Sehschwäche bei Kindern: Warnzeichen kennen und ernst nehmen

Nicht immer zeigt sich eine Sehschwäche bei Kindern durch den typischen Silberblick, denn gerade Kinderaugen gleichen Sehfehler lange Zeit unbewusst aus. Aber eine unentdeckte und damit unbehandelte Sehschwäche kann zu bleibenden Schäden führen. Vor allem da das Sehen genau wie das Laufen oder Sprechen erst im Lauf der ersten Lebensjahre erlernt werden muss. 

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Unbehandelte Sehschwächen können zu bleibenden Schäden führen

Bei rund 25% Prozent aller Kinder wird eine Sehschwäche nicht erkannt und fast jedes 20. Kind wird zu spät behandelt, berichtet die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Dabei wird das Sehvermögen bereits im Babyalter im Rahmen mehrerer Vorsorgeuntersuchungen vom Kinderarzt kontrolliert. Allerdings lassen sich die meisten Sehprobleme nur von einem Augenarzt erkennen, denn gerade Fehlsichtigkeiten wie Kurz- oder Weitsichtigkeit sowie eine Hornhautverkrümmung sind erst durch spezielle Verfahren messbar. Und auch andere Sehschwächen wie die Schwachsichtigkeit oder geringfügiges Schielen erfordern eine spezielle Diagnose. Natürlich sind bei der Früherkennung ebenfalls Eltern oder sonstige Bezugspersonen gefragt, denn gerade im täglichen Leben macht sich eine Sehschwäche besonders bemerkbar.

Kinderaugen lernen noch

Sehfähigkeit und ungestörte Sehkraft sind wichtig für die normale Entwicklung eines Kindes, da etwa 80 Prozent aller Sinneseindrücke über die Augen aufgenommen und im Sehzentrum zu einem visuellen Eindruck verarbeitet werden. Aber dieser Prozess des Sehens und der Bildverarbeitung im Gehirn reift erst in den ersten Lebensjahren heran. So sind viele Babys weitsichtig, was jedoch durch die extrem anpassungsfähige und weiche Linse leicht kompensiert werden kann. Kurz nach der Geburt ist der Sehhorizont beispielsweise auf nur 20 Zentimeter beschränkt und das Neugeborene reagiert zwar auf einen Lichtstrahl, kann diesen aber nur horizontal mit den Augen verfolgen. Mit etwa drei Monaten kann das Baby dagegen bereits Gegenstände fixieren und mit den Augen in alle Richtungen verfolgen. Nach etwa sechs Monaten haben die Augen das Simultansehen gelernt, sodass räumliche Wahrnehmung möglich ist. Dazu müssen allerdings beide Augen gleich gut sehen und auch die gleiche Sehstärke besitzen. Andernfalls ist nicht nur das räumliche Sehen beeinträchtigt, sondern es kann sich zusätzlich eine Sehschwäche entwickeln.

Wenn ein Auge abgeschaltet wird

Als Sehschwäche wird bei Babys und Kindern meist eine Schwachsichtigkeit (Amblyopie) bezeichnet, bei der vom Gehirn das Auge bevorzugt wird, das das schärfere Bild liefert. Dadurch wird jedoch das andere Auge in seiner Entwicklung vernachlässigt und verliert an Sehkraft. Häufigster Auslöser für diese Form der Sehschwäche ist das Schielen. Normalerweise wird der menschliche Augapfel von sechs verschiedenen Muskeln in die richtige Position gebracht. Bereits im Alter von drei bis sechs Monaten lernen Babys, ihre Augen richtig einzustellen und Gegenstände zu fixieren. Dabei kann der Blick gelegentlich nach innen oder außen abweichen – das ist in diesem Alter völlig normal. Wenn sich die Augen allerdings ständig in einer nichtparallelen Position befinden oder wenn ein Kind nach dem sechsten Lebensmonat weiterhin ab und zu schielt, ist eine Behandlung erforderlich. Meist wird das Schielen durch eine Stellungsänderung des Augapfels hervorgerufen, die auf einer Fehlfunktion der Augenmuskeln beruht. Das schielende Auge liefert dadurch entweder gar kein Bild oder es kommt zu Doppelbildern. Da das Gehirn diese Sinneseindrücke jedoch nicht richtig verarbeiten kann, wird der Eindruck ignoriert und das schielende Auge vom Sehvorgang ausgeschlossen. Weitere Gründe für eine Sehschwäche bei Kindern sind Brechungsfehler. So führen sowohl Kurzsichtigkeit als auch Weitsichtigkeit oder eine abnorme Krümmung der Hornhaut zu einer Sehschwäche. Seltener treten dagegen bereits im Kindesalter Linsentrübungen (grauer Star), erhöhter Augeninnendruck (grüner Star), Augenzittern oder Erkrankungen von Netzhaut und Sehnerv auf.

Den Durchblick behalten und Hinweise auf eine Sehschwäche erkennen

Obwohl nur etwa 5 bis 10 Prozent aller Kinder von einer Sehschwäche betroffen sind und viele der genannten Sehstörungen nur von einem Augenarzt genau ermittelt werden können, gibt es dennoch eine Reihe von Hinweisen, die bei Kindern auf eine Sehschwäche hindeuten können. Dabei ist vor allem im Baby und Kleinkindalter eine genaue Beobachtungsgabe der Eltern gefragt. Im vierten Monat sollte das Baby einen interessanten Gegenstand sicher mit den Augen verfolgen können und mit etwa einem Jahr sollten bewegliche Gegenstände wie ein Ball richtig und gezielt gegriffen werden. Alarmzeichen für eine mögliche Sehschwäche im Baby- und Kleinkindalter sind dagegen neben optischen Veränderungen der Augen auch anhaltendes Schielen, Augenzittern, keine Reaktion auf Licht oder häufiges Danebengreifen. Mit zunehmendem Alter können weitere Hinweise hinzukommen. So stolpern oder stoßen sich Kinder mit einer Sehschwäche aufgrund ihrer eingeschränkten räumlichen Wahrnehmung häufiger. Mit Eintritt in die Schule können außerdem vermehrte Kopfschmerzen infolge von überanstrengten Augen, Konzentrationsstörungen sowie Lese- und Schreibschwierigkeiten auftreten. Häufig fallen Kinder mit einer Sehschwäche außerdem durch Gleichgewichtsstörungen, nahes Sitzen vor PC oder Fernseher sowie durch starke Müdigkeit und häufiges Augenreiben auf.

”’Sehschwächen müssen nicht zu lebenslangen Einschränkungen führen”’

Sehschwächen können unbehandelt nicht nur die Lebensqualität mindern, sondern langfristig auch Auswirkungen auf so wichtige Dinge wie die Berufswahl haben. Um bleibende Schäden der Sehkraft zu vermeiden, sollte daher bereits bei den ersten Anzeichen für eine Sehschwäche ein Augenarzt aufgesucht werden. Aber auch ohne Hinweise ist eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle sinnvoll, denn viele Augenfehler lassen sich nur mit entsprechendem Fachwissen diagnostizieren und behandeln. Eine Sehschwäche infolge eines Brechungsfehlers ist zwar nicht heilbar, kann jedoch auf Anhieb bereits im Babyalter durch eine entsprechende Brille beseitigt werden. Nicht ganz so schnell lässt sich dagegen eine Sehschwäche infolge einer Schwachsichtigkeit korrigieren. Hier kommt in erster Linie die Okklusionsmethode zum Einsatz. Dabei wird das besser sehende Auge meist für ein paar Stunden täglich abgeklebt, mit dem Ziel, auf diese Weise das schwächere Auge zu fordern und die Sehkraft wieder zu verbessern. Besonders gute Erfolge werden hier erzielt, wenn die Behandlung möglichst frühzeitig beginnt. Entsprechend neuerer Studien ist diese Form der Sehschwäche aber noch bis ins Jugendalter behandelbar, sodass auch später erkannte Sehschwächen nicht zwangsläufig zu bleibenden Schäden und damit lebenslangen Beeinträchtigungen führen müssen.

Autorin: Sandra Abel, Augenoptikerin bei brille24.de