Affluenza: Wohlstandsverwahrlosung bei reichen Kindern

Affluenza wird heute bei vielen reichen Kindern diagnostiziert, aber ebenso können auch Kinder des Mittelstandes unter Wohlstandsverwahrlosung leiden. Lesen Sie in diesem Artikel, was es mit dieser modernen Krankheit auf sich hat. 

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Zu viel Geld macht unglücklich

Ein 16-jähriger Amerikaner bricht betrunken mit einem Auto zu einer Spritztour auf und rast mit 120 Stundenkilometern in eine Gruppe Jugendlicher am Straßenrand. Vier Personen sterben. Ein klarer Fall für den Richter – eigentlich. Dass der 16-jährige Ethan Couch aus dem texanischen Fort Worth nicht ins Gefängnis musste, verdankte er seinen Anwälten und einem Psychologen, der bei ihm Affluenza diagnostizierte: Unzurechnungsfähigkeit aufgrund materiellen Wohlstandes.

Da seine Eltern ihm stets nur vorgelebt hatten, dass mit Geld alles zu kaufen war, habe er die Konsequenzen seines Tuns nicht einschätzen können. Was wie rabenschwarze Satire klingt, ist leider bittere Realität: Couch wurde lediglich zu zehn Jahren Rehabilitation in einer Spezialeinrichtung verurteilt.

Affluenza als Krankheit

Wie die Website euroClinix berichtet, handelt es sich bei Affluenza mittlerweile um ein echtes Krankheitsbild, das vor allem sehr reiche junge Menschen betrifft: Eine neue Generation, die im materiellen Überfluss groß geworden ist und nie im Leben für etwas kämpfen musste. Zwar gab es schon immer reiche Erben, doch erst die moderne digitale Welt hat zu einer neuen Dimension des hemmungslosen Protzens online geführt. Über 100.000 junge Menschen folgen im sozialen Netzwerk Instagram der Seite "Rich Kids of Instagram", auf der verwöhnte Millionärskinder nichts anderes tun, als ihren Lebensstil zur Schau zu stellen: Knapp bekleidete Blondinen posieren mit Schmollmund bei der Neujahrsparty auf St. Barts und auf einer Superyacht in Monaco, während sich junge Investmentbanker auf einem Bett voller 500 Euro-Scheine mit einer Flasche Champagner fotografieren lassen. Hedonismus pur vor einem dankbaren Publikum.

Glücklich sind dabei die wenigsten hinter dieser Fassade, wissen Psychologen: Aller materieller Wohlstand kann die innere Leere nicht füllen, die durch mangelnde Zuneigung in der Kindheit entstanden ist: Weder Nannys noch Schoßhündchen können die Eltern ersetzen. Außerdem benötigen Kinder das Gefühl Grenzen zu spüren, die ihnen Halt geben – ansonsten kommt es zu Extremfällen wie Ethan Couch, die felsenfest der Überzeugung sind, alles zu dürfen. Empathie haben sie nie gelernt.

Auch in Deutschland gibt es Wohlstandsverwahrlosung

In Deutschland ist das Phänomen Affluenza auch unter dem Begriff der Wohlstandsverwahrlosung bekannt: Der Begriff wurde bereits in den 90er Jahren von der Psychologin Ulrike Zöllner aus der Schweiz geprägt. Dabei müssen es nicht unbedingt Millionärskinder mit Privatjet und Superyachten sein, die emotional verkümmern: Auch in der oberen Mittelklasse kommt es immer häufiger zu Affluenza-Problemen: Die Kinder wachsen ohne Grenzen und Werte auf und entwickeln sich zu kleinen Tyrannen. Spätestens als Jugendliche haben sie sich an den Mangel an emotionaler Zuneigung und festen Werten gewöhnt und ersticken die innere Leere mit ungehemmtem Konsum – und häufig mit Alkohol und Drogen. Psychische Störungenn wie Depressionen, Ängste und ADHS seien ebenfalls keine Seltenheit.

Als Schuldige sehen Experten vor allem die Eltern an: Ein Wunschkind wird heute oft genug wie ein hochgezüchtetes Statussymbol behandelt, das vor allem das eigene Prestige stärken soll. So wird der Nachwuchs mit Prada, Pony und Porsche ausgestattet – aber elterliche Zuneigung ist Mangelware.