Mein Teenager lügt! Was soll ich tun? Richtiger Umgang mit Lügen

„Lügen haben kurze Beine“, lautet ein viel zitiertes Sprichwort, als ob man Lügen an der Körpersprache eines Heranwachsenden erkennen kann. Wichtiger ist es jedoch, die Gründe herauszufinden, warum die Pubertierenden lügen. Nur dann wissen Sie, ob und wie Sie handeln müssen. Einige interessante Denkanstöße dazu lesen Sie in diesem Artikel. 

Inhaltsverzeichnis

Wie Sie mit Lügen umgehen sollten

Um Ihnen die Vielfalt des Lügens in der Pubertät zu verdeutlichen und Ihnen damit auch die unterschiedlichen erzieherischen Interventionen nahezulegen, stelle ich Ihnen vier „Lügen-Typen“ vor.

Fantasievolle Lügen

Da ist der zwölfjährige Frederik, der, so seine Eltern, „das Blaue vom Himmel herunterlügt“. Der habe eine blühende Phantasie, „unglaublich“, so seine Mutter: „Der könnte mal Romane schreiben, wahnsinniger, verrückter als Harry Potter.“ Und der Vater ergänzt, dass das früher, als er so fünf oder sechs war, schon so gewesen wäre: „Man konnte ihm kaum etwas glauben, musste sich ständig fragen, ob dass, was er da erzählte, wahr oder nicht wahr war.“ Dann wäre es einige Jahre besser geworden: „Und jetzt hat es den Anschein, als fange alles wieder von vorne an.“

  • Mein Tipp: Ein Kind durchlebt zwei „Lügenphasen“: eine erste zwischen dem vierten und siebten sowie eine zweite zwischen dem zehnten und 13. Lebensjahr. Kinder und Heranwachsende spielen in diesen Lebensabschnitten mit der Realität. Das bedeutet, dass sie Grenzen überschreiten, indem sie ihrer Fantasie und ihren Träumen nachhängen. Sie katapultieren sich aus der Wirklichkeit und erträumen sich ein „Schlaraffenland“, in dem alles möglich und gestattet ist. Auch wenn diese Phase vorübergeht und das Realitätsprinzip Einzug halten wird, sollte man den Heranwachsenden begleiten. Hören Sie den Geschichten zu, und erfreuen Sie sich an der Fantasie des Kindes.

Lügen aus Angst

Auch die 13-jährige Maike erzählt „Lügengeschichten“. Wenn sie zu spät aus der Schule kommt, dann sind immer andere schuld: der Bus, der nicht fahrplanmäßig gefahren ist, oder die Freundin, der Maike noch helfen musste. Wenn sie eine schlechte Schulnote mit nach Hause bringt, dann deshalb, weil der Lehrer andere Aufgaben stellte als jene, für die sie gelernt habe. Maike hat für fast alles mehr oder minder schlüssige Ausreden, obgleich man spürt, dass diese nicht wahr sind. Spricht man sie darauf an, flippt sie komplett aus. Und wenn man sie, wie Maikes Vater es einmal tat, mit Hausarrest bestraft, um ihr den „Lügenvirus auszutreiben“, dann nimmt sie das klaglos hin. Doch an ihrem Verhalten ändert sich rein gar nichts. Ihr einziger resignierter Kommentar lautet dann: „Macht doch, was ihr wollt. Ihr glaubt mir nicht, weil ihr mich sowieso nicht lieb habt.“

  • Mein Tipp: An Maike werden offensichtlich zu hohe Anforderungen gestellt, die sie komplett überfordern, Aufgaben und Verpflichtungen, die sie nicht zu erfüllen vermag. Hier macht das Lügen auf eine gespannte Familienbeziehung aufmerksam, und das Lügen ist ein extremer Hilfeschrei. Sie hat das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Und das Verhalten von Maikes Vater lässt die Situation für sie nur noch bedrohlicher erscheinen. Maikes Lügen wären ein Anlass, eine Familienberatung aufzusuchen. Allein kommen Familien aus einer solchen Situation selten heraus.

Vergesslichkeits-Lügen

Sie könne manchmal die Wände hochgehen, erzählt die Mutter der 13-jährigen Stefanie. „Ich sage ihr, sie soll das und das machen.“ Sie schüttelt heftig den Kopf: „Und wenn ich sie dann frage, ob sie die Aufgabe erledigt habe, sagt sie doch glatt, sie habe es vergessen.“ Die Mutter schlägt heftig ihre flache Hand vor die Stirn: „Vergessen!“ Entrüstung klingt aus ihrer Stimme: „Vergessen! Die hat zwei Ohren, verstehen Sie, zwei Ohren. Denn wenn sie etwas hören will, dann versteht sie das!“ Sie schaut wütend drein: „Die lügt. Die lügt mich mit ihren schönen blauen Augen an!“

  • Mein Tipp: Auch wenn viele Eltern es nicht glauben, aber Pubertierende sind extrem vergesslich. Diese Vergesslichkeit hängt mit hormonellen Veränderungen des Gehirns in der Übergangsphase der Pubertät zusammen. Heranwachsende können sich manchmal tatsächlich nicht an Absprachen erinnern, auch wenn sie sich alle Mühe geben. Übertragen Sie Ihrem Teenager daher nur eine, maximal zwei Aufgaben auf einmal. Am besten Aufgaben, die noch heute zu erledigen sind. Ansonsten erinnern Sie Ihren Jugendlichen freundlich an die Aufgabe oder Absprache. Bedenken Sie: Der Heranwachsende befindet sich in einem Ausnahmezustand, das Gehirn ist eine Baustelle.

Angeberlügen

„Unser 14-jähriger Franz macht uns Sorgen“, berichten die Eltern. Der wäre ein richtiger Aufschneider. Was der in der Schule und bei seinen Freunden so alles erzählen würde über das, was wir so besitzen. Und natürlich auch über sein neuestes elektronisches Equipment. Franz würde „Geschichten aus tausendundeiner Nacht fabulieren“. Sie wüssten nicht, was das solle. Das wäre so eine „kommerzielle Traumwelt, in die er sich da flüchte, und wir haben Angst, dass er darin versinkt und die Realität nicht mehr erkennt!“. Mit ihm reden könne man nicht, er blockt ab und bestreitet alles.

  • Mein Tipp: Franz brüstet sich vor seinen Freunden, will sich einerseits abheben, andererseits aber auch mit ihnen mithalten können. Seine Lügen dienen dazu, sich größer zu machen und eventuell ein schwaches Selbstbewusstsein auszugleichen. Sollte Ihr Teenager sich so verhalten, dann verstehen Sie das als einen verdeckten Hilferuf, den Sie ernstnehmen sollten. Die Stärkung des Selbstbewusstseins ist der einzige Weg, das Lügen zu relativieren.