Ihren Teenager verständnisvoll und unterstützend durch die turbulente Zeit.