So lernt Ihr Teenager, besser mit Enttäuschungen umzugehen
Eine schlechte Zensur geschrieben, Zoff mit der Freundin gehabt oder mal wieder beim Weitsprung den letzten Platz belegt? Es gibt viele Gründe, warum Teenager frustriert sein können. Auch wenn viele Eltern das gerne so hätten: Enttäuschungen, Niederlagen oder Kränkungen lassen sich nicht immer vermeiden. Daher ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen, angemessen und konstruktiv damit umzugehen. Dafür brauchen sie eine gewisse Frustrationstoleranz. Lesen Sie in diesem Beitrag, welche Verhaltensweisen auf eine niedrige Frustrationstoleranz hindeuten, wie Sie sich verhalten sollten, wenn Ihr Kind enttäuscht und frustriert ist, und wie Sie ihm ganz allgemein dabei helfen können, frustrationstoleranter zu werden.
Persönlichkeitsentwicklung
„Mein 13-jähriger Sohn Mike spielt ziemlich gut Tennis, er kann aber ganz schlecht verlieren. Oft hat er nach einem verlorenen Spiel wütend seinen Schläger in die Eckegeworfen oder rumgebrüllt. Das war mir manchmal echt peinlich.“ (Martina, 46 Jahre) „Miron ist ein sehr ungeduldiger Typ, er braucht schnelle Erfolgserlebnisse. Er ist oft genervt, wenn etwas nicht so läuft, wie er es will. Manchmal bricht er auch in Tränen aus, wenn ihm etwas nicht schnell genug gelingt.“ (Janina, 38)Mike und Miron haben offensichtlich Probleme mit ihrer Frustrationstoleranz. Geht es Ihrem Teenager ähnlich? Das ist gar nicht ungewöhnlich und auch nicht unbedingt ein Grund zur Sorge. Teenager sind ohnehin in einer schwierigen Lebensphase, sodass zusätzliche Irritationen schon mal zu heftigen Gefühlsausbrüchen führen können. Außerdem lässt sich an der Frustrationstoleranz gut arbeiten.
Frustrationstoleranz: Definition, Funktion und Grenzen
Frustrationstoleranz bezeichnet die persönliche Fähigkeit, mit Enttäuschungen, Misserfolgen, Niederlagen, Problemen und Kritik angemessen umzugehen. Jemand, der eine hohe Frustrationstoleranz hat, kann in frustrierenden Situationen weitgehend die Fassung bewahren und (einigermaßen) souverän agieren. Er lässt sich von Enttäuschungen nicht tiefgreifend und nachhaltig irritieren, sondern kann sie relativ schnell verarbeiten, sich rasch davon erholen und dann weiter seinen Weg gehen und versuchen, seine Ziele zu erreichen. Ob sich ein Teenager rasch oder weniger rasch von einem frustrierenden Erlebnis erholt, hängt aber nicht nur von seiner Frustrationstoleranz ab, sondern auch davon, wie bedeutsam dieses Erlebnis für ihn/sie war. So wird für ihn die Trennung von der ersten Freundin/dem ersten Freund sicher schwerer zu verschmerzen sein als eine Vier in der Religionsarbeit.
Frustrationstolerant zu sein bedeutet auch nicht, sich immer alles von anderen gefallen zu lassen und möglichst vielertragen und aushalten zu müssen. Im Gegenteil sollte Ihr Teenager unbedingt lernen, sich vor Gefahren zu schützen und Menschen zu meiden, die ihm nicht guttun. Hier ist übertriebene Frustrationstoleranz eher der Ausdruck einer ausgeprägten Leidensbereitschaft, die Ihrem Kind wiederum nicht guttut.
12 mögliche Anzeichen für eine geringe Frustrationstoleranz Ihres Teenagers:
- Ihr Kind reagiert oft sehr emotional, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft, z.B. vorwurfsvoll, aggressiv, schmollend etc.
- Ihr Kind kann bei Spielen schlecht verlieren, es wird dann wütend oder wirft sogar die Karten hin oder die Spielfiguren durch die Gegend.
- Ihr Teenager bricht Aufgaben schnell ab, wenn sie ihm nicht auf Anhieb gelingen oder er auf Widerstände stößt; er hat keine oder wenig Motivation, Herausforderungen zu meistern.
- Ihr Kind vermeidet – wo immer es geht – schwierigere oder langwierige Aufgaben.
- Ihr Kind hat extrem hohe Ansprüche an sich und tut alles, um diese Anforderungen zu erfüllen, ist also extrem fleißig, „brav“ und anpassungsbereit und fällt bei Enttäuschungen in ein tiefes Loch. (Vorsicht: Mädchen mit diesen Eigenschaften neigen zu Essstörungen!)
- Ihr Teenager wagt wenig Neues und riskiert nichts, aus Angst zu scheitern oder enttäuscht zu werden. Er bewegt sich lieber in seiner „Komfortzone“, also in seinem gewohnten und vertrauten Bereich, er braucht sehr viel Sicherheit und hat es am liebsten immerzu kuschelig und bequem.
- Ihr Teenager wird auffallend schnell wütend oder ärgerlich, wenn ihm ein Wunsch nicht erfüllt wird oder ein anderer Mensch sich nicht so verhält, wie er es sich das gewünscht hat.
- Ihr Kind ist schnell kränkbar, verfällt nach einem Streit oder einer Enttäuschung in länger anhaltendes tiefes Selbstmitleid.
- Ihr Teenager reagiert auf eine Enttäuschung extrem traurig oder bedrückt und zieht sich deutlich und länger anhaltend beleidigt zurück („Mich will ja eh keiner“).
- Ihr Kind entwickelt schnell Schuldgefühle, wenn es etwas nicht erreicht oder geschafft hat.
- Ihr Kind entwickelt schnell Versagensgefühle, wenn es eine Leistung nicht so erbracht hat, wie es von ihm erwartet wurde.
- Ihr Teenager schiebt anderen gerne die Schuld zu („Wenn die Lehrerin nicht so blöd wäre, hätte ich eine bessere Note bekommen!“) und macht andere für seine Gefühlslage verantwortlich.
Aggressionen vermeiden: Erfahren Sie hier, wie Sie am besten mit Wut und Aggressionen bei Ihrem pubertären Teenager umgehen |
3 Tipps: Das sollten Sie tun, wenn Ihr Kind enttäuscht oder frustriert ist
1. Zeigen Sie Verständnis und Mitgefühl für die Gefühle Ihres Teenagers.
Ihr Sohn ärgert sich, weil er die Matheaufgabe wiederholen soll? Ihre Tochter ist stinksauer auf ihre Freundin, die sie schon wieder versetzt hat? Lassen Sie ihm seine Gefühle, auch wenn Sie diese nicht ganz nachvollziehen können: „Ich sehe, dass du enttäuscht/traurig/wütend/ärgerlich bist.“
2. Versuchen Sie gemeinsam herauszubekommen, was genau Ihr Kind am meisten und nachhaltigsten frustriert. Und wie es aus diesem Frust wieder herausfindet.
Warten Sie allerdings dafür den passenden Moment ab, Ihr Kind sollte bei diesem Gespräch nicht aufgewühlt sein. Dafür sind folgende Fragen hilfreich:
- Wer oder was hat dich genau so sauer gemacht?
- Was kannst du selber dafür tun, damit du dich besser fühlst?
- Was kann ich/dein Vater/dein Freund … dafür tun, damit du dich schnell besser fühlst? etc.
Wenn Ihr Teenager verstanden hat, was genau ihn so frustriert bzw. ärgert, kann er beim nächsten (oder übernächsten) Mal auch besser damit umgehen und kommt dann schneller ausseiner Frustration heraus.
3. Thematisieren Sie, was Ihr Kind (von sich oder anderen) erwartet hat und überlegen Sie gemeinsam, ob Ihr Kind vielleicht überhöhte oder unrealistische Erwartungen hatte.
- Wenn Ihr Kind sehr ehrgeizig ist, sollten Sie diesen Ehrgeiz nicht noch zusätzlich fördern. Prüfen Sie dabei bitte sehr ehrlich, ob möglicherweise Ihr Anspruch an Ihr Kind zu hoch ist und Ihr Kind nur versucht, diesen Anspruch auch zu erfüllen. In diesem Fall schrauben Sie bitte selber Ihre Erwartungen zurück und reden Sie darüber ehrlich mit Ihrem Kind: Das kann sehr entlastend für Ihr Kind sein!
- Wenn Ihr Kind eher von anderen Menschen enttäuscht ist, sollten Sie es trösten und ihm klar machen, dass das darauf beruht, dass andere Menschen andere Bedürfnisse und andere Interessen haben, die sich mit unseren nicht decken. So lernt Ihr Teenager, dass es in zwischenmenschlichen Beziehungen immer mal zu Differenzen kommt, ohne dass das bedeutet, dass die anderen Menschen schlecht oder gar gegen ihn sind.
5 Tipps: So fördern Sie die Frustrationstoleranz Ihres Teenagers
1. Wertschätzen Sie die Bemühungen Ihres Kindes, etwa wenn es etwas Neues tut oder sich etwas traut, was es sich vorher nicht getraut hat. Oder wenn es hartnäckiger als sonst an einer bestimmten Aufgabe dranbleibt. Nicht das Ergebnis ist wichtig, sondern die Tatsache, dass Ihr Kind einen neuen Schritt gegangen ist oder etwas geduldiger geblieben ist.
- Sagen Sie ihm dann auch, dass Sie das gut und anerkennenswert finden: „Ich finde es klasse, dass du dich das getraut hast/ so viel Geduld aufgebracht hast, Respekt!“
- Fragen Sie es, wie es sich anfühlt, etwas geschafft zu haben, was ihm nicht in den Schoß gefallen ist: „Bist du jetzt stolz auf dich? Freust du dich, dass du das geschafft/ausprobiert hast?“ So bekommt Ihr Kind noch mal deutlich mit, wie gut es sich anfühlt, etwas hinbekommen oder zumindest versucht zu haben.
2. Schonen Sie Ihren Teenager nicht, etwa weil Sie seine Wutausbrüche oder seine Tränen fürchten. Muten Sie ihm die täglich anfallenden Aufgaben zu, auch wenn er schnell frustriert oder genervt ist. Atmen Sie lieber tief durch und versuchen Sie einen entspannten Umgang damit zu lernen. („Mein Kind ist jetzt wütend. Das ist okay, ich muss mich darüber nicht aufregen.“)
3. Seien Sie vorsichtig im Umgang mit Kritik: Überlegen Sie, ob Ihr Kind Grund hat, sich angegriffen zu fühlen, etwa weil Sie ihm oft Vorwürfe machen oder ihm etwas unterstellen. Beachten Sie also bitte Folgendes:
- Üben Sie nur Kritik an seinem Verhalten, niemals an seinem Charakter.
- Vermeiden Sie Verallgemeinerungen, Anschuldigungen, Unterstellungen und Vorwürfe.
- Sagen Sie Ihrem Kind lieber, was Sie von ihm erwarten, statt an ihm herumzumeckern, also statt „Immer lässt du deinen Rucksack herumliegen!“ lieber: „Ich möchte bitte, dass du deinen Rucksack wegräumst!“.
4. Mahnen Sie Ihr Kind freundlich, Geduld mit sich und anderen zu haben. Überlegen Sie auch, ob Sie ihm ein gutes Vorbild sind. Wenn nicht, sagen Sie ihm das ruhig: „Ich bin auch oft sehr enttäuscht, wenn mir etwas nicht gelingt oder ich etwas nicht erreiche, da bin ich vielleicht kein so gutes Vorbild. Aber vielleicht können wir uns ja beide vornehmen, ein bisschen geduldiger und verständnisvoller mit uns selbst und anderen umzugehen?“
5. Suchen Sie gemeinsam die Ressourcen, die Ihr Kind braucht, um frustrationstoleranter zu werden. Fragen Sie dazu, wie es ähnliche Situationen bereits gemeistert hat, z.B. indem Sie folgende Fragen stellen:
- „Was hat dir denn dabei geholfen, für die letzte Klassenarbeit zu lernen, obwohl du gar keine Lust hattest?“
- „Was hat dir gut getan, als du beim letzten Spiel/Wettbewerb … verloren hast? Was hat dich getröstet?“
Natürlich können Sie Ihrem Kind auch konstruktive Vorschläge machen:
- „Gibt es einen Gegenstand, den du dir in die Hosentasche stecken kannst, der dir Energie/Mut/Geduld etc. spendet?“ (z. B. einen Edelstein, Talisman. o.Ä.)
Mein Tipp: Selbst wenn Ihr Kind Ihnen auf diese Fragen nicht antworten kann oder will, so werden Sie ihm doch damit wichtige Anregungen zur Selbsthilfe geben. Im Gehirn arbeiten diese Fragen und Themen nämlich oft unbewusst weiter. Natürlich kann Ihr Kind diese Fragen auch für sich alleine beantworten und seine Antworten z.B. in ein (Tage-)Buch schreiben.